WIENER PALAIS


Adressverzeichnis

Zeittafel






Palais Trauttmansdorff


Die Wiener Herrengasse gehört zu den ältesten Straßenverbindungen Österreichs. Sie war Teil der römischen Heerstraße, die schon im ersten Jahrhundert die Wehranlagen und Kastelle an der Donau verband. Seit dem 13. Jahrhundert verband sie im mittelalterlichen Wien die Hofburg mit dem Schottenstift. Schon frühzeitig siedelten sich hier Adelige an, die ihrem Landesherrn nahe sein wollten. Davon zeugen die zahlreichen hier liegenden Palais und ihre vielen adeligen Bewohner. An der Adresse Herrengasse 21, an der sich heute das Palais Trauttmansdoff befindet, scheinen als erste bekannte Besitzer 1376 die Herren von Winkel auf. Auf sie folgten bis 1439 die Familie Neudegg und dann der Ritter Stefan Missingdorf, der aus dem Ministerialengeschlecht der Grafen von Plain-Hardegg stammte. Er war vermutlich Bauherr zweier Häuser, deren Reste im Keller des jetzigen Palais aufgedeckt wurden. Wie man aus dem relativ hohen Betrag von 350 Pfund Wiener Pfenninge schließen kann, den 1492 Hans Geyer für den Erwerb der Liegenschaft zahlen musste, dürfte es sich bereits um einen größeren zweigeschossigen Bau gehandelt haben. Geyer war Obrister Baumeister im damaligen Österreich. Er errichtete im ausgedehnten Garten ein Lusthaus. Auf ihn folgte ab 1505 Dr. Peter Thannhauser, der an der Wiener Universität Zivilrecht lehrte und den Posten eines Kammeradvokates innehatte. Seine Witwe verkaufte das Grundstück dem Konvent des Stiftes Göttweig. Nächster Eigentümer war 1527 der Rat und Schätzmeister Hans Hofmann von Grünbühel. Er war auch Obersthofmeister Kaiser Ferdinands I. In der von Georg Hoefnagel 1609 angefertigten Stadtansicht erkennt man, dass die beiden spätmittelalterlichen Häuser Missingdorfs bereits durch Überbauung der Hofeinfahrt zu einem sechsachsigen Stadtpalais mit drei Erkern verbunden waren.

1610 trieb ein Brand, der das Haus fast zerstörte, Hofmann von Grünbühel in den Konkurs, so dass Wolfgang Jörger von Tollet das Gebäude preiswert übernehmen konnte. Sein Onkel besaß bereits das Nachbarhaus (später Palais Batthyany-Strattmann). Die Jörgers waren eine der führenden evangelischen Adelsfamilien im Erzherzogtum Österreich ob der Enns. Wolfgangs Sohn Helmhard IX baute seine Herrschaft Hernals zum Zentrum der Reformation in der Umgebung Wiens aus. Er war ein besonders militanter Verfechter seines Glaubens und ein führendes Mitglied des Horner Bundes, der im offenen Gegensatz zu Kaiser Ferdinand II stand, weil dieser die den protestantischen Adeligen, vermeintlich zustehenden Vorrechte nicht genehmigen wollte. 1619/20 verweigerten er und seine Mitstreiter dem Kaiser die Erbhuldigung und paktierten mit den aufständischen böhmischen Ständen. Daraufhin wurde Helmhard zum „Hauptrebell“ erklärt, geächtet und zum Tode verurteilt. Er wurde zwar bald begnadigt, doch verlor er seine sämtlichen Besitzungen und musste das Land verlassen. Der Kaiser schenkte das noch ruinöse Palais in der Herrengasse 1627 dem Stift Kremsmünster. Dieses ließ es sanieren und unterkellern. Ein neuer Nordtrakt wurde erbaut und anstelle des Lusthauses ein Stöckelgebäude errichtet. Zwischen dem Nord- und dem Südtrakt entstand ein zweigeschossiger Verbindungsbau mit Arkaden. Der Nordtrakt war ein bemerkenswerter Spätrenaissancebau, in dem auch auf eine Sala terrena nicht vergessen wurde.

