WIENER PALAIS


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Zeittafel






Stadtpalais Liechtenstein (Majoratshaus)


Mit dem Entsatz von Wien 1683 und der endgültigen Vertreibung der Türken setzte in Wien eine gewaltige Bautätigkeit ein, da der gesamte österreichische Hochadel in der Nähe der kaiserlichen Hofburg repräsentative Stadtpalais errichten wollte. Innerhalb der Stadtmauern gab es aber keine freien Bauplätze mehr, so dass jeder zukünftige Bauherr zuvor eine Reihe von Bürgerhäuser aufkaufen musste, um nur eine halbwegs geeignete Fläche für sein geplantes Palais zu erreichen. Dies kostete viel Zeit und Geld. Dieses Problem hatte Fürst Johann Adam Andreas I von Liechtenstein nicht. Das spätere Wiener Majoratshaus der Liechtensteiner wurde 1691 nach Plänen von Enrico Zuccali für Dominik Andreas Graf Kaunitz begonnen. Die Bauleitung übernahm Antonio Riva. Kaunitz hatte das Grundstück zuvor von der Familie Khevenhüller erworben, die selbst einen Neubau geplant hatte. Der Palast trägt mehr als andere Wiener Palais seiner Zeit italienische Züge. Für die Fassadengestaltung nahm man sich den römischen Palazzo Chigi-Odescalchi von Gianlorenzo Bernini als Vorbild. Graf Kaunitz war ein vielbeschäftigter Diplomat. Obwohl er es bis zum Reichsvizekanzler brachte, war seine Finanzsituation meist sehr angespannt. 1694 erwarb der mit ihm befreundete Johann Adam Andreas I Fürst von Liechtenstein um 15.000 Gulden den Rohbau, der erst bis zum ersten Stockwerk reichte. Mit dem Besitzwechsel wurde Zuccali durch Domenico Martinelli und Riva durch Gabriele de Gabrieli abgelöst. Wie die Datierung einer Attikafigur zeigt, war das Gebäude 1697 im Rohbau fertig. Über die Gestaltung des Stiegenhauses gerieten Bauherr und Architekt in Streit, so dass es zum Bruch zwischen dem Fürsten und Martinelli kam. Letzterer verließ daraufhin Wien. In der Zwischenzeit baute Gabrieli das Treppenhaus nach eigenen Ideen fertig. Martinelli fand, dass das Stiegenhaus nun seinen ganzen Bau verunstalte, musste sich aber damit abfinden. Heute betrachtet man die Prunkstiege als eines der schönsten barocken Treppenhäuser Wiens.

Fürst Liechtenstein hatte eine Vorliebe für italienische Architekten und Handwerker. Er beschäftigte nur die besten in Wien verfügbaren Künstler ihrer Art. Für den plastischen Schmuck der Fassaden und des Inneren waren Santino Bussi und Giovanni Giuliani zuständig. Wie die meisten Baumeister und Bauhandwerker der Wiener Barockpaläste stammten beide aus Oberitalien. Während Bussi für seinen zarten Deckenstuck bekannt war, war Giuliani eher der Mann fürs Monumentale. Bussi gestaltete im Stadtpalais vor allem viele Stuckdecken und Wanddekorationen. Allerdings wurden diese um die Mitte des 19. Jahrhunderts oft überarbeitet. Anderer Deckenstuck Bussis wurde erst anlässlich der jüngsten Restaurierungsarbeiten im ersten Obergeschoß wiederentdeckt. Seine Stuckierung des Festsaales im 2. Piano Nobile ging durch die Umbauten des 19. Jahrhunderts leider weitgehend verloren. Er schuf auch den Stuck der Prunkstiege, der aber nach den Zerstörungen von 1945 rekonstruiert werden musste. Giuliani schuf ab 1697 für das Stadtpalais zahlreiche Großplastiken. Er begann seine Arbeiten mit sechs Attikafiguren, die Jupiter, Juno, Minerva, Apollo, Merkur und Flora darstellen, über dem Mittelrisalit der Hauptfassade. Danach wandte er sich der Nebenfront am Minoritenplatz zu. Doch zuerst musste Fürst Liechtenstein von Theodor Graf Sinzendorf eine hier angrenzende Parzelle erwerben. Erst jetzt war die Anlage des prächtigen Seitenportals durch Johann Lucas von Hildebrandt möglich. Von Giuliani stammen die beiden Atlanten sowie das über dem Portal angebrachte große Liechtenstein-Wappen mit dem Goldenen Vlies sowie die flankierenden Putti und Vasen an den Ecken des Balkons. Die beiden allegorischen Figuren, die den Fürstenhut mit dem darunter befindlichen Wappen über dem Hauptportal in der Bankgasse halten, sind ebenfalls Werke Giulianis. Antonio Bellucci war für die malerische Ausgestaltung des ersten und zweiten Obergeschosses engagiert worden. Er war von 1692 bis 1704 in Wien tätig, arbeitete aber auch in seiner Heimatstadt Venedig für das neue Stadtpalais der Fürsten Liechtenstein. Die benötigte Leinwand wurde in Augsburg angekauft und nach Wien und Venedig versandt. Von ihm stammen die sieben Deckenbilder des Festsaales im 2. Piano Nobile, die 1697 geliefert wurden. Bis 1704 malte Bellucci dann zahlreiche Deckengemälde für die Repräsentationsräume im ersten Obergeschoß. Sie sind weitgehend erhalten, allerdings nicht im Stadtpalais sondern im Gartenpalais.

