WIENER PALAIS


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Palais Wenkheim


Das Wenkheim-Palais wurde in den Jahren 1826 bis 1835 nach Plänen des Wiener Hofbaumeisters Karl Ehmann für Anna (Nora) Gräfin Wenkheim als Mietpalais errichtet. Es ist damit eines der ältesten Gebäude der Praterstraße. Zuvor befand sich hier ein 1777 von Franz Anton Sorgo von Babali errichteter Wohnbau, der „Haus zum blechernen Turm“ genannt, aber 1826 wegen Baufälligkeit abgerissen wurde. Die Familie Wenkheim (Wenckheim) stammt aus Franken. Für ihr Wiener Palais ist jedoch in erster Linie ihr ungarischer Zweig interessant. Dieser brachte es vor allem im 19. Jahrhundert durch Heirat zu großem Reichtum. Die Ländereien und mehrere Schlösser bzw. Palais der Familie lagen zum Teil im heutigen Rumänien und der Slowakei. Bekanntestes Familienmitglied war Baron Bela von Wenkheim. Er war ein ungarischer Politiker, der wegen seiner Beteiligung an der missglückten ungarischen Revolution 1848/49 ins Ausland flüchten musste. Der Ausgleich mit Österreich von 1867 ermöglichte ihm die Rückkehr. Er wurde mehrfach Minister und 1875 sogar kurzzeitig Ministerpräsident der ungarischen Reichshälfte. Das Wiener Palais diente aber, vor allem wegen der kritischen Haltung der Wenkheims den Habsburgern gegenüber, nicht sehr lange als adeliger Wohnsitz. Bald stand der Mietertrag im Vordergrund. 1862 wurden neue Verkaufslokale eingerichtet. 1880 ließ der damalige Eigentümer, Gustav Schwarz Ritter von Mohrenstein, das Erdgeschoß in der Zirkusstraße in einen Pferdestall mit Kutscherzimmer und Geschirrkammer umwandeln. 1918 kam das Palais an Marie Pasetti von Friedensburg und Josef Honzik. Zu diesem Zeitpunkt hatte es seine Vornehmheit längst eingebüßt und war zur Mietskaserne herabgesunken. Obwohl in den 50er-Jahren Toiletten und Badezimmer eingebaut worden waren, wurde es immer reparaturbedürftiger. Zuletzt stand das ehemalige Palais mehrere Jahre leer und wurde nur mehr im Erdgeschoß durch den Einbau von Verkaufsläden genutzt. 1988 erwarb die Süd-Ost-Treuhand Gmbh das Objekt und ließ es 1989/90 generalsanieren, wobei die historische Außenansicht nicht verändert wurde. Das Innere wurde aber für Bürozwecke adaptiert und modernisiert. Nach dem Auszug der Süd-Ost-Treuhand beherbergte es unter anderem bis 2012 die Österreichische Finanzaufsicht. Nach einer neuerlichen Adaptierung für ihre Zwecke zog 2013 die Wiener Filiale der international tätigen Webster-Universität hier ein.

Das Palais erstreckt sich von der Praterstraße bis zur Zirkusgasse, wendet seine neoklassizistische Hauptfassade aber der Praterstraße zu. Sie ist vierstöckig und zeigt 15 Fensterachsen. Sie wird durch einen fünfachsigen Mittelrisalit gegliedert, der mit einer Fensterachse vorspringt. Seine obersten zwei Stockwerke sind durch sechs Riesenpilaster mit korinthischen Kapitellen zusammengefasst. Darüber befindet sich ein Flachgiebel, der drei Lorbeerkränze zeigt, die durch ein Band zusammengehalten werden. Die einzelnen Stockwerke unterhalb des 1989 ausgebauten Dachgeschosses werden durch Gesimse getrennt. Die meisten Fenster zeigen gerade Verdachungen, lediglich jene des Mittelrisalits sind vorwiegend dreieckig oder segmentbogig. Die originale Raumaufteilung war bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einem Umbau zum Opfer gefallen. Das im unteren Bereich gebänderte Erdgeschoß weist große rundbogige Fenster auf, die bis zum Umbau Geschäftsportale waren. Im Erdgeschoß befand sich für einige Zeit ein jüdischer Gebetsraum. In der Mitte des Mittelrisalits liegt das große ebenfalls rundbogige Haupttor, über dem sich ein von Konsolen gestützter Balkon befindet. Die mit einem Platzlgewölbe ausgestattete Einfahrt führt in den ehemaligen Innenhof, der beim Umbau von 1989 durch ein aufgesetztes Glasdach in ein wettersicheres Atrium umgewandelt wurde. Der in der Mitte befindliche Brunnen wurde beibehalten. Der Keller wurde für die Südosttreuhand zum Teil als Tiefgarage gestaltet. Die Fassade in der Zirkusgasse ist ähnlich der Hauptfront, aber schlichter gehalten. Immerhin gibt es hier zwei rundbogige Einfahrten. Wegen der Enge der damaligen Fuhrmangasse durfte kein Mittelrisalit der Fassade vorgesetzt werden. Um zusätzlichen Büroraum zu gewinnen, wurde die Hinterfront in der Zirkusgasse um ein Geschoß erhöht. Eine Aufstockung an der Praterstraße kam aus Denkmalschutzgründen nicht in Frage. Die Innenausstattung ist modern und zweckmäßig für den Schulbetrieb.

Ort/Adresse: 1020 Wien, Praterstraße 23/Zirkusgasse 6

Besichtigung: nach Anmeldung beim Schalter (oder telefonisch) möglich


Weitere Literatur:


09.02.2017