BURG DES MONATS






Waldenfels


Das Schloss trägt seinen Namen zu Recht. Der Felskopf, auf dem vermutlich der erste Wehrbau errichtet wurde, war von dichten Wäldern umgeben. Burgen und Schlösser namens „Waldenfels“ gibt es mehrere im deutschen Sprachraum. Dennoch vermuten etliche lokale Historiker – ohne Beweise - als Namensgeber des heutigen Schlosses eher einen frühen Burgherrn namens Walto, der hier seine Feste hatte. Das Gebiet um Reichenthal blieb bis weit in das 13. Jahrhundert hinein stark bewaldet und unerschlossen. Archäologische Grabungen haben keine Anzeichen einer stärkeren Besiedlung gebracht. Seine Kolonisierung begann erst mit der Gründung des böhmischen Klosters Hohenfurt 1259. Im frühen 14. Jahrhundert war das riesige Waldgebiet westlich von Freistadt ein Lehen der Rosenberger, das den Herren von Harrach anvertraut war. Bis 1330 wechselten die Lehensherren aber von den Rosenbergern auf die Herren von Wallsee, da sich die Rosenberger weitgehend aus dem heutigen Österreich zurückzogen und sich auf ihre großen Besitzungen in Südböhmen konzentrierten. Die Wallseer erhielten damals auch die Erlaubnis zum Burgenbau. Sie beauftragten weiterhin die Familie Harrach mit der Kolonisation im nördlichen Mühlviertel. Diese könnte möglicherweise die Bauherren der ersten Burg von Waldenfels gestellt haben. Urkundlich gesichert ist dies aber ebenfalls nicht. Das heutige Schloss ist damit nicht besonders alt. Zwar soll hier der Überlieferung nach eine erste Burg um 1290 von den Brüdern Heinrich und Eberhard von Wallsee erbaut worden sein, doch gibt es die ersten gesicherten Nachrichten über den Ort Reichenthal erst 1357. Der Wehrbau selbst wird noch etwas später, nämlich 1380 im Lehenbuch Herzogs Albrecht III erstmals urkundlich erwähnt. Als Bauzeit werden die Jahre zwischen 1350 und 1380 angenommen. 1380/85 teilten sich die Brüder Ortwein und Purkhart Waldburger das Lehen des Herzogs. Sie waren Kleinadelige und Gefolgsleute der Herren von Wallsee. Auf sie folgten die Tannberger, die Zinzendorfer sowie Peter Hager. Der rasche Besitzwechsel deutet darauf hin, dass das Leben im Wald und unweit der Grenze nicht den Erwartungen der neuen Herren entsprochen hat, umso mehr als ihr Wohnsitz noch lediglich aus einem isolierten Turm mit einen kleinen Anbau bestand. Die ersten Jahrhunderte der Burg waren ohnehin nicht ungefährlich, da es damals immer wieder zu Fehden zwischen österreichischen und böhmischen Adeligen an der böhmisch-österreichischen Grenze sowie zu Plünderungszügen der Hussiten kam.

