WIENER PALAIS


Adressverzeichnis

Zeittafel






Palais Pálffy (Josefsplatz)


Die Wurzeln des Palais gehen bis in das 14. Jahrhundert zurück. Damals befand sich hier die Landesfürstliche Canczeley (Kanzlei). Diese war 200 Jahre zuvor aus der „Roth“ an der heutigen Bräunerstraße hervorgegangen und dann hierher verlegt worden. Von 1357 bis 1372 war der Vorgängerbau im Besitz eines Grafen Maithenburg. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wohnte hier Siegmund Freiherr von Herberstein, sofern er nicht im Dienste der Habsburger auf einer seiner großen Reisen weilte. In Rußland gilt er heute noch als wichtiger Geschichtsschreiber. Von 1547 bis 1573 gehörte das Palais der Familie Kinsky. Danach besaß es Rudolf Khuen von Belasi, Freiherr von Lambach. Er war Oberstallmeister Kaiser Maximilians II. Er ließ das bestehende Gebäude niederreißen und um 1575 an seiner Stelle durch einen namentlich nicht bekannten Architekten ein Renaissancepalais errichten. Später vergrößerte er es, indem er zwei benachbarte Bürgerhäuser und einen Teil des Salm-Palais zukaufte. 1578 erreichte er von Kaiser Rudolf II die völlige Abgabenfreiheit seines Hauses, das dadurch zu einem adeligen Freihaus wurde. 1581 verstarb er hier. Seine Enkelin Maria Franziska heiratete um die Mitte des 17. Jahrhunderts Paul Graf Pálffy von Erdöd, wodurch das Palais an dessen Familie kam. 1684 wurde das Palais zum Majoratshaus der Fürstlich Pálffy’schen Familie bestimmt, wobei testamentarisch verfügt wurde, dass das Gebäude nach dem Aussterben des Mannesstammes der Familie des Niclas Pálffy, in eine Stiftung für 15 adelige Witwen eingebracht werden sollte.

Das Gebäude blieb aber bei der Familie bis kurz nach dem Ersten Weltkrieg, als es in Staatseigentum überging. Die Pálffys gehören zum ungarischen Uradel. Im Lauf der Zeit brachten sie es zu großem Reichtum und dem Besitz zahlreicher Schlösser, die vor allem in der heutigen Slowakei, in Westungarn sowie in Siebenbürgen und in Niederösterreich liegen. In Wien besaß sie zwei Stadtpalais, in Preßburg sogar vier. Die Familie existiert noch heute, doch hat sie den Großteil ihres Besitzes in Ungarn und den Nachfolgestaaten nach den beiden Weltkriegen durch Enteignung verloren. 1875 wurde das Palais am Wiener Josefsplatz umgestaltet. 1944 kam es durch Bombentreffer zu schweren Zerstörungen. Die Ruine des Dorotheergassentraktes, in dem sich der klassizistische Tanzsaal befand, wurde abgerissen. An seiner Stelle errichtete der Architekt Robert Kramreiter in den Jahren 1956 bis 1958 einen für die Nachkriegszeit typischen Wohnbau. Der gleiche Architekt stockte 1956 den bis dahin zweigeschossigen Trakt am Josefsplatz um ein Geschoß auf. Dadurch wurde die Dachlinie den benachbarten Gebäuden angepasst. Das Palais verlor jedoch seine ursprünglichen Proportionen. Bei dieser Gelegenheit wurde auch die Fassade rekonstruiert und das Innere modernisiert. Seither dient das Palais als Kultur- und Ausstellungszentrum. Im zweiten Stock des Palais ist seit einiger Zeit das Phantastenmuseum untergebracht, das sich auf Gemälde der Wiener Schule des Phantastischen Realismus spezialisiert hat. Die Räume des Palais können auch für private Veranstaltungen gemietet werden.

