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Gartenpalais Harrach


Die Gegend des heutigen dritten Gemeindebezirks war im 18. Jahrhundert bei den Adeligen sehr beliebt. Die Vorstädte waren vor dem Anmarsch der Türken weitgehend niedergebrannt worden, um ihnen keine Deckung zu bieten. Nach der Abwendung der Türkengefahr boten sich die weiten unbebauten Flächen für die Anlage von Gartenpalais an. Die Bauherren wetteiferten damit, wer das schönste Palais errichtete. Als Architekten wurden die berühmtesten Baumeister der damaligen Zeit gewählt. Auf dem Gebiet zwischen Ungargasse und Landