WIENER PALAIS


Adressverzeichnis

Zeittafel






Palais Fürstenberg


Das Palais ist nach einer Familie benannt, die es erst im 19. Jahrhundert und kaum 20 Jahre besessen hatte. Daran erkennt man, dass es viele Eigentümer hatte, die aber meist keine besonderen Spuren hinterlassen hatten. Die Fürstenberg sind ein uraltes schwäbisches Adelsgeschlecht, das bis in das 11. Jahrhundert zurückreicht. Damals nannten sie sich noch Grafen von Achalm und Urach. Auch die späteren Mitglieder waren die längste Zeit Grafen. Erst Graf Hermann Egon von Fürstenberg wurde 1664 zum Reichsfürsten erhoben. Sein Fürstentum existierte bis 1806. Zu diesem gehörten repräsentative Schlösser in Baden-Württemberg wie Heiligenberg, Donaueschingen und Meßkirch. Die Fürsten hatten aber auch in Österreich und in Böhmen große Besitzungen. So gehört seit 1607 Schloss und Herrschaft Weitra im Waldviertel der landgräflichen Linie der Familie. Wann das erste Haus „am grünen Anger“ in Wien erbaut wurde, ist urkundlich nicht fassbar, doch bestand hier von der Mitte des 16. bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts das „Otto Weissische Stiftungshaus“ für geistliche Benefiziaten. Als dieses baufällig wurde, kaufte es 1702 der kaiserliche Rat Johann Ernst Freiherr von Hatzenberg und ließ sich an seiner Stelle ein neues Palais errichten. Es wurde erst um 1720 fertig. Der Architekt ist nicht gesichert, doch verweist ein in der Mährischen Galerie Brünn aufbewahrter und von ihm unterzeichneter Entwurf auf Antonio Beduzzi aus Bologna, obwohl die hochbarocke Fassade etwas an Johann Lukas von Hildebrandt erinnert. Möglicherweise wurde dieser bei der Planung zugezogen.

Zu den weiteren Besitzern zählten im 18. Jahrhundert die Grafen Seilern (1707 - 1722) und Kuefstein (1723) sowie die Freiherren von Störck (1792). Zu größeren Umbauten kam es 1851 und 1869. Nach Karl Freiherr von Störck waren die Prinzessinnen Elisabeth und Amalia von Croy von 1873 bis 1882 Eigentümer. Dann erwarb Friedrich Egon Landgraf von Fürstenberg das Palais, das er umgehend durch den Baumeister Ernst Krombholz renovieren ließ. Der Landgraf war zugleich Fürstbischof von Olmütz und seit 1879 Kardinal. Sein Erbe, Josef Landgraf von Fürstenberg, verkaufte das Gebäude bereits 1901 an Private, die in den nächsten Jahren rasch wechselten. 1920 erwarb es die Aktengesellschaft für internationalen Warenhandel. Heute befindet sich das Palais im Besitz des Hauptverbandes des österreichischen Buchhandels, dessen Vorgängerorganisation das Gebäude 1927 kaufte und darin das „Österreichische Buchgewerbehaus“ einrichtete. Der spätere österreichische Bundeskanzler Dr. Engelbert Dollfuß arbeitete hier von 1929 bis 1931 als Präsident der Landarbeiter-Versicherungsanstalt für Wien, Niederösterreich und Burgenland, die bis 1933 eingemietet war. In den Jahren 1980/81 erfolgte eine sorgfältige Restaurierung.