Um 1390 verkaufte der nächste Lehensnehmer, Hans der Geiselberger, dem Herzog Albrecht III die inzwischen etablierte Herrschaft. 1396 kam sie als Pfandbesitz an die Starhemberger. Diese begannen mit einem Ausbau der Wehreinrichtungen, der eine Zwingeranlage und eine zusätzliche Wehrmauer umfasste. Schließlich wurde der Wohnturm zu Beginn des 15. Jahrhunderts aufgestockt und überbaut, wodurch die Wohnqualität merklich verbessert werden konnte. Zwischen 1400 und 1409 scheint ein Hans von Starhemberg als Burgherr auf. Danach wurde Waldenfels als Pfandschaft vergeben. Als Pfandherren werden u. a. 1461 Hans von Plankenstein und danach Reinbrecht von Polheim genannt. Die Polheimer, die Waldenfels von 1461 bis 1572 als Pfandherren besaßen, zählten damals zu den ältesten und reichsten Adelsfamilien des Landes. Reinprecht war von 1435 bis nach 1455 Verweser der Hauptmannschaft ob der Enns. Er und seine Nachfolger setzten den Ausbau vor allem der Wehrhaftigkeit des Schlosses fort. Die äußere Ringmauer dürfte zwar noch im Spätmittelalter entstanden sein, doch war das Mauerwerk der Unterburg bereits ein Werk des frühen 16. Jahrhunderts. Damals wurden auch zwei Brücken errichtet, ein neuer Brunnen gegraben und ein Teil der Dächer erneuert. Der Hauptturm erhielt seinen Zinnenkranz und seine Scharwachttürmchen, was aber wohl eher als Drohgebärde einem Angreifer gegenüber zu verstehen ist. Vor allem die Hussiteneinfälle machten eine ständige Verbesserung der Wehreinrichtungen erforderlich. Während der Grenzwirren des Jahres 1474 wurde Waldenfels von böhmischen Truppen unter Jaroslav Lev von Rozmital, dem Obersthofmeister des Königreiches Böhmen, sowie von Peter Stupensky und dem geächteten Freistädter Patrizier Zinispan belagert. Zuvor hatte der finanzschwache Kaiser Friedrich III mehrere böhmische Landsknechtführer um ihren Sold geprellt. Dies führte zu einer Fehde der betroffenen Adeligen gegen Haslach und Waldenfels. Letzteres wurde angeblich von 1000 Mann bedroht, was aber sicher stark übertrieben ist. Vier Jahre später verwüsteten neuerlich böhmische Söldner Teile der Herrschaft Waldenfels. Wie 90 Prozent der oberösterreichischen Adeligen waren die Polheimer Protestanten und unterstützten die Verbreitung ihrer Religion vor allem durch die Finanzierung von Predigern und die Ausstattung protestantischer Gotteshäuser.

1584 verkaufte Kaiser Rudolf II dem letzten Pfandinhaber, Joachim Stangl, die Burg. Dieser und seine Nachkommen ließen die im Wesentlichen nach wie vor mittelalterliche Anlage in ein Renaissanceschloss verwandeln. Im Zweiten Oberösterreichischen Bauernaufstand bewaffneten sich auch die Bauern von Waldenfels, doch konnte der Streit um die Höhe der Robot gerade noch gütlich beendet werden. Während der Zeit der Türkengefahr war Waldenfels für die umliegende Bevölkerung als Zufluchtsort bestimmt. Die protestantischen Stangls blieben bis 1636 im Besitz von Waldenfels, mussten es aber dann im Zuge der Gegenreformation verkaufen. Käufer war der ehemalige Pfleger von Kremsmünster, der kaiserliche Mautner und spätere Vizedom von Oberösterreich, Konstantin Grundemann von Falkenberg. Dieser war mit Cäcilia Alt von Altenau, einer Tochter des Fürsterzbischofs von Salzburg, Wolf Dietrich von Raitenau und seiner Lebensgefährtin Salome Alt, verheiratet. Sein Sohn Georg Konstantin brachte 1662 Waldenfels und Egeregg in einen Fideikommiss ein, der bis zum Ende der Monarchie seinen Zweck erfüllte und einen etwaigen Verkauf der Herrschaft verhinderte. Im 17. Jahrhundert begann die Barockisierung des bisherigen Renaissanceschlosses. Die Grundemann, die bereits um 1500 aus Brandenburg nach Oberösterreich gekommen waren, wurden 1696 in den Freiherren- und 1716 in den Grafenstand erhoben. Die Familie ist auch heute noch im Besitz des Schlosses. Im Zweiten Weltkrieg diente das Gebäude dem Deutschen Reichsarbeitsdienst als Mädchenheim. 1945 wurde es von der russischen Besatzungsmacht als Kaserne und Lazarett neuerlich zweckentfremdet. Hier hausten vorübergehend 700 russische Soldaten. Ihnen fiel nicht nur die Turmuhr, sondern auch ein großer Teil des Mobiliars, das einfach aus den Fenstern geworfen wurde, zum Opfer. Die beträchtlichen Schäden wurden in den folgenden zwölf Jahren beseitigt. Ernst Grundemann Graf Falkenberg wurde 1946 Bürgermeister von Reichenthal und blieb es dann 22 Jahre lang. 1949 zog er in den Bundesrat und 1962 in den Nationalrat als Abgeordneter ein. Daneben war er für 13 Jahre Präsident des Oberösterreichischen und 17 Jahre lang Präsident des Österreichischen Gemeindebundes. Sein Enkel Dominik erbte 1987 den Besitz. Er öffnete das Schloss für kulturelle Veranstaltungen, wie den jährlichen „Waldenfelser Musiksommer“.