Das Palais liegt neben dem Palais Pallavicini am Josefsplatz gegenüber der Österreichischen Nationalbibliothek. Es war ursprünglich ein ausgedehnter Baublock mit repräsentativen Fassaden zum Josefsplatz, aber auch zur Augustinerstraße und zur Dorotheergasse. Durch die Umbauten der Nachkriegszeit ist es jetzt zwar wesentlich höher, nimmt aber nur mehr einen Teil seines einstigen Grundrisses ein. Das Gebäude ist heute nur mehr ein wenig repräsentativer Abglanz seines Aussehens in seiner Glanzzeit, dem Ende des 16. Jahrhunderts. Aufgrund der schweren Kriegszerstörungen und des Wiederaufbaues ist von diesem Palais nur mehr ein Teil der schlichten Renaissancefassade am Josefsplatz historisch. Sie erhielt ihr heutiges Aussehen zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch klassizistische Veränderungen, würde aber derzeit dringend einen neuen Anstrich benötigen. Das Palais Pálffy ist heute ein dreigeschossiger, achtachsiger Bau mit einem ausgebauten Dachgeschoß. Der Sockel ist genutet. Er weist etliche vergitterte Souterrainfester auf. Das erste Obergeschoß, das die Beletage beherbergte, ist vom Erdgeschoß durch ein kräftiges Konsolgesims getrennt. Die Fenster im Erdgeschoß sind gerahmt, ebenso jene im ersten Obergeschoß. Letztere sind mit geraden Verdachungen versehen. Ihre Sturzfelder sind dekoriert. Das zweite Obergeschoß ist vom Altbau nur durch ein einfaches Gesims abgesetzt. Wie die Fenster des ersten Stocks weisen auch jene des zweiten Obergeschosses geohrte Stuckrahmen auf. Die Fassade wird von einem Konsolgesims abgeschlossen. Das segmentbogige Portal wird von kannelierten Lisenen flankiert. Sein Schlussstein weist die Form einer Maske auf. Über dem Tor ist das Wappen der Familie Pálffy angebracht. Die aufgesetzte Fürstenkrone weist auf den hohen Stand der einstigen Eigentümerfamilie hin. Das Holztor ist mit Löwenmasken verziert. Die Lünette weist ein Lanzengitter auf. Die anlässlich der Aufstockung des Gebäudes angebrachten Dachgaupen sind natürlich modern.

Das Innere wurde 1875 total verändert. Es weist nur wenige historische Ausstattungdetails mehr auf. Bemerkenswert ist jedoch das Stiegenhaus mit seiner freitragenden Treppe, das als architektonisches Dokument der Zeit nach 1945 gilt. Es ist vom schlichten Innenhof durch eine gebogene Außenwand aus gestaffelten Betonständern getrennt. Seine Beleuchtung erfolgt durch die dazwischen liegenden schmalen farbigen Glasflächen. Sowohl im Erdgeschoß als auch in den beiden Kellergeschossen des Haupttraktes haben sich die originalen korbbogigen Tonnengewölbe aus der Zeit um 1575 erhalten. Der linke Hoftrakt zeigt im Erdgeschoß und im ersten Stock mehrere Stichkappentonnen aus der gleichen Zeit. Der sog. Figarosaal im ersten Stock ist mit seinen rot/weiß/goldenen Boiserien im Rokokostil gehalten. Seine mit Läden verschließbaren Fensternischen sowie die Türen sind mit vergoldeten Rahmenleisten und Rankenwerk verziert, ebenso das Spiegelgewölbe. Die Wandvertäfelungen sind mit Portraits von Mitgliedern der Pálffy-Dynastie geschmückt. Während der Saal seine wandfeste Ausstattung um 1760 erhielt, stammen die beiden mit Festons und Flammenvasen dekorierten Empirekamine aus den Jahren um 1800. Der Figarosaal erhielt seinen Namen zum Gedenken an ein Konzert, das der sechsjährige Wolfgang Amadeus Mozart auf Einladung von Graf Nikolaus Pálffy gemeinsam mit seiner um drei Jahre älteren Schwester Nannerl am 16. Oktober 1762 hier gab. Er dient heute für kulturelle Veranstaltungen. Die übrigen Räume des Palais wurden sowohl 1875 als auch im 20. Jahrhundert mehrfach verändert.

Ort/Adresse: 1010 Wien, Josefsplatz 6

Besichtigung: von außen jederzeit möglich. Die Räume sind teil- bzw. zeitweise öffentlich zugänglich

Homepage: www.palais-palffy.at


Weitere Literatur:


19.11.2014