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Wien - Hofburg/Neue Burg


Die Neue Hofburg ist der zuletzt errichtete große Trakt der kaiserlichen Burg. Es handelt sich dabei um das bedeutendste Monumentalbauensemble des Wiener Strengen Historismus. Die Anlage geht auf eine Idee Gottfried Sempers zurück, der 1869 sein „Kaiserforum“ präsentierte. Gemeinsam mit Karl Hasenauer entwarf er ein gewaltiges Ensemble, das vom Leopoldinischen Trakt der Hofburg bis zu den beiden großen Museen und den schon von Fischer von Erlach errichteten Hofstallungen (dem heutigen Museumsquartier) reichte. Kernstück sollte ein dem Leopoldinischen Trakt vorgelagerter Thronsaal sein, der von einer reich gestalteten turmartigen Kuppel gekrönt werden sollte. Von hier aus waren zwei lange eingeschwungene Seitenflügeln geplant, die bis zur Ringstraße führen sollten. Es war vorgesehen, diese mit zwei großen Triumphpforten zu überspannen. Der dazwischen liegende Platz sollte mit den bereits vorhandenen großen Reiterstatuen geschmückt werden. 1879 genehmigte Kaiser Franz Joseph die Errichtung des Burggartenflügels, der ihm und seiner Gemahlin als Wohnung dienen sollte. Die Fertigstellung sollte sich aber noch lange hinziehen. Schon die Fundamentierungsarbeiten dauerten von 1881 bis 1886. Wegen des schweren marmorartigen Marzana-Gesteins, aus dem die Neue Burg erbaut wurde, mussten 25 m tiefe Fundamente gesetzt werden. 1890 wurde das Straßenniveau erreicht. Als Hasenauer 1894 starb, übernahmen seine Mitarbeiter Otto Hofer und Bruno Gruber die Bauleitung. 1895 wurde das Dach aufgesetzt, so dass im folgenden Jahr in den Giebelfeldern die Skulpturen angebracht werden konnten. Damals übernahm Emil Förster die Oberaufsicht über das Bauvorhaben. Auf Grund der drohenden hohen Kosten setzte sich langsam die Überlegung durch, auf den zweiten Burgflügel und den Thronsaal zu verzichten, wodurch das Konzept des „Kaiserforums“ aufgegeben wurde. Man wusste auch nicht so recht, was man mit den Innenräumen des im Bau befindlichen Burgflügels anfangen sollte. Dadurch ergaben sich immer neue Umplanungen. Spätestens nach dem Tod seines Sohnes und seiner Gattin hatte auch Kaiser Franz Joseph sein Interesse am Bau des Kaiserforums verloren.

1899 wurde Friedrich Ohmann als Architekt und Bauführer berufen. Er konnte sich aber im Dschungel der höfischen Bürokratie kaum durchsetzen. Erst als 1906 der Thronfolger Franz Ferdinand mit der Vollendung des Burggartenflügels, der nun als Gästehaus dienen sollte, beauftragt wurde, beschleunigten sich die Arbeiten. 1907 resignierte Ohmann, der vom Architekten Ludwig Baumann abgelöst wurde. Er stellte tatsächlich den Bau fertig und verband ihn durch den neu geschaffenen Festsaaltrakt mit den Repräsentationsräumen der alten Burg. Sein 1917 vorgelegter Plan, den Heldenplatz mit einer Säulenkolonnade gegen den Volksgarten hin abzuschließen, kam kriegsbedingt nicht mehr zur Ausführung. 1916 wurde endlich die Neue Burg dem Obersthofmeister zur Nutzung übergeben. Der Innenausbau wurde aber erst in den Jahren 1920 bis 1926 vollendet. Der repräsentative Bau diente also nie als kaiserliche Residenz oder sonstigen Wohnzwecken. Dennoch wird der heute vom Völkerkundemuseum genutzte Westtrakt als Corps de Logis bezeichnet. Noch am Ende des Ersten Weltkrieges betrachtete man die Neue Hofburg als ein überflüssiges Bauwerk. Während das großzügige Raumangebot zuerst nur gelegentlich für Konzerte und Bälle verwendet wurden, nutzte man es bald museal. Dies hatte schon Erzherzog Franz Ferdinand angeregt. Zwischen 1945 und 1955 diente die Neue Hofburg als Sitz der Interallierten Kommission, einem Gremium der Besatzungsmächte. Nachdem russische Kommandostellen ausgezogen waren, wurde noch 1945 in den an den Burggarten grenzenden Räumen ein orthopädisches Spital eingerichtet. Heute sind in der Neuen Burg die Waffensammlung des Kunsthistorischen Museums, die Sammlung alter Musikinstrumente, das Ephesos-Museum und das Museum für Völkerkunde untergebracht. Vor allem die Kollektion von 250 Rüstungen aus dem 15. und 16. Jahrhundert ist weltberühmt. 1958 wurde der an den Westtrakt des Schweizerhofes grenzende Trakt zum Kongreßzentrum umgebaut. 1966 wurden Teile der Nationalbibliothek in den Ostteil der Neuen Hofburg verlagert und Lesesäle eingerichtet. Im Keller wurde die Papyrussammlung untergebracht.