1639 verkaufte das Stift den nun recht repräsentativen Stadtpalast dem Reichsgrafen Maximilian von Trauttmansdorff (1584 – 1650), der sich im Dreißigjährigen Krieg sowie beim darauf folgenden Westfälischen Frieden als geschickter Diplomat und Berater des Kaisers große Verdienste erworben hatte, wofür er mit dem Amt des Obersthofmeisters belohnt wurde. Die Grafenwürde hatte er bereits 1623 erhalten. Er hatte bisher ein kleineres Haus an der Tuchlauben bewohnt. Sein neues Palais in der Herrengasse war seiner neuen Würde besser angepasst. Es wurde natürlich Teil des Familienfideikommisses. Die Trauttmansdorff sind eines der ältesten Adelsgeschlechter Österreichs, das sich schon 1278 im Kampf gegen Ottokar II Premysl auszeichnete. Albert Stuchs von Trauttmansdorff verlor damals 14 Söhne in der Schlacht auf dem Marchfeld. Johann Norbert Graf Trauttmansdorff ließ das Palais-Innere zwischen 1719 und 1721 neu ausstatten, doch bewohnte seine Familie im 18. Jahrhundert das Haus meist nicht selbst, sondern vermieteten einen Großteil der Räume. So wohnte hier 1751 Rudolf Graf Chotek. In dieser Zeit führte der spätere Hofarchitekt Nikolaus Pacassi größere Umbauten durch. So wurde die Sala terrena mehrfach unterteilt und neu gewölbt. Um 1772 bewohnten Graf Ferdinand Trauttmansdorff und seine Frau die Räume im ersten Obergeschoß. Im Erdgeschoß war ein Stall für 12 Pferde und eine Remise für sieben Wagen eingerichtet. Graf Ferdinand war zuerst Minister in den österreichischen Niederlanden und dann stellvertretender Außenminister. 1805 wurde er in den Reichsfürstenstand erhoben. Als Obersthofmeister war er für den problemlosen Ablauf des Wiener Kongresses mitverantwortlich. Von 1792 bis 1803 ließ er sein Familienpalais weiter ausbauen. Dazu gehörten auch eine Aufstockung des Süd- und Osttraktes, sowie der Einbau einer neuen Treppe im Südtrakt.

Der Baumeister Andreas Zach schuf die frühklassizistische Fassade. Der Westtrakt wurde 1798 durch den Baumeister Franz Wipplinger aufgestockt. Gleichzeitig wurde auch das Dachgeschoß des Nord- und Südtraktes ausgebaut. Vom Innenhof gelangte man damals durch eine zweite Durchfahrt in den großen hinteren Hof. Außer einem Brunnen befanden sich hier vorwiegend Schupfen und Heulager. 1836 beauftragte der dritte Fürst Joachim von Trauttmansdorff die Baumeister Philipp Brandl und Adolph Korompay mit der Errichtung neuer Hoftrakte zur Schenkenstraße hin. Der Architekt Karl Schleps plante die Umbauten der Mansardenzimmer und der Beletage an der Herrengasse. 1840/41 fand die Modernisierung des Inneren durch den Einbau einer Warmluftheizung, neuer Öfen und einer Gasbeleuchtung statt. Durch die Verglasung des Ganges im Obergeschoß entstand unter Franz Ehmann ein Wintergarten. Die Salons wurden von erstklassigen Handwerkern neu gestaltet. Zu ihnen gehörten der Stuckateur Michael Bruckner, die Maler Joseph Geyling, Joseph Martinelli sowie Abbondio Pellini. Die Tischler Kajetan Heldenberg und Ernst Gißl und der Tapezierer Franz Lechner kümmerten sich um Verkleidungen und Tapeten. Die Untergeschoße wurden für einen Weinkeller und andere Zwecke erweitert. 1869 ließ der vierte Reichsfürst Karl Johann Nepomuk Ferdinand von Trauttmansdorff die Prunkräume an der Herrengasse mit Marmorkaminen, roten Wandbespannungen und Supraportenbilder des Malers Carl Joseph Geiger ausstatten.

1940 wurden der Familienfideikommiss aufgehoben und kurz danach das Palais Trauttmansdorff verkauft. In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts erwarb die Niederösterreichische Brandschadenversicherung das Gebäude. Da diese bereits das benachbarte Palais Batthyany-Strattmann besaß, ergab sich die Gelegenheit beide Gebäude miteinander zu verbinden. Zu diesem Zweck mussten im Ostflügel des Palais Trauttmansdorff mehrere Durchbrüche geschaffen werden. 1968 wurde der Westtrakt im Innenhof abgerissen. An seiner Stelle errichtete 1971 der Architekt Anton Potyka ein modernes Bürogebäude. 1997 wurden beide Palais in der Herrengasse für die Redaktion der Zeitung „Der Standard“ adaptiert. Im Jänner 2011 hatte die Karl Wlaschek Privatstiftung die Palais Batthyany-Strattmann und Trauttmansdorff erworben. Die nicht unbedingt gewinnorientierte Stiftung hatte sich auf den Erwerb und die Rettung historischer Wiener Gebäude spezialisiert. Ihr gehören heute auch die im Umkreis der Herrengasse gelegenen Palais Ferstel, Kinsky, Harrach und Hardegg. Die Zeitungsredaktion hatte 2012 ihr bisheriges Domizil verlassen und neue Räumlichkeiten in Wien bezogen, so dass man an eine Generalsanierung der Palais Batthyany-Strattmann und Trauttmansdorff denken konnte. Durch die zahlreichen Umbauten im 19. und 20. Jahrhundert hatten beide Häuser viel von ihrem einstigen Glanz verloren. In den Jahren 2013 bis 2016 kam es zum bisher letzten Umbau, diesmal durch Martin Mittermair, der im Äußeren die barocken bzw. klassizistischen Fassaden des Palais Trauttmansdorff beibehielt, das Innere der beiden Palais aber in zwei elegante, aber doch weitgehend gesichtslose Miethäuser für zahlungskräftige Interessenten verwandelte. Auch die Prunkräume mit dem Goldkabinett wurden zu einer repräsentativen Großwohnung, was allerdings ihrem einstigen Zweck wieder nahe kommt.

Das Palais Trauttmansdorff ist weniger für seine barocke Ausstattung bekannt, die es anderswo in Wien in besserer Qualität gibt, sondern für seine früh- und spätklassizistischen Festräume, die aber derzeit nicht öffentlich zugänglich sind. Der schlichte frühbarocke Bau stammt aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Im Kellerbereich findet man jedoch noch Reste einer mittelalterlichen Mauer, in die ein romanisches Rundbogenrelief (Hirschkuh und Löwe) eingelassen ist. Die siebenachsige Schauseite kommt durch die enge Herrengasse nur wenig zur Geltung. Das Erdgeschoß ist rustiziert. Die Fenster sind bis auf das Mittelfenster im ersten Obergeschoß mit geraden Verdachungen ausgestattet. Anlässlich der Erhebung der Familie in den Reichsfürstenstand, wurde hier 1805 unter einem Dreiecksgiebel das neue Familienwappen mit dem vergoldeten Fürstenhut angebracht. Das Holztor im von Pilastern umgebenden Portal stammt aus dem Jahr 1792. Es ist mit Löwenköpfen geschmückt. Die Räume rechts und links der durch Arkaden gegliederten Einfahrt gehen auf das 17. Jahrhundert zurück. Sie zeigen meist Kreuzgratgewölbe. Die Vierpfeilertrappe des Stiegenhauses ist bereits dem Klassizismus zuzurechnen. Die interessantesten Räumlichkeiten liegen natürlich im ersten Stock, der Beletage. Die Repräsentationsräume zeichnen sich durch Rokokoöfen, eingelegte Parkettböden und vergoldeten Stuck an den Decken aus. Besonders reich ausgestattet ist das spätklassizistische Goldkabinett von 1841. Es zählt zu den besten Werken der klassizistischen Innenarchitektur in Wien. Seine zwischen vergoldeten Boiserien angebrachten Spiegel suggerieren eine Unendlichkeit des kleinen Raumes. Die Supraporten sind mit gemalten Blumenstilleben geschmückt. Bemerkenswert ist auch der intarsierte Parkettboden. Die Supraportengemälde im Grünen Salon stammen von Johann Matthias Ranftl um 1841. Sie stellen Allegorien der bildenden Künste, der Musik, des Tanzes und der Schauspielerei dar. Ähnlich ausgestattet sind auch der Große Salon und einige kleinere Räume.

Ort/Adresse: 1010 Wien, Herrengasse 21

Besichtigung: Das Palais dient heute als elitäres Mietshaus und kann nur von außen besichtigt werden.


Weitere Literatur:


18.12.2017