BURG DES MONATS






Rosenau


Die wichtigsten Lehensträger der deutschen Könige im Waldviertel waren die aus der Gegend von Trier stammenden Kuenringer. Sie machten sich um die Rodung und Besiedlung dieses Raumes besonders verdient. 1194 wird erstmals eine Burg Rosenowe erwähnt, als sie Hadmar von Kuenring dem Bistum Passau als Lehen übergab. Sie war eine Wasserburg und stand etwa 3 km nordwestlich des heutigen Schlosses im Dorf Rosenau. Von ihr ist lediglich ein bis zu sieben Meter hoher und drei Meter breiter Wall erhalten. Er besteht in seinem Inneren aus starken Baumstämmen, die im Lauf der Jahrhunderte so hart geworden sind, dass man sie weder sägen noch hacken kann. Aufgabe dieser Wehranlage war es, den wichtigen Weg nach Böhmen zu schützen. Die Kuenringer bewohnten Rosenau nicht selbst, sondern gaben es als Afterlehen an eine befreundete Familie weiter, die sich nach der Burg nannte. 1200 wird ein Rüdiger von Rosenau genannt. Die Herren von Rosenau starben 1363 aus. Inzwischen hatten ihre Lehensherren gewechselt. Durch weibliche Erbfolge war die Oberherrschaft über die Burg zuerst an die Pottendorfer übergegangen. Als dann Adelheid von Pottendorf Otto II von Liechtenstein-Murau heiratete, kam die Burg an dessen Familie. Nach dem Tod des Leonhard von Liechtenstein 1437 fiel die Herrschaft auf Grund von Erbverträgen an die mit ihm verwandten Herren von Puchheim. Da diese in den Ungarnkriegen zwischen 1458 und 1490 meist auf Seiten Königs Matthias Corvinus standen, wurden sie von Kaiser Maximilian I enteignet. Er verpfändete Rosenau 1518 an den aus Thüringen stammenden Wilhelm von Greiß. Ein von den Puchheimern angestrengter langwieriger Rückstellungsprozess blieb schließlich 1540 erfolglos. 1585 gelang es den Herren von Greiß, die Herrschaft als freies Eigen zu erwerben. Mittlerweile hatte die alte Burg durch das Aufkommen der Artillerie längst ihre militärische Bedeutung verloren und war in Verfall geraten. Die Verwaltung des Gutes wurde von Gmünd aus durchgeführt.

Wolf Dietrich von Greiß ließ ab 1593 auf dem Gelände des Wernhartshofes, den seine Familie 1583 erworben hatte, ein neues Renaissanceschloss als Mittelpunkt einer Gutshofsiedlung errichten und die Wirtschaftsgebäude ausbauen. Über seine Tochter Barbara gelangte der Besitz an Wolf Christoph von Schallenberg. Rosenau blieb nun zwei Jahrhunderte lang bei seiner Familie. 1720 wurde Leopold Christoph Graf Schallenberg bereits als achtjähriger Knabe Eigentümer der Herrschaft. Als Erwachsener brachte er es zu hohen Würden. Unter anderem war er Obersthofstabelmeister (Zeremonienmeister) Maria Theresias und Landmarschallamtsverweser. Er gab dem Schloss durch einen großzügigen Barockumbau ab 1736 seine heutige Gestalt. Das Gebäude wurde aufgestockt und mit einem reichverzierten Portalbau an der Ostseite versehen. Als Architekt wird häufig Josef Munggenast genannt, der damals auch im nahe gelegenen Stift Zwettl tätig war. Die Schlosskapelle wurde künstlerisch ausgestaltet und 1740 zur Pfarrkirche bestimmt. Leopold Christoph war Mitglied der zu Beginn des 18. Jahrhunderts in England entstandenen Freimaurerbewegung. Er richtete im Schloss eine Loge ein und ließ die Wände mit versteckten Hinweisen auf die Freimaurerei, die nur von Eingeweihten verstanden wurden, bemalen. Nach seinem 1800 erfolgten Tod bzw. bereits nach dem weitgehenden Verbot der Freimaurerbewegung durch Kaiser Josef II (1785) wurden diese Dekorationen übermalt. Sein Sohn Joseph Graf Schallenberg verkaufte 1803 die Herrschaft an den hannoveranischen Gesandten in Wien, Ernst Christoph Georg August Graf von Hardenberg. 1832 erwarb Freiherr Andreas von Stifft Schloss Rosenau. Er war der Sohn des Leibarztes von Kaiser Franz I und galt als ausgezeichneter Ökonom und Finanzgenie. Seine Erben veräußerten den Besitz an Creszentia Stummer aus Brünn, wodurch das Schloss in bürgerlichen Besitz kam.