Die Fürsten Liechtenstein hatten ihre Residenz im damals niederösterreichischen Feldsberg (heute Valtice/Tschechien). Bereits im 17. Jahrhundert zählten sie zu den bedeutendsten österreichischen Adelsfamilien. Sie besaßen zahlreiche Schlösser in Mähren, Böhmen und Österreich. In Wien gehörte ihnen ein heute nicht mehr existents Stadtpalais in der Herrengasse und ein großes Gartenpalais in der Rossau, das Ende des 17. Jahrhunderts noch nicht fertiggestellt war. Die Erbauung eines neuen Stadtpalais war daher nicht zwingend notwendig, doch wurde es bereits so geplant, dass es die umfangreichen fürstlichen Sammlungen, die bisher auf verschiedene Schlösser und Palais der Familie aufgeteilt waren, aufnehmen konnte. Mit dem Erwerb des Rohbaues setzte Fürst Johann Adam Andreas die Bauarbeiten am Gartenpalais vorübergehend aus und widmete sich dem Projekt des neuen Stadtpalais. Schon 1706 hatte man im ersten Obergeschoß acht Räume für die berühmte Liechtensteinische Hausgalerie eingerichtet. Damals hingen hier bereits einige wichtige Rubens-Werke. 1711 war der Bau vollendet. Bevor der Bauherr 1712 starb, hatte er das erst kurz zuvor fertig gestellte Palais mit den darin untergebrachten Sammlungen in einen Fideikommiss eingebracht. Allerdings konnte die gewünschte Einheit nicht ganz eingehalten werden. Unter Fürst Josef Wenzel I, dem Sohn und Erben des Bauherrn wurde die Gemäldegalerie erweitert. Von 1765 bis zu seinem Tod 1786 war Isidor Marcellus Amandus Canevale fürstlicher Hofarchitekt. Er war für die Neugestaltung des Erdgeschoßes und des ersten Obergeschoßes verantwortlich, da es galt für den zukünftigen Fürsten Franz Joseph von Liechtenstein Wohnräume zu schaffen. Die Tischler- und Bildhauerarbeiten erledigte Johann Georg Leithner. Canevale und Leithner leiteten zur selben Zeit auch die Neugestaltung des 1938 zerstörten Palais Paar. Nachdem das alte Majoratshaus in der Herrengasse ab 1790 modernisiert worden war, wurde das Stadtpalais in der Bankgasse immer weniger von der Familie Liechtenstein bewohnt. Es wurde mehr und mehr vermietet, was dazu führte, dass viele seiner Kunstwerke in die Herrengasse transferiert wurden.

