BURG DES MONATS






Palais Batthyany-Strattmann


Nicht zuletzt wegen ihrer Nähe zum Hof des Landesherrn war die Herrengasse schon sehr früh ein beliebtes Wohngebiet des österreichischen Adels und des wohlhabenden Bürgertums. An der Stelle des jetzigen Palais Batthyány-Strattmann standen ursprünglich drei Häuser. Bei archäologischen Grabungen wurden Reste eines Ofens gefunden, der aus der Zeit um 1200 stammen dürfte. Die Bruchsteinmauern eines zweigeschossigen Gebäudes aus den Jahren um 1250 haben sich noch teilweise erhalten. Als erster bekannter Grundeigentümer wird 1376 Gottschalk von Neidberg erwähnt. Seine Nachkommen verkauften 1445 das hier befindliche Haus an Hans von Stubenberg. Der damalige Landeshauptmann der Steiermark vergrößerte seinen Wiener Stadtsitz durch einen Anbau. Als seine Amtszeit beendet war, veräußerte er ihn 1452 an Erasmus Feuchter. 1478 gelangte er an Margarethe Uttendorfer. Ihr Sohn Stefan Uttendorfer von Goldegg hatte keine Kinder. Er brachte daher die Liegenschaft um 1500 in eine fromme Stiftung ein. Bei den großen Stadtbränden von 1525 und 1565 wurden die bestehenden Bauten zerstört oder zumindest schwer beschädigt. Der anschließende Wiederaufbau schuf ein wesentlich größeres und stattlicheres Gebäude, das vorwiegend an Adelige vermietet wurde. Die Einnahmen kamen den begünstigten Geistlichen der Stiftung zugute. Der Stiftungsvogt Kaiser Maximilian II löste der Stiftung 1565 das Haus ab und verkaufte es an den Landeshauptmann ob der Enns und Besitzer der Herrschaft Hernals, Helmhard VIII Jörger von Tollet. Bis 1609 entstand durch die Errichtung des West- und des Nordtraktes ein großes Renaissancepalais mit den zeittypischen offenen Erdgeschoßarkaden an der Hofseite. Einige Mitglieder der Familie Jörger gehörten zu den militantesten Vertretern des Protestantismus in Österreich und verweigerten Kaiser Ferdinand II die landesfürstliche Huldigung, so dass sie während der Gegenreformation die meisten ihrer Besitzungen durch Enteignung verloren. Ihr Wiener Palais fiel an Georg Ludwig Graf Sinzendorf, der in erster Ehe mit Regina von Jörger verheiratet und 1653 öffentlich zum Katholizismus zurückgekehrt war. Letzten Endes nützte ihm dies aber auch nichts, da er als Präsident der Hofkammer unter Kaiser Leopold I der schweren Korruption angeklagt wurde. Zur teilweisen Schadensbegrenzung wurde auch sein Palais vom Staat eingezogen und dem Hofzahlamt zur Verwendung als Bürogebäude übergeben.