Die monumentale Hauptfassade ist dem Heldenplatz zugewendet. Der deutlich vorspringende Mittelrisalit ist im Obergeschoß mit Doppelsäulen geschmückt. Dazwischen stehen die Statuen des Glaubens und der Liebe von Johannes Benk. Oberhalb der Attikabrüstung ist eine Bauinschrift von 1908 angebracht. Davor stehen vier bronzene Siegesgöttinnen. Der vergoldete Doppeladler mit der Kaiserkrone über der abschließenden Balustrade ist ein Werk des Bildhauers Rudolf von Weyr. Dem Mittelrisalit ist im Obergeschoß eine geräumige Terrasse vorgelagert. Darunter befindet sich der Portalvorbau mit seinen bemerkenswerten Schmiedeeisenarbeiten, zu dem eine Freitreppe sowie seitliche Rampen emporführen. Die davor aufgestellten vier Löwenstatuen wurden von Fritz Zerritsch 1913 geschaffen. Vom Mittelrisalit gehen lange, konkav geschwungene Flügeln nach beiden Seiten aus. Diese sind im Obergeschoß als begehbare Säulenkolonnaden ausgebildet. Die korinthischen Säulen stehen jeweils paarweise auf hohen Postamenten. Zwischen den rechteckigen Fenstern erkennt man Stuckreliefs, die 18 Städtewappen sowie weiblichen Profilbüsten zeigen. In der rustizierten Erdgeschoßzone stehen zwischen den großen Rundbogenfenstern zwanzig Statuen, die Gestalten aus der Geschichte der österreichischen Monarchie darstellen. Sie wurden von verschiedenen Künstlern geschaffen, wirken aber bemerkenswert einheitlich. Die Schlusssteinköpfe der Fensterumrahmungen stammen von Victor Tilgner. Auf den Eckrisaliten der Neuen Hofburg an der dem Heldenplatz zugewandten Seite stehen Bronzeskulpturen der Viktoria von Rudolf von Weyr und der Fortuna von Johannes Benk. Das sog. Corps de Logis ist ein quadratischer Baukörper, der im Südwesten an den Haupttrakt anschließt und ähnlich gestaltet ist. Sein rustizierter Portalvorbau wurde 1900 fertiggestellt. An seinem Skulpturenschmuck haben Victor Tilgner, Edmund von Hellmer, Carl Kundmann und andere Bildhauer gearbeitet. Von der 170 m langen Gartenfassade der Neuen Hofburg führt eine mit Puttenskulpturen und Kandelabern bereicherte Freitreppe in den Burggarten hinunter. Durch die mehrfache Abstufung und die Gliederung durch toskanische Riesenpilaster, die mit den großen Fenstern abwechseln, wirkt die Fassade trotz ihrer Länge nicht eintönig. Der Skulpturenschmuck stammt von namhaften Wiener Künstlern aus dem ersten und zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts.