Als man die Gemäldesammlung 1806/07 im Gartenpalais in der Rossau konzentrierte, wurde dieses für zahlende Besucher geöffnet. 1819 übertrug man auch die Deckengemälde Belluccis und Lanzanis dorthin. In den nächsten 20 Jahren wurde das Stadtpalais von der Familie weiterhin nur wenig genutzt und hauptsächlich vermietet, so 1810 an Erzherzog Rudolf und 1826 an den russischen Diplomaten und Kunstsammler Dimitry Pawlowitsch Graf Tatishev. 1837 wohnte hier der russische Graf Nikolai Iwanowitsch Grech, der vor allem die hier verbliebene Waffensammlung bewunderte. Zwischen 1837 und 1845 errichtete der Baumeister Philipp Brandl auf der Bastei eine unmittelbar an das Palais angebaute Villa, die als Basteipavillon bezeichnet wurde. Sie war aufwändig ausgestattet und von einem kleinen Garten umgeben. Sie sollte vor allem der Fürstin und ihren Kindern bei deren Wienbesuchen als Rückzugsmöglichkeit dienen und das Fehlen eines großen Parks, wie er in Eisgrub und Feldsberg angelegt worden war, zumindest in Ansätzen wettmachen. Der Pavillon hatte aber keine lange Lebensdauer. Im Zuge des Abbruches der Basteien wurde auch er bereits 1874 abgebrochen. Erst Fürst Alois II von Liechtenstein benutzte wieder regelmäßig sein Wiener Palais. Er hatte zuvor den Architekten Heinrich Koch beauftragt, zu überprüfen, welches der zwei Stadtpalais ohne große Kosten in ein modernes Wohnpalais umgewandelt werden könnte. Die Entscheidung fiel zugunsten des Palais in der Bankgasse, obwohl dieses bis 1848 nicht sehr gepflegt worden war und einen Großteil seiner Kunstschätze verloren hatte. Fürst Alois ließ die Repräsentationsräume im zweiten Stock 1836 – 1847 von Peter Hubert Desvignes (auch Devigny genannt) im Stil des „Zweiten Rokokos“ umgestalten. Es sind dies die bedeutendsten und aufwändigsten Interieurs dieser Stilrichtung in Wien. Um während der Umbauzeit nicht auf ein standesgemäßes Wohnen verzichten zu müssen, mietete der Fürst das leer stehende Palais Rasumovsky und kaufte es 1838. Nach Abschluss der Renovierungsarbeiten wurde es an den Staat vermietet und schließlich 1873 verkauft. Das Majoratshaus in der Herrengasse wurde 1913 ebenfalls verkauft und danach abgerissen. Der Umbau des Stadtpalais war das einzige nennenswerte Werk des englischen Architekten in Wien. Er arbeitete immerhin fast 12 Jahre lang für Fürst Alois II, für den er auch das prächtige Gewächshaus in Eisgrub (heute Lednice) errichtete.

