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Breitenfurt


Gregor Wilhelm von Kirchner war Ministerial-Blanko-Deputationsbuchhalter und Bergrat. Er war auch Oberaufseher der kaiserlichen Wälder. Kaiser Karl VI schenkte ihm ein Gut in Breitenfurt. Hier stand bereits vor der zweiten Türkenbelagerung Wiens ein Jagdschlösschen, dass aber 1683 weitgehend zerstört worden war. Kirchner errichtete an seiner Stelle in den 20er-Jahren des 18. Jahrhunderts ein großes Barockschloss. Als Baumeister trat Anton Erhard Martinelli auf, doch dürfte auch der Bauherr seine Ideen eingebracht haben. Im Park befanden sich vielbewunderte Kaskaden. 1732 weihte der Wiener Erzbischof Kardinal Sigmund Graf Kollonitsch die Schlosskapelle. Kirchner starb 1735 ohne Nachkommen. Er vermachte das noch nicht fertiggestellte Schloss gemeinsam mit einer Stiftung dem Kaiser zur Einrichtung eines Armenspitals und einer Schule. Kaiser Josef II hatte damit wegen der hohen Unterhaltskosten keine große Freude. Er schloss das Spital 1783 und ließ das Schloss auf Raten versteigern, was gar nicht so einfach war. Zuerst wurden die umfangreichen Wirtschaftsgebäude an den ehemaligen Küchenchef der Herrschaft, Franz Stelzer, veräußert. 1789 folgte die Einrichtung des Hauptschlosses. Im gleichen Jahr konnte auch das Schloss selbst abgestoßen werden. Käufer war der Wiener Branntweiner Johann Andre Maria, der nichts investierte und sofort mit der Filetierung des Gebäudes begann. Angeblich wurden aber schon zuvor zahlreiche Statuen nach Schönbrunn gebracht. 1796 erwarb Franz Trumauer die Herrschaft. Er ließ den Mittelteil des Schlosses abtragen und den nördlichen Seitenflügel, der erst nach dem Tode Kirchners errichtet wurde, als Wohnung einrichten. In den nächsten hundert Jahren hatte das Schloss 17 verschiedene Besitzer. 1866 vernichtete ein Brand wichtige Bausubstanz. Zwei Jahre später wurde im Nordflügel ein Postamt eingerichtet. Im 20. Jahrhundert war dieser Kindererholungsheim, Kloster, Exerzitienhaus und Kindergarten. 1973 wurden die Schlossreste an den Orden der Schulbrüder verkauft. Bis heute blieben lediglich die Schlosskapelle mit dem Pfarrhof, ein winziger Rest des anschließenden Hauptschlosses sowie einige Nebengebäude erhalten. Die Kapelle wurde bereits unter Joseph II zur Pfarrkirche. Die Nebengebäude dienen vorwiegend Wohnzwecken.

Das ursprüngliche Schloss hatte die ungewöhnliche Form eines W. Man vermutet, dass dies eine Anspielung auf den Vornamen Kirchners, Wilhelm, sein könnte. Die weitläufigen Baulichkeiten hatten an der Gartenfront eine Länge von 222 m. Im kuppelgekrönten Mittelbau lagen das Vestibül und darüber der Festsaal. Die Verbindung der zweigeschossigen Hauptfront mit den beiden schrägwinkelig vorspringenden Flügeltrakten erfolgte durch polygonale Eckpavillons, die die Schlosskapelle und den Kaisersaal beinhalteten. In den eingeschossigen Flügelbauten befanden sich das Spital sowie diverse Wirtschaftsräume. Sie wurden später um ein Stockwerk erhöht. Die dem Hl. Nepomuk geweihte, barocke Schlosskapelle ist der markanteste Rest des einstigen Prachtschlosses. Ihre Schauseite ist nach Osten gerichtet. Durch den Grundriss einer Ellipse bedingt sind die Wandflächen im Inneren gekrümmt. Sie sind mit den Statuen der vier Evangelisten geschmückt. Diese wurden früher Giovanni Giuliani zugeschrieben, doch ist man mittlerweile wieder davon abgekommen. Die Wände sind mit Stuckmarmor verkleidet. Die prächtigen Stukkaturen stammen vermutlich von Johann Michael Bolla. Die 14 m lange und 10 m breite Kuppel ist mit einem Fresko von Daniel Gran geschmückt, das die Aufnahme des Hl. Johannes Nepomuk in den Himmel zeigt. Auch das Hochaltarbild und das Bild eines Seitenaltares stammen von Daniel Gran, der in den Jahren 1730 bis 1732 in Breitenfurt arbeitete. Die Orgel wurde 1726 von Johann Hencke gebaut. In der Krypta steht der Sarg des Bauherrn Gregor Wilhelm von Kirchner. Dessen Porträtbüste aus bemaltem Wachs wird in der Sakristei aufbewahrt. Ob sie wirklich von Georg Raphael Donner stammt, ist nicht gesichert. Im bescheidenen Rest des Hauptschlosses hat sich das sog. Kaiserzimmer erhalten. Seine prächtigen Stukkaturen wurden wahrscheinlich von Anton Camesina geschaffen. Sehr schön sind die barocken Fensterkörbe am Pfarrhoftrakt. Die mit Bassins, Wasserläufen und Statuen reich ausgestatte Parkanlage am Fuße des Schlosshügels ist längst parzelliert und in private Gartengründstücken umgewandelt. Die zur Kapelle führende Schlossallee existiert noch heute.

Lage: Niederösterreich/Wienerwald – ca. 10 km westlich von Wien-Liesing

Besichtigung: die Kapelle ist meist nur zu den Gottesdiensten geöffnet


Weitere Literatur:


11.01.2008