1683 wurde Wolf André Graf Orsini-Rosenberg mit dem Amt des Oberst-Hofkammerpräsidenten betraut. Gleichzeitig schenkte ihm Kaiser Leopold I das ehemalige Jörger-Palais in der Herrengasse. Daraufhin nutzte er in den Jahren 1692 bis 1695 eine beträchtliche Pensionsabfindung für eine Modernisierung im Barockstil. Sie beschränkte sich aber vorerst in erster Linie auf eine Neufassadierung. Der planende Architekt ist heute unbekannt. Die ‚Kunsthistoriker schwanken zwischen Johann Bernhard Fischer von Erlach, Johann Lucas von Hildebrandt und Christian Alexander Oedtl. Eine freitragende achteckige Wendeltreppe wird Johann Bernhard Fischer von Erlach zugeschrieben, so dass es Indizien für diesen auch als Architekten gibt. Ernst Philipp Joseph Reichsgraf Orsini-Rosenberg, der Sohn von Wolf André, kümmerte sich zwischen 1712 und 1720 um die Neugestaltung des Inneren. 1716 erfolgte eine Erweiterung um die beiden Nachbarhäuser in der Bankgasse. 1731 kam es zu einer Aufstockung um ein Geschoß. Die hohen Kosten der Bauarbeiten führten aber zu einer beträchtlichen Verschuldung, so dass das Palais 1766 an den Feldmarschall Carl Joseph Fürst Batthyany-Strattmann verkauft wurde. Dieser war einer der fähigsten Generäle der Kaiserin Maria Theresias, der sich zuvor bereits unter Prinz Eugen in den Türkenkriegen ausgezeichnet hatte und dann im Österreichischen Erbfolgekrieg der Kaiserin gute Dienste leistete. Er besaß bereits das in der Bankgasse 2 (damals Hintere Schenkenstraße) anschließende Palais, das seine Mutter Eleonore Gräfin Strattmann um 1730 erworben hatte. Sie war die Erbtochter des Hofkanzlers Theodor Graf Strattmann und Witwe des Feldmarschalls Adam Graf Batthyany.

Carl Joseph Fürst Batthyany-Strattmann ließ die Fassaden der beiden Häuser einander angleichen, so dass lediglich das hochbarocke Portal mit dem darüber liegenden Balkon vom einstigen Palais Orsini-Rosenberg erhalten blieb. Um eine Vereinheitlichung und eine Niveauangleichung zu erreichen, mussten die Fenster verändert und die Decken des zweiten Obergeschosses erhöht werden. 1871 vermietete Edmund Fürst Batthyany-Strattmann den Gebäudeteil an der Ecke Herrengasse/Bankgasse, also das ehemalige Palais Orsini Rosenberg, an den Hotelier Alfred Klomser. Der Hotelumbau machte umfangreiche Adaptierungen im Inneren notwendig, die sich bis 1924 hinzogen. Kurz vor dem Ersten ‚Weltkrieg kam das Hotel zu einer zweifelhaften Berühmtheit, als hier in einem Zimmer Oberst Alfred Redl, der Leiter des k. u. k. Nachrichtendienstes, 1913 Selbstmord beging, nachdem er der Spionage für Russland überführt worden war. 1924 übernahm die Niederösterreichische Brandschadenversicherung das Gebäude, das nun im Inneren zum Bürohaus umgebaut wurde. Dabei ging die Ausstattung der ehemaligen Repräsentationsräume weitgehend verloren. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gehörte das Gebäude dem Land Niederösterreich. Eine weitere Modernisierung fand zwischen 1957 und 1961 statt. Damals wurde der Hof überdacht, Sanitärräume und ein Aufzug eingebaut. Das ehemalige Palais wurde 1988 an die Constantia Privatbank verkauft, die es 1997/2000 neuerlich umbauen ließ und an die Wiener Tageszeitung „Der Standard“ vermietete. Nachdem diese 2012 ein eigenes Redaktionsgebäude bezogen hatte und das Palais 2011 ins Eigentum der Karl Wlaschek Privatstiftung übergegangen war, kam es zu einer Revitalisierung des Gebäudes, die von 2013 bis 2016 dauerte. Seither hat es sich seiner einstigen Bestimmung wieder angenähert und dient mit seinen 22 Mietwohnungen in den Obergeschossen als repräsentatives Wohnpalais. Im Erdgeschoß befinden sich vier Geschäftslokale.