Bei der Neugestaltung des Stadtpalais in der Bankgasse scheute Desvignes keine Kosten. Diese wurden schließlich sogar dem durchaus nicht knausrigen Fürsten Liechtenstein zu viel, so dass dieser größere Immobilienverkäufe vornehmen musste, um die Finanzen der Familie nicht zu stark zu strapazieren. Seine Mahnungen zu mehr Sparsamkeit verärgerten anderseits den Architekten, der es bisher gewohnt war, das Geld des Fürsten mit vollen Händen auszugeben. Unmittelbar nach Abschluss der Arbeiten und dem glanzvollen Eröffnungsball zog sich Desvignes nach London zurück. Im späteren 19. Jahrhundert war das Palais wegen seiner Kunstschätze und technischen Kuriositäten berühmt. So konnte man angeblich mit einem Federdruck sämtliche Fenster einer Gassenfront öffnen und schließen, Zimmerwände verschieben oder im Ballsaal den Fußboden absenken. Das Projekt, die fürstlichen Sammlungen in einem monströsen Gebäude am Rande des Volksgartens zusammenzufassen, konnte nicht realisiert werden, da die dafür benötigten Grundstücke 1883 zur Vergrößerung des Volksgartens verwendet wurden. Nach dem Abschluss der Neo-Rokoko-Umbauarbeiten war es wieder stiller um das Palais geworden. Es wurde zwar bis 1938 von der Familie Liechtenstein noch zeitweise bewohnt, doch hatte diese ihre Residenz hauptsächlich nach Feldsberg verlegt. Das nur wenige Kilometer entfernt gelegene Eisgrub diente wegen des prächtigen Parks als Sommerresidenz. Wegen der politischen Ereignisse übersiedelte die Familie 1938 in das Schloss Vaduz, das bis dahin kaum eine Rolle gespielt hatte. In den letzten Kriegstagen des Zweiten Weltkrieges kam es durch Bombentreffer und ein abgestürztes Flugzeug zu schweren Schäden am Wiener Stadtpalais. Das Stiegenhaus wurde im Bereich des zweiten Stocks total zerstört und die daneben gelegenen Prunkräume stark beschädigt. Mit dem Zweiten Weltkrieg und der darauf folgenden kommunistischen Machtübernahme in der Tschechoslowakei hatte die Familie Liechtenstein etwa 80 % ihres Vermögens verloren. Es musste also gespart werden. Außerdem war der Historismus in Architekturkreisen ohnehin in Ungnade gefallen. So wurden sogar die riesigen Luster der Repräsentationsräume, die den Krieg im Keller überlebt hatten, verkauft. Ein Teil des Gebäudes wurde 1971 an Ministerien des Bundes vermietet. Eine größere Restaurierung erfolgte daher erst 1974/76. Sie hatte das Ziel, große Teile des Hauses vermieten und damit Erträge generieren zu können. Zwischen 2008 und 2013 erfolgte im Auftrag von Fürst Hans Adam II eine umfassende und äußerst aufwändige Restaurierung des Gebäudes, wobei zuvor alle Wandverkleidungen bis auf die nackten Ziegelmauern abgenommen wurden. Die dabei aufgefundenen Architekturdetails machten eine echte Revitalisierung durch den Architekten Manfred Wehdorn erst möglich. Seit der Fertigstellung ist im Wiener Stadtpalais wieder die umfangreiche Biedermeiergalerie des Fürstenhauses untergebracht. Für sie wurde unterhalb des Hofes ein dreigeschossiger Tiefspeicher angelegt. Außerdem hat im Palais die dem Fürstentum Liechtenstein nahe stehende LGT Bank Österreich ihre Büros. In einem kleinen Bereich des Palais wurde dem Fürstenhaus für ihre Wienbesuche eine Wohnung eingerichtet.

Der hochbarocke Palast erinnert stark an römische Vorbilder. Er ist ein wuchtiger Vierflügelbau um einen fast quadratischen Hof und besteht aus Tiefparterre, Hochparterre, zwei Hauptgeschossen und einem niedrigen Obergeschoß. Seine repräsentative Hauptfront ist der Bankgasse zugewendet. Sie ist wesentlich reicher mit Baudekor versehen, als die beiden einfacheren Seitenflügeln. Die Schauseite stammt weitgehend von Enrico Zucalli. Sie wird durch korinthische Riesenpilaster gegliedert, an die sich beidseitig vierachsige Seitenrisalite anschließen. Der nur wenig vorspringende fünfachsige Mittelrisalit wird durch seine starken Wandpfeiler und die figurengeschmückte Attika betont. Die Statuen stellen vermutlich Minerva, Apollo, Jupiter, Juno, Merkur und Flora dar. Sie sind ein Werk Giulianis und sind mit 1697 bezeichnet. Der mächtige Portalvorbau weist drei gleich hohe, aber ungleich breite Toröffnungen auf. Zwei ionische Säulenpaare stützen ein verkröpftes Gebälk, über dem sich ein konvex geschwungener Balkon ausbreitet. Seine Balustrade ist mit Statuen der Venus und des Vulkan sowie mit Putten geschmückt, die die vier Jahreszeiten symbolisieren. Über dem Mittelfenster ist das Liechtensteinwappen angebracht. Der darüber befindliche Fürstenhut wird von zwei Skulpturen gehalten. Eine davon stellt Athene dar. Während Martinelli das Hauptportal in der Bankgasse schuf, stammt das prächtige Seitenportal am Minoritenplatz vermutlich von Johann Lucas von Hildebrandt. Zwei auf Säulenstümpfen stehende Atlanten tragen ein mächtiges Gebälk. Der darüber liegende Balkon ist mit zwei dekorativen Steinvasen verziert. An der Steinbalustrade ist auch hier das vergoldete Liechtenstein-Wappen angebracht. Der darüber befindliche Fürstenhut wird hier von zwei Puten gestützt. Der dekorative Bauschmuck sowohl am Haupt- als auch am Seitenportal geht auf Giovanni Giuliani zurück, der ab 1701 im Hause seine Werkstatt hatte.

