WIENER PALAIS


Adressverzeichnis

Zeittafel






Palais Nassau


Israel Simon war einer der reichsten Männer im Königreich Hannover. Er war Eigentümer eines Bankhauses in der Stadt Hannover und darüber hinaus ein treuer Anhänger des letzten hannoverschen Königs Georg V. Dieser war im Preußisch-Österreichischen Krieg von 1866 ein Verbündeter der Österreicher. Nach dem Sieg Preußens annektierte es das Königreich Hannover und dessen König musste nach Wien ins Exil gehen. Simon folgte ihm im nächsten Jahr und gründete hier ein neues Bankhaus mit dem er seinen ehemaligen König bei dessen Aktivitäten unterstützte. In den Jahren 1872/73 ließ er sich vom Wiener Architekten Alois Wurm-Arnkreuz in der heutigen Reisnerstraße ein strenghistoristisches Palais im Stil der Wiener Neorenaissance errichten. Beim großen Börsenkrach von 1873 verlor er aber viel Geld und starb schließlich zehn Jahre später verarmt in Wien. Sein Wiener Palais musste er aber bereits 1874 dem Herzog Adolph von Nassau verkaufen. Wie König Georg V hatte auch er auf das falsche Pferd gesetzt und sich mit der Habsburger-Monarchie verbündet. Auch er verlor sein Herzogtum und ging nach Wien. Obwohl er sein Palais lediglich 17 Jahre besaß, trägt es noch heute seinen Namen. 1891 erwarb der damalige russische Botschafter in Österreich-Ungarn Fürst Aleksej Lebanow-Rostowskij das Gebäude um hier die Botschaft seines Landes einzurichten. Mit Unterbrechungen in den beiden Weltkriegen blieb das Palais bis heute Sitz der diplomatischen Vertretung Russlands in Österreich. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude durch Bombentreffer schwer beschädigt. 1961 fand in der inzwischen renovierten Botschaft das historische Treffen zwischen Nikita Chruschtschow und John F. Kennedy statt. 1979 wurden hier die Verhandlungen zwischen Leonid Breschnew und Jimmy Carter geführt, die den SALT2-Vertrag zwischen der UdSSR und der USA ermöglichten.

Das Palais des Israel Simon war ein zweigeschossiger Bau, der an seiner Hauptfassade neun und an seiner Seitenfront sechs Fensterachsen aufwies. Das war für einen Privatbankier völlig ausreichend, aber für die Vertretung des größten Landes Europas auf die Dauer nicht groß und repräsentativ genug. Es wurde daher um ein Geschoß aufgestockt und mit mehreren anderen Gebäuden ergänzt. Sein Grundriss wurde in etwa beibehalten. Erdgeschoß und erster Stock der Schauseite sind genutet. Bemerkenswert ist der dreiachsige Portalvorbau, zu dem seitlich zwei Auffahrtsrampen und in der Mitte eine breite Freitreppe hinaufführen. Über dem Vorbau befindet sich eine stattliche Terrasse, die von einer Balustrade begrenzt wird. Vier mit Kapitelen geschmückte Pilaster heben den Mittelteil der Fassade hervor. Die auf die Terrasse hinausführende Fenstertüre trägt eine dreieckige Verdachung, die von zwei skulptierten Pilastern gestützt wird. In gleicher Weise wird das große Fenster im ersten Obergeschoß der kaum vorspringenden Eckrisalite hervorgehoben. Das später aufgesetzte letzte Geschoß ist betont schlicht gehalten. Seine Fenster tragen gerade Verdachungen. Besonders aufwändig gestaltet ist das von roten Marmorsäulen gestützte Stiegenhaus mit der Haupttreppe. In drei Repräsentationsräumen der Beletage haben sich Reste der ursprünglichen Ausstattung erhalten. Die meisten anderen Räume wurden jedoch modernisiert. Am anderen Ende des großen Botschaftsgartens steht eine für das Wiener Straßenbild eher ungewöhnliche Kirche. Es ist dies die Russisch-Orthodoxe Kathedrale zum Heiligen Nikolaus. Sie wurde in den Jahren 1893 bis 1899 nach Vorbildern russischer Kirchen des 17. Jahrhunderts errichtet. Der Bau wurde vom Zaren Alexander III und dem russischen Staat finanziert. Die prächtig restaurierte Kirche dient nicht nur dem Botschaftspersonal sondern allen in Wien lebenden orthodoxen Christen.

Ort/Adresse: 1030 Wien, Reisnerstraße 45 - 47

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


22.06.2018