Waldenfels ist eine große, an einem flachen Abhang des Kettenbachtales gelegene, unregelmäßige Anlage, bei der heute der Schlosscharakter gegenüber der einstigen Wehrhaftigkeit, wie sie noch der Stich von Georg Mathias Vischer aus dem Jahr 1672 zeigt, deutlich überwiegt. Man erkennt noch Bauteile aus dem Mittelalter, der Renaissance und der Barockzeit. Die meisten Bauten gehen aber auf die zweite Hälfte des 16. und die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts zurück. Die Eingangsfront im Süden ist wie auch die meisten übrigen Bauten zweigeschossig. Das wehrhaft wirkende Rustika-Portal aus sorgfältig bearbeiteten Granitquadern mit seiner großen Einfahrt und der kleinen Fußgängerpforte stammt aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Ein Mauerstein weist die Datierung 1573 auf. Über dem Mannloch ist in einem schmalen Dreiecksgiebel ein Steinwappen der Grafen Grundemann angebracht. Die Schlitze für die Rollen der einstigen Zugbrücke sind noch erhalten, der davor liegende breite Graben, der auch die Ostseite schützte, aber längst zugeschüttet. Vermutlich hatte die Brücke ohnehin nur symbolische Bedeutung und konnte nicht hochgezogen werden. Im Vorhaus sieht man das Wappen von Konstantin Grundemann. Das Obergeschoß des Südtraktes wurde als repräsentatives Piano Nobile gestaltet. Interessant ist der Lageplan des Schlosses. Zentrum und zugleich ältester Teil der Anlage ist der hohe, glattgemeißelte Granitfelsen, der die mittelalterliche Hochburg trug. Seine Bebauung wurde aber 1809 komplett abgetragen, so dass sich außer spärlichen Fundamentresten keine Zeugen der mittelalterlichen Hochburg erhalten haben. Diese radikale Demolierung war der schwerste Eingriff in die Substanz des Schlosses und hat sein historisches Aussehen schwer zu seinen Ungunsten verändert. Der Rand des Felsens wird von einer Ziermauer mit Schwalbenschwanzzinnen begrenzt. Er ist nur durch den angebauten Treppenturm zugänglich. Auf der Platte des Felsens stand einst der monumentale Hauptturm des Schlosses, der durch die Überbauung des ursprünglichen Wehrturmes entstanden war und bereits gehobenen Wohnbedürfnissen entsprach. Er war noch im 17. Jahrhundert die Dominante des Schlosses. Seine fünf aufgesetzten Ecktürmchen sind am Vischer-Stich von 1672 deutlich zu erkennen