Der gesamte Mittelrisalit in der Bankgasse wird im Erdgeschoß von einer riesigen fünfschiffigen Halle, mit acht toskanischen Säulen und acht Pfeilern, eingenommen. Sie wird als Sala Terrena bezeichnet, obwohl heute dahinter kein Garten liegt. Sie ist kreuzrippengewölbt. Zu ihrem Schmuck gehören die monumentalen Statuen der Venus Anadyomene und des Neptuns mit dem Seepferd von Giuliani. Außerdem sind hier verschiedene Medaillons und steinerne Vasen angebracht. Zum Hof öffnet sich die Eingangshalle durch fünf hohe Bogentore. Der ursprünglich rechteckige Hof wurde zwischen 1836 und 1847 durch einen Zubau auf ein quadratisches Format verkleinert. Die Erdgeschoßräume der ihn umgebenden Flügel dienten ursprünglich als Remisen und Stallungen. Im rechten Palastflügel ist das zweigeschossige turmartige Treppenhaus untergebracht. Es beinhaltet eine dreiarmige gegenläufige Pfeilerstiege. Die Arbeiten begannen hier im Mai 1702 durch Santino Bussi mit dem Deckenstuck. Dann folgte Andrea Lanzani mit drei Deckengemälden. Der Deckenspiegel der Hauptstiege ist heute leer. Wegen ihres schlechten Erhaltungszustandes wurden die Gemälde bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts vernichtet. Beim Wiederaufbau der 1945 zerstörten Decke wurden die Gemälde 1976 durch ornamentierte Stuckfelder ersetzt. Man verzichtete auf eine Nachbildung des Neorokokoschmucks, den Desvignes auch hier angebracht hatte und rekonstruierte die ursprüngliche Stukkierung Bussis. Die Balustraden des Treppenhauses mit den darauf angebrachten verschiedenartigen Putti-Variationen wurden von Giuliani in den Jahren vor 1705 geschaffen. Vermutlich stand hinter ihrem Konzept Johann Lucas von Hildebrandt. Gleichzeitig entstanden wohl die zehn großen Nischenfiguren. Lediglich das Hochrelief des etwas fülligen Herkules Farnese ist etwas älter. Er dürfte bereits vor 1693 von Adam Kracker modelliert worden sein. Die meisten anderen Figuren seines damals geschaffenen Programmes sind im Park des Gartenpalais in der Rossau aufgestellt.

Bussi und Giuliani waren natürlich auch in den Repräsentationsräumen tätig. Diese liegen nicht - wie in Wien üblich - im ersten Obergeschoß, sondern wegen der schlechten Lichtverhältnisse in der engen Bankgasse im zweiten Stock. Sie bestehen aus dem zentralen Ballsaal, dem ehemaligen barocken Festsaal, sowie dem Quadratsaal im Osten und dem Bouquetsaal im Westen. Alle drei Säle sind in weiss/gold gehalten. An den Quadratsaal schließen zwei Mahagonizimmer und das Speisezimmer an. Im Ostflügel folgten dann die Bibliothek sowie das Lesezimmer des Fürsten. Im Westflügel grenzten an den Bouquetsaal die beiden Kurbarizimmer sowie der Verbindungsraum zum Basteipavillon und das Schreibzimmer der Fürstin. Das gemeinsame Schlafzimmer befand sich im Südtrakt. Im anschließenden Hintertrakt waren Sanitär- und andere Nebenräume untergebracht. Nach der Entfernung der Deckenbilder Belluccis aus dem Stadtpalais hatte der weiße Deckenstuck von Santino Bussi sehr gelitten und war unansehnlich geworden. Desvignes ließ sie überarbeiten und bunt fassen. Dafür wurde der Bildhauer Joseph Kempel herangezogen. Bemerkenswert sind die intarsierten Parkettböden, die vom Wiener Tischlermeister Carl Leistler und den aus Deutschland nach Wien gekommenen Michael Thonet zum Teil in Bugholztechnik angefertigt wurden. Sie sind in zahlreichen Räumen zu finden. Allerdings waren die meisten nur im Sommer zu sehen, da sie im Winter mit dicken Teppichen abgedeckt waren. Desvignes hatte befürchtet, dass die von ihm für den zweiten Stock geplante Warmluftheizung die großen Räume nicht erwärmen könnten. Was die Möblierung des zweiten Stocks betrifft, griff man teilweise auf Werke von Giovanni Giuliani zurück, die entsprechend restauriert wurden. Die meisten Möbel wurden aber von Carl Leistler und Michael Thonet neu angefertigt. Die in der Beletage hängenden Luster zählten zu den größten und aufwändigsten, die im 19. Jahrhundert geschaffen wurden. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Historismus in Österreich völlig out war, wurden sie abgenommen, gelagert und teilweise verkauft. Erst bei der jüngsten Restaurierung wurden sie wiederentdeckt, restauriert und wieder angebracht.

