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Reichenau (im Mühlkreis)


1209 wird ein Salmannus de Richnowe urkundlich genannt. Er hatte seinen Sitz im Dorf. 1315 errichtete Weikhart der Marschalch, ein Ministeriale der Passauer Bischöfe, an der Stelle eines Passauer Zehentkastens die heutige Burg. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts befand sich diese vorübergehend in den Händen der Wallseer und des Ludwig von Stain. 1379 ging sie wieder an die Marschalk über. Von Georg von Marschalk wird berichtet, dass er 1451 seine Untertanen mit zu hohen Zehentforderungen bedrohte. Der daraus entstandene Streit wurde vom Landeshauptmann zugunsten der Untertanen geschlichtet. Nach dem Aussterben des hier sitzenden Zweiges der Familie Marschalk kaufte der Freistädter Bürger Jakob Röttl die Anlage. 1569 wurde er vom Passauer Bischof mit ihr belehnt. 1590 verkaufte Veit Röttl die Herrschaft seinem Vetter Joachim Stangl zu Waldenfels. Damals galt die Burg als verteidigungsfähiger Zufluchtsort für die umliegende Zivilbevölkerung. 1634 veräußerten die Brüder Hans, Erhart und Ernreich Stangl Reichenau an Heinrich Wilhelm von Starhemberg. Er und seine Nachfolger nützten die Burg vorwiegend als Jagdschloss. Bei seiner Familie blieb der mittlerweile stark vernachlässigte Wehrbau bis heute. Der rapide Verfall setzte aber erst ein, nachdem auch das Forstpersonal 1930 die letzten bewohnbaren Räume verlassen hatte und alles was nicht niet- und nagelfest war, entfernt wurde. 1955 pachtete der Heimatverein Urfahr-Umgebung die Anlage und begann mit der Sanierung einzelner Teile. Allerdings blieben die Bemühungen bald in ihren Anfängen stecken und die Ruine verfiel weiter. Als diese gegen Ende des 20. Jahrhunderts für die „Burgfestspiele Reichenau“ als Kulisse für das Sommertheater adaptiert wurde, versuchte man sie wieder gefahrlos betretbar zu machen und ihr durch einen partiellen Wiederaufbau ein möglichst martialistisches Aussehen zu geben. Reichenau ist heute ein gutes Beispiel dafür, wie man mit gutem Willen und wenig Fachkenntnis selbst eine Ruine noch ruinieren kann. Ein Freund des Denkmalschutzes sieht die Betoneinbauten und wendet sich mit Grausen ab.

Die Ruine liegt auf einer Anhöhe südwestlich des Marktes Reichenau im Mühlkreis. Während die meisten Wohnbauten aus dem 16. Jahrhundert stammten, dürften die Umwallung und der Graben noch auf das 14. Jahrhundert zurückgehen. Die Ringmauer, die teilweise das Aussehen und die Funktion einer Mantelmauer hat, wurde 1521 errichtet. Sie ist weitgehend original erhalten. Lediglich die Nordostecke mit den Außenwänden der Kapelle ist 1964 in den Burggraben gestürzt. Der Hauptwohntrakt war zwar noch mit einem desolaten Dach versehen, doch hatte er im 20. Jahrhundert sämtliche Zwischendecken verloren. An einer Quermauer haben sich Freskenreste von Wappen und figuralen Darstellungen erhalten. Bemerkenswert sind auch die tiefen Fensternischen in der Ringmauer. An der Schwärzung einzelner Mauerstellen kann man noch die Lage einstiger Kamine feststellen. Der etwas verzogene quadratische Bergfried, ist im Westflügel eingebaut. Er ist nur mehr ein Torso. Gut erhalten war bis zur „Sanierung“ lediglich der Tor- und Turmtrakt, da in ihm landwirtschaftliche Geräte des Pächters untergebracht waren. Der ungewöhnlich hohe quadratische Torturm stammt aus der Zeit der Spätgotik, wurde aber im vierten Viertel des 16. Jahrhunderts umgebaut. Er ist mit einer Ortsteinquaderung verziert und mit einem flachen Zeltdach gedeckt. In der Mitte des einst reizvollen Innenhofes, der heute vom Theater genützt wird, befindet sich ein viereckiges Brunnenbecken. Es ist mit 1762 bezeichnet und weist ein Wappenrelief auf. Die gotische Burgkapelle hatte ein zweijochiges Rippengewölbe, wie die erhaltenen Konsolen und Rippenansätze zeigen. Von ihr stehen nur mehr die Innenwände. Ein gefastes Rundbogenportal führt vom Hof in das Untergeschoß der Kapelle. An der Nordseite des Hofes erschloss ein quadratischer spätgotischer Treppenturm aus dem 16. Jahrhundert die oberen Stockwerke. Über die modernen Einbauten aus Sichtbeton wollen wir besser schweigen. Im Süden führt die Zufahrt zum Torturm durch das langgestreckte Forsthaus, das einst dem Landgericht diente. Es wurde 1932 nahezu neu erbaut.

Lage: Oberösterreich/Mühlviertel – ca. 15 km südwestlich von Freistadt

Besichtigung: zeitweise möglich


Weitere Literatur:


07.01.2008