Mit 376 m² ist die Grundfläche für ein Barockpalais eher bescheiden, doch war der verfügbare Baugrund innerhalb der Wiener Stadtmauern knapp. Das Palais ist ein viergeschossiger Baublock mit sieben Fensterachsen an der Hauptfront in der Grünangergasse und sechs Achsen in der Domgasse. Er umschließt einen kleinen, schmucklosen Innenhof. Die beiden Fassaden weisen keine Risalite und keine Vertikalgliederung auf. Das hohe Sockelgeschoß ist genutet und teilweise mit Diamantquadern besetzt. Mit seinen vergitterten Erdgeschoßfenstern erinnert es an die römische Palastarchitektur. Zentraler Mittelpunkt der Schauseite ist das große rundbogige Portal. Es ist von gebänderten toskanischen Dreiviertelsäulen flankiert. Über der hölzernen Türe füllt ein schönes Schmiedeeisengitter das Bogenfeld. Auf den Torsäulen sitzen zwei Windhunde – die Wappentiere der Freiherren von Hatzenberg - die in ihren Pfoten Blumengirlanden halten, die von einem Säulenkapitell zum anderen reichen. Über dem Torbogen befindet sich das bereits stark verwitterte Wappen des Dr. Ignaz Eisler von Terramare, der um 1915 das Palais besaß. Ein Kordongesims trennt das Erdgeschoß von den darüber liegenden Wohngeschoßen. Eine Eckquaderung erstreckt sich nur über diese. Die Fenster der Beletage sind durch alternierende Dreieck- und Rundbogengiebeln betont. Der Deckenstuck der Eingangshalle stammt noch aus der Zeit Maria Theresias. Über dem neobarockem Marmorkamin ist ein Reliefportrait von Kaiser Josef II aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts angebracht. Das barocke Treppenhaus liegt im linken Gebäudeflügel. Es ist mit schönen Stuckarbeiten und einem durchbrochenen Steingeländer versehen. In den unteren Treppenpodestesten stehen in schwarzen Nischen aus Stuckmarmor weiß gestrichene Götterstatuen (Minerva, Merkur, Venus, Herkules). Stilistisch stehen sie Georg Raphael Donner nahe.

Von der barocken Innenausstattung haben sich lediglich einige Stuckarbeiten erhalten. Die heutige späthistoristische Ausstattung der Beletage wurde von Georg Eisler von Terramare in Auftrag gegeben. Die Decke des später zur Bibliothek umgestalteten Festsaales ist mit allegorischen Stuckdekorationen versehen. Die reich geschnitzten Bücherschränke sind aus Eichenholz und teilweise verglast. Eine durch Hermenpfeiler abgestützte Galerie ist über eine hölzerne Wendeltreppe zugänglich. Die neobarocke Stuckdecke zeigt drei allegorische Reliefs. Eine kleine Bronzeplastik stellt Johannes Gutenberg dar. Sie stammt aus dem Jahr 1880 und ist mit Anton Schmidgruber signiert. Der Vortragssaal weist bemerkenswerte gedrehte korinthische Holzsäulen auf, die als Raumteiler dienen. An seiner Stirnseite hängt ein großes Gemälde, das Johannes Gutenberg an seiner Druckerpresse zeigt. Es wurde 1886 von Anton Romako geschaffen. Die beiden Zunftfahnen wurden am Makartfestzug mitgetragen. Kassettendecken und kassettierte Lambris geben dem Raum ein vornehmes Gepräge. Der Rote Salon ist ein Eckraum, der mit einer geschnitzten Wandverkleidung im Stil des 3. Rokoko ausgestattet ist. Die Stofftapeten sind erneuert. Das sogenannte Präsidentenzimmer liegt im zweiten Obergeschoß. Es ist im Stil des Neo-Empires gehalten. Es weist ebenfalls eine hölzerne Wandverkleidung sowie vergoldete Supraporten auf. Im Gotischen Zimmer wurden echte spätgotische Spolien in die neugotische Raumgestaltung einbezogen. Man erkennt spätgotische hölzerne Maßwerkreliefs aus der Zeit um 1500. Auch die geschnitzte Holzdecke wurde durch spätgotische Holzbalken mit Kerbschnitzereien ergänzt. Die neugotischen Butzenscheiben zeigen verschiedene Heilige. Im zweigeschossigen Keller weisen frühneuzeitliche und barocke Stichkappentonnengewölbe auf das hohe Alter des Hauses bzw. seines Vorgängergebäudes hin.

Lage: Ecke Grünangergasse/Domgasse

Ort/Adresse: 1010 Wien

Besichtigung: meist nur von außen möglich


Weitere Literatur:


28.09.2017