Höhepunkt der Neugestaltung ist der zweigeschossige Ballsaal, wenn auch seine technischen Spielereien nur mehr teilweise funktionieren. Er ist fünf Fensterachsen breit und wird durch zahlreiche Fenster sowohl von der Straße als auch vom Hof aus beleuchtet. In den Mittelachsen sind Skulpturen der vier Erdteile als Laternenhalter angebracht. Ihr Schöpfer ist August Kitschelt, der in seiner Werkstätte neben den großen vier Eckkandelabern auch viele Einzelteile für den großen Luster schuf. Der Ballsaal, in dem Desvignes mit Spiegeln und reflektierenden Materialien wie Perlmutter arbeitete, wirkt sehr überladen, doch weist er durch das Licht der 267 Kerzen des monumentalen Lusters eine gewisse Leichtigkeit auf. Die reich vergoldeten Wanddekorationen sind teilweise aus Holz geschnitzt, teilweise aus Stuck gearbeitet und teilweise aus Zinkguss hergestellt. Nach ihrer Vergoldung wirken sie aber wie aus einem Guss. Im Speisezimmer sind die Wände mit Stuckmarmor verkleidet. Andere Räume weisen Vertäfelungen von diversen Edelhölzern (Mahagoni, Palisander, Kurbari) auf. Der Bronzeluster des Quadratsaales wurde in Paris gefertigt. Beim Einbau stellte es sich heraus, dass er etwas zu groß geraten war, so dass eine Kuppel in die Saaldecke geschnitten werden musste. Mit einem Gewicht von 2400 kg ist er der größte und schwerste im Palais. Die beiden Luster des Bouquetsaales waren bis zur jüngsten Restaurierung des Palais nicht mehr auffindbar. Sie mussten rekonstruiert werden. Die Wandbespannungen dieses Raumes kamen aus Russland. Bei einer Besichtigung des Palais fällt auf, dass keine Hauskapelle gezeigt wird, was für ein katholisches Fürstenhaus doch eher ungewöhnlich ist. Dies liegt aber daran, dass die von Desvignes im gotischen Stil ausgestattete zweigeschossige Kapelle im Zweiten Weltkrieg durch Bomben zerstört wurde. Die legendäre Kunstsammlung der Fürsten Liechtenstein hat im Laufe der Zeit viele Veränderungen erlebt. Einerseits hat es zahlreiche Abgänge gegeben. So hatte Fürst Johann II in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen großen Teil seiner Gemälde der Stadt Wien geschenkt, wo sie heute im Wien Museum oder im Belvedere zu sehen sind. Die auf zahlreiche Liechtenstein-Schlösser in Mähren und Böhmen aufgeteilten Gemälde gingen durch Enteignung der Familie verloren, soweit sie nicht rechtzeitig nach Österreich in Sicherheit gebracht werden konnten. Als in der Nachkriegszeit das Schicksal Österreichs noch recht ungewiss war, wurde ein Großteil der Sammlung nach Vaduz gebracht und erst in den letzten Jahrzehnten wieder retourniert. Anderseits gab es auch zahlreiche Neuzugänge durch Käufe im Kunsthandel. Die im Stadtpalais aufgehängten Gemälde, sowie die ausgestellten Möbel und das Porzellan konzentrieren sich auf die Epoche des Biedermeiers. Die berühmten Gemälde des Barocks sind im Gartenpalais zu sehen.

Ort/Adresse: 1010 Wien, Bankgasse 9/Minoritenplatz 4

Besichtigung: Das Innere kann nur nach Anmeldung im Rahmen von Führungen besichtigt werden

Homepage: www.liechtenstein.at


Weitere Literatur:


22.03.2016