Auch die Ausstattung der monumentalen Innenräume erfolgte zur Gänze im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts. Die Tordurchfahrt ist ein kreuzförmiger Zentralraum, dessen verkröpftes Gebälk auf toskanischen Pilastern bzw. vorgestellten Säulen ruht. In den Nischen der Seitenarme stehen Skulpturen von Johannes Benk, die sich bis 1955 in den Feststiegen des Burgtheaters befanden und damals durch Balustraden ersetzt wurden. Das achteckige Foyer leitet zur Prunkstiege über. Die dunklen toskanischen Marmorsäulen geben ihr einen vornehmen Anstrich. Die zweiarmigen gegenläufigen Treppen haben sowohl im Mezzanin als auch in der Beletage gemeinsame Mittelpodeste. Die Gliederung der Wände erfolgt durch Pilaster und Wandfelder in hellem Stuckmarmor. Das Stiegenhaus war durch mehrere große volutenbekrönte Steinkamine beheizbar. Im Hauptgeschoß laufen konkave Marmorgalerien durch beide Flügeln. Bei ihrer Verkleidung wurde sowohl heller Marmor als auch Stuckmarmor verwendet. Im Südflügel hängen Kopien von großen Kaiserporträts. Bemerkenswert ist der zentrale Kuppelsaal, der durch Arkaden, rotbraunen Pilastern und vorgestellten Säulen gegliedert wird. Die Tambourkuppel ist eine stuckverkleidete, weitgehend verglaste Eisenkonstruktion. Der dreiteilige Marmorsaal im Mezzaningeschoß ist mit seiner Stuckdecke und den gekoppelten toskanischen Marmorsäulen ebenfalls recht aufwändig ausgestattet. Im Corps de Logis ist vor allem der dreigeschossige Arkadenhof interessant. Die Kreuzgratgewölbe der Erdgeschoßlauben werden von toskanischen Marmorsäulen getragen, während die Bögen des Mezzanins von gekoppelten ionischen Säulen gestützt werden. Die Ausmalung des Spiegelgewölbes erfolgte ab 1908 durch Eduard Veith.

Der Heldenplatz war durch Jahrhunderte hindurch eine sumpfige Gegend, die man zeitweise nur auf Holzstegen durchqueren konnte. Auch den Türken hatte dies bei der Belagerung Wiens große Schwierigkeiten gemacht, da sich ihre Laufgräben immer wieder mit Wasser füllten und unbrauchbar wurden. Erst Kaiser Franz II (I) ließ am Ende des 18. Jahrhunderts den Platz sanieren und für militärische Paraden benutzen. 1850 versuchte der Hofgärtner Franz Antonie d. J. eine gärtnerische Gestaltung der riesigen Fläche. Schon 1853, als die Anlage des Heldenplatzes noch kein Thema war, gab Kaiser Franz Joseph bei Anton Dominik Fernkorn ein monumentales Denkmal für seinen Onkel Erzherzog Karl in Auftrag. Dieser hatte 1809 die Schlacht von Aspern gewonnen, in der Napoleon I erstmals besiegt worden war. Dieses Denkmal war eine Meisterleistung seiner Zeit. Erstmals war es gelungen ein Reiterstandbild herzustellen, bei dem das ganze Gewicht von immerhin 20 Tonnen so ausbalanciert ist, dass es nur auf den beiden Hinterhufen des Pferdes ruht. Zuvor diente immer der Schweif als zusätzliche Stütze. Von 1860 bis 1865 arbeitete Fernkorn am Gegenstück, einem Reiterdenkmal des Prinzen Eugen von Savoyen, der sich in den Türkenkriegen große Verdienste erworben hatte. Die Marmorsockel der beiden Standbilder stammen übrigens vom Architekten Eduard van der Nüll, einem der Erbauer der Wiener Staatsoper. Der Heldenplatz erhielt erst nach der Aufstellung der beiden Denkmäler seinen Namen. Zur Ringstraße hin wird er vom Äußeren Burgtor abgeschlossen. Dieses ist das älteste Gebäude des neuen Platzes. Der wie ein antikes Festungstor wirkende klassizistische Bau wurde 1821 von Luigi Cagnola begonnen und 1824 von Peter Nobile nach einer Planänderung vollendet, war aber schon zur Zeit seiner Erbauung nur ein dekorativer Nachfolger des 1660 auf der Burgbastei errichteten Festungstores, das Napoleons Artillerie vernichtete. 1916 wurde er in ein Kriegerdenkmal umgewandelt. Verschwunden ist auch das einst berühmte Kaffeehaus des Paradeisgartls vor dem heutigen Bundeskanzleramt. Es wurde 1872 demoliert. Der Heldenplatz diente im 20. Jahrhundert gerne für Großkundgebungen, vom Katholikentag bis zur Rede Adolf Hitlers anlässlich der Annektion Österreichs durch das Deutsche Reich. Am Staatsfeiertag (20. Oktober) findet hier traditionellerweise eine große Leistungsschau des österreichischen Bundesheeres statt.

Ort/Adresse: 1010 Wien, Heldenplatz

Besichtigung: die Innenräume können im Rahmen von Museumsbesuchen besichtigt werden


Weitere Literatur:


20.01.2008