1868 erwarb es Matthias Schönerer. Er gehörte zu den Eisenbahnpionieren Österreichs und arbeitete bereits 1824 an der Pferdeeisenbahn Linz-Budweis, der ersten Eisenbahn Kontinentaleuropas. 1839 hatte er die erste Lokomotiv- und Eisenbahnwagenfabrik in Österreich errichtet. Für seine Verdienste um das Eisenbahnwesen wurde er geadelt. Sein Sohn Georg Ritter von Schönerer war ein anerkannter Fachmann auf dem Gebiet der Landwirtschaft. Bekannt wurde er jedoch als Führer der Alldeutschen Partei im Reichsrat und der Los-von-Rom Bewegung. Berüchtigt waren seine verbalen Ausfälle gegen das Judentum und die Katholische Kirche. Anderseits kämpfte er für soziale Errungenschaften wie Arbeitszeitbeschränkung, Sonn- und Feiertagsruhe, die bis vor kurzem bei uns selbstverständlich waren, heute aber bereits wieder in Frage gestellt werden. Eine Gewaltaktion gegen politische Gegner brachte ihn ins Gefängnis und um Adelstitel, Offiziersrang sowie vorübergehend um sein Abgeordnetenmandat. Schönerers einziger Sohn Georg starb 1918 an der in Wien grassierenden Spanischen Grippe. Rosenau gelangte 1921 an die drei Töchter, die das Gut in den Jahren der Wirtschaftskrise nicht halten konnten und 1935 Konkurs anmelden mussten. 1938 erwarb es die Deutsche Ansiedlungsgenossenschaft, verkaufte aber wesentliche Teile, so dass bald ein wirtschaftlicher Betrieb nicht mehr möglich war. Ludwig Baron Lazarini-Zobelsberg war der letzte private Besitzer der einstigen Herrschaft.

Er sah den Ausgang des Zweiten Weltkrieges voraus und tauschte seinen umfangreichen Gutsbesitz in Slowenien 1943 gegen das wesentlich bescheidenere und unprofitable Rosenau. Dennoch wurde dieses zwei Jahre später von der russischen Besatzungsmacht zum Deutschen Eigentum erklärt, beschlagnahmt und der USIA zur „Verwaltung“ übergeben. Nachdem das Vieh verkauft und ein Großteil der Bäume gefällt war, wurde der Betrieb eingestellt. Der einstige Musterbetrieb, der drei Jahrzehnte zuvor noch 150 Arbeiter und Angestellte beschäftigt hatte, war nun endgültig vernichtet. Das Schloss verkam. Decken stürzten ein und die Fenster hatten bald kein Glas mehr, so dass sie mit Brettern vernagelt wurden. Die Repräsentationsräume wurden zeitweise als Schüttböden für Getreide benützt. Als Baron Lazarini-Zobelsberg nach dem Österreichischen Staatsvertrag von 1955 seinen Besitz zurückbekam, war das Gebäude längst unbewohnbar geworden. 1964 verkaufte er das Schloss und die Reste des einstigen Gutes an die dem Land Niederösterreich gehörende Niederösterreichische Siedlungsgesellschaft. Anlässlich der bald danach einsetzenden Restaurierungsarbeiten legte man 1974 etliche übertünchte Freimaurersymbole an den Wänden der Vorhalle frei. Erst dadurch wurde man darauf aufmerksam, dass sich einst im Schloss eine Loge befunden hatte. Danach wurde in den Repräsentationsräumen ein Freimaurermuseum eingerichtet und das Gebäude zum Schlosshotel umgebaut. Die Logenräume sind die ältesten, die sich in Europa erhalten haben. Sie werden auch heute noch von der Freimaurerbewegung für Zusammenkünfte genutzt.

Das Schloss ist eine regelmäßige vierseitige Anlage um einen rechteckigen Hof. Zwischen 1736 und 1747 wurde sie auf drei Geschosse aufgestockt. Schaufront ist die neunachsige Ostseite. Ihr ist ein breitovales Tor- und Treppenhaus vorgebaut. Das Korbbogenportal wird von vasentragenden Atlashermen flankiert. Darüber befindet sich ein hohes, loggienartiges Doppelfenster. Hinter dem Torbau überragt ein eleganter Uhrturm den Mittelrisalit um zwei Geschosse. Er ist mit einer flachen Haube gedeckt. Über dem genuteten Erdgeschoß erfolgt die Gliederung der Hauptfassade durch breite Lisenen. Die Fensterverdachungen des ersten Stocks sind abwechselnd spitzgiebelig und flachbogig. Die Fassadengliederung des Hofes entspricht jener der Außenfront. In seiner Mitte liegt ein sechseckiges Brunnenbecken aus dem 17. Jh. Die an der Ostseite gemalte Jakobsleiter wird heute Johann Rincolin zugeschrieben (um 1745). Im Westtrakt befand sich schon vor dem Umbau der Schallenberg eine kleine Kapelle. Diese wurde 1739 nach Westen hin zu einer Kirche erweitert und 1767/68 durch die Errichtung der etwas niedrigeren Seitenarme nochmals vergrößert, wodurch sie den Grundriss eines Kreuzes erhielt. Seit 1740 dient sie als Pfarrkirche. Bei einer Renovierung entdeckte man 1929 unter einer Übermalung ein prächtiges Deckengemälde, das man vorerst Daniel Gran zuschrieb. Seit 1963 gilt es jedoch als ein Werk von Paul Troger. Es stellt die Anbetung der Hl. Dreifaltigkeit dar, der auch die Kirche geweiht ist. Am Stiegenaufgang vor der Kirche begrüßen den Besucher sechs künstlerisch bedeutende Heiligenfiguren. Zwei weitere befinden sich am Kircheneingang. An der Eingangsseite des Schlosses stehen auf hohen Postamenten barocke Sandsteinvasen. Im Norden erstreckt sich ein Park, dessen Mauer mit runden Eckpavillons ausgestattet ist. Am Teich südlich des Schlosses liegt ein Salettl aus dem 19. Jahrhundert.