Heute fehlt die vertikale Dominante, wie man sie ansonsten z. B. durch einen Bergfried gewohnt wäre. Sämtliche Gebäude und Höfe sind dem Felsen ringförmig vorgelagert, wobei an der Eingangsfront und östlich von ihr die mehrflügeligen Wohnbauten liegen, während im Norden und Westen der umfangreiche Wirtschaftsbereich sich befindet. Beim Bau seiner Außenmauern wurden Teile der spätmittelalterlichen Wehranlage verwendet. Der Nordtrakt mit seinen Rundtürmen stammt in seiner heutigen Form erst aus dem 17. Jahrhundert. Er wurde innen an den Bering angebaut. Hier befand sich ein 10 x 23 m großer repräsentativer Saalbau, der aber bereits im 18. Jahrhundert durch Umbauten in einen Wirtschaftsbau verwandelt wurde. Das erste größere Gebäude aus der Zeit der Umwandlung der mittelalterlichen Burg in ein großes Wohnschloss war die Errichtung des sog. „Gerichtsgebäudes“ am Westfuß des Felsens. Es war ein stattlicher zweigeschossiger Bau aus dem zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts. Wie angebliche Kerkerzellen im Keller beweisen sollen, diente es der lokalen Gerichtsbarkeit. Aber erst 1636 wurde Waldenfels die hohe Gerichtsbarkeit zugesprochen, was ein eigenes Gerichtsgebäude erforderlich gemacht hätte. Hauptaufgabe war aber wohl ohnehin die Verwaltung der Herrschaft bzw. deren wirtschaftliche Tätigkeit. Im Süden des Wirtschaftshofes liegt auch die Kapelle. Sie ist ein rechteckiger Raum unter einem Kreuzgratgewölbe, der bereits zweimal als Sakralbau adaptiert wurde. Seine Rötelzeichnungen haben daher auch nur zum Teil religiöse Inhalte.

Architektonisches Zentrum des Schlosses ist der an der Süd- und der Westseite von zweigeschossigen Arkaden aus dem 16. Jahrhundert begrenzte Renaissance-Innenhof. Die Verglasung der Arkaden im Obergeschoß dürften erst im 19. Jahrhundert erfolgt sein. Um ihn herum sind die Wohn- und Repräsentationsräume angeordnet. Von den gepflegten Innenräumen ist besonders die Bibliothek zu nennen. Der Großteil der kunsthistorisch wertvollen Ausstattung und Möblierung des Schlosses wurde jedoch in der russischen Besatzungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg zerstört. Ein hübscher Barockbrunnen (datiert 1702) belebt den Hofraum. An den Hof grenzt auch der massive viereckige „Hauptturm“. Dieser ist jedoch kein Bergfried sondern nur ein stattlicher Treppen- bzw. Uhrturm, der im Osten das Zifferblatt einer mechanischen Uhr und im Westen eine Sonnenuhr zeigt. Er dürfte noch vor 1450 errichtet worden sein und verband den Hof mit der Hochburg am Felsen. Seinen zwiebelförmigen Helm erhielt er allerdings erst in der Barockzeit. Unter dem einstigen Zwinger liegt im Südwesten der Schlossanlage der von Arkaden begrenzte „Turnierhof“ aus dem 17. Jahrhundert, der natürlich nie ein Turnier erlebt haben kann. Er war schon sehr früh als Garten gestaltet. Seinen westlichen Abschluss bildet der Gartensaal oder die Sala Terena. Sie ist mit künstlichen Korallen und Tropfsteinen dekoriert. Ein Wandbrunnen ist mit einer weiblichen Aktfigur geschmückt. Die Wappen der Familien Grundemann und Schallenberg in der Apsis lassen vermuten, dass die Sala Terena anlässlich der Hochzeit von Ernst Konstantin mit Maria Eleonora von Schallenberg 1686 eingerichtet wurde. Danach war sie wohl die Hauptattraktion vieler Gartenfeste.

Lage: Mühlviertel - ca. 10 km nordwestlich von Freistadt, ca. 500 m südlich der Marktgemeinde Reichenthal

Besichtigung: meist nur von außen möglich. Bei Bedarf können jedoch Gruppenführungen organisiert werden

Homepage: www.waldenfels.at


Weitere Literatur:


31.07.2020