Das Palais Batthyany-Strattmann ist eine umfangreiche, dreiteilige Anlage aus der Barockzeit mit zahlreichen Fensterachsen in der Bankgasse und 7 Achsen in der Herrengasse. Es besteht aus Erdgeschoß, Halbstock und einem Hauptgeschoß mit Oberstock. Sowohl in der Herrengasse als auch in der Bankgasse befindet sich ein repräsentatives Portal. Hauptbau ist das Eckhaus mit der Adresse Herrengasse 19. Seine einst prächtige Fassade war mit Hermenpilaster auf kassettierten Sockeln geschmückt. Sie ist noch auf einem Stich von Salomon Kleiner zu sehen. Erhalten ist leider nur noch das schöne Portal, das besonders reich mit figuralem Schmuck versehen ist. Es ist ein zweigeschossiges Gesamtkunstwerk, das aus dem eher einfachen Holztor, dem darüber hängenden konvex gewölbten Balkon und der reich verzierten Balkontüre des ersten Stocks mit dem darüber angebrachten Wappen der Fürsten Batthyany bestand. Das von der Fürstenkrone gekrönte Wappen ist dem segmentförmigen Giebel der Balkontüre vorgesetzt. Diese Bauteile werden von zwei hohen ionischen Pilastern eingefasst, deren Aufsätze mit Kriegstrophäen geschmückt sind. Der Balkon weist ein kunstvolles vergoldetes Schmiedeeisengitter auf. Auf den Postamenten der begrenzenden Pfeiler stehen steinerne Vasen, aus denen Schlangen hervorquellen. Die Vorderfronten dieser Balkonpfeiler zeigen Reliefs, in denen Herkules mit dem Riesen Antaeus kämpft bzw. den Höllenhund Cerberus bändigt. Ansonsten ist die Front zur Herrengasse recht einfach gehalten. Das zweigeschossige Sockelgeschoß ist genutet. Die Erdgeschoßfenster sowie die Einfahrt wurden bei der letzten Restaurierung in Geschäftsportale umgewandelt. Die Fenster der darüber befindlichen Beletage zeigen dreieckige sowie gerade Verdachungen.

Das hohe Sockelgeschoß zieht sich auch an der Front in der Bankgasse entlang. Auch hier gibt es ein repräsentatives Portal, das nicht viel weniger prunkvoll als jenes in der Herrengasse gehalten ist. Sehr schön ist das schmiedeeiserne Lünettengitter im Rundbogen. Es ist mit einem goldenen Allianzwappen und einer Krone geschmückt. Über dem Scheitel des Rundbogens befindet sich eine Wappenkartusche, die von zwei Putten flankiert wird. Sie zeigt die Fürstenkrone und wird zusätzlich durch die herabhängende Ordenskette des Goldenen Vlieses hervorgehoben. Über dem Portal springt die Steinbrüstung eines schmalen Balkons leicht vor. Über dem Balkonfenster erkennt man im gesprengten Segmentgiebel nochmals das von einer Krone überhöhte Allianzwappen. Die ansonsten schlichte Fassade ist jener in der Herrengasse angepasst. Die Verdachungen der Beletage-Fenster sind abwechseln dreieckig und segmentbodenförmig. Der Trakt an der Schenkenstraße zeigt im Innenhof zweigeschossige Pawlatschen, die 1887 von Josef Tischler angelegt wurden. Da die historische Möblierung des Palais durch die unterschiedliche Nutzung spätestens im 19. und 20. Jahrhundert verloren gegangen ist, hat sich nur die wandfeste Ausstattung erhalten. So finden sich im Vestibül und im Treppenhaus des ehemaligen Palais Orsini-Rosenberg feine Stuckdekorationen sowie eine zierliche Steinbalustrade. Eine achteckige spindellose Wandeltreppe auf gedrehten Eisensäulen stammt vom Beginn des 19. Jahrhunderts. Bemerkenswert sind auch die zum Teil vergoldeten Empire-Kandelaber in den Rundbogennischen. Im Trakt in der Bankgasse haben sich einige Supraporten mit szenischen Medaillons erhalten, die aus der Zeit der Gräfin Eleonore Batthyany erhalten. An die Zeit der adeligen Benutzer der Beletage erinnern noch einige einfache Stuckdecken.

Ort/Adresse: 1010 Wien, Herrengasse 19/Bankgasse 2

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


19.04.2017