Im Inneren blieb von der um die Mitte des 18. Jh. erfolgten Barockisierung des Renaissancebaues lediglich das Edgeschoß verschont. Die Räume sind meist noch mit Kreuzgrat- und Tonnengewölben vom Ende des 16. Jh. versehen. Im Nordflügel befindet sich ein flachgedeckter Raum mit bemerkenswerten Grisaillemalereien. Da sie das Letzte Abendmahl und die Hochzeit von Kanaa zeigen, dürfte es sich um einen ehemaligen Speisesaal gehandelt haben. Von der Einfahrtshalle führen zwei Spindeltreppen in den ersten Stock. Die großflächigen Wandmalereien im Stiegenhaus und in der oberen Vorhalle, die auch Salettl genannt wird, stammen von Johann Rinkolin, der im Dienst des Grafen Leopold Christoph Schallenbergs 1747 einen Großteil der Fresken im Schloss schuf. Sie weisen eine eigenwillige perspektivische Architekturmalerei auf und erinnern an römische Ruinen und Motive aus Venedig. Man findet immer wieder gemalte Hinweise auf die Freimaurerloge, wie Zirkel und Senkblei, Dreieck und Maßstab, die Rose des Schweigens usw. An der Nordstiege hat sich Rinkolin als Fenstergucker verewigt. Im Zwickel eines rundbogigen Doppelfensters weist das Allianzwappen Schallenberg-Gilleis und die Jahreszahl 1747 auf die Erbauer hin. Die eigentlichen Logenräume waren in den repräsentativen Zimmern des ersten Stocks eingerichtet. Fast überall finden sich Stuckdecken aus der Bauzeit. Die Deckengemälde in den ersten beiden Räumen stammen von Daniel Gran. Sie wurden viele Jahre lang im Barockmuseum Heiligenkreuz-Gutenbrunn aufbewahrt und kehrten erst nach der Restaurierung des Schlosses wieder auf ihren angestammten Platz zurück. Das zweite Zimmer dürfte ursprünglich zur Bibliothek bestimmt gewesen sein, da die vier in den reichen Stuck eingelassenen Medaillons auf Geographie, Grammatik, Geschichte und Musik hinweisen. Das Mittelbild stellt die Überwindung des Krieges durch die Werke des Friedens dar. Zentrum der Loge war das Marmorkabinett, der Vorraum zum eigentlichen Freimaurertempel im Eckzimmer. Der schwerfällige Deckenstuck soll ägyptische Art vortäuschen, ein Hinweis auf die angeblichen Wurzeln der Freimaurerei in den ägyptischen Geheimbünden. Der Raum war sehr gediegen eingerichtet: Wandverkleidungen aus Stuckmarmor, intarsierter Fußboden, eingelegte Flügeltüren usw. In einer Nische der Ostwand stand der Stuhl des Großmeisters. Der Kamin ist von unvollendeten Obelisken bekrönt. Das Marmorkabinett war später Schönerers Arbeitszimmer. Am Türstock hatte er das Heranwachsen seiner drei Töchter festgehalten. Die Markierungen und Daten sind noch sichtbar. Das südwestliche Eckzimmer ist mit einer Tapetentür versehen, durch die man in die Herrschaftsloge der Kirche gelangte. Es diente später Schönerer als Schlafzimmer. Auch hier finden sich mehrere Hinweise auf das Freimaurerwesen. Der „Ruinenofen“ ist leider nicht mehr erhalten.

Lage: Niederösterreich/Waldviertel – ca. 8 km westlich von Zwettl

Ort/Adresse: 3924 Rosenau Schloß

Besichtigung: täglich zwischen 09.00 und 17.00 Führungen für Gruppen ab 10 Personen, von November bis März nur nach Voranmeldung


Weitere Literatur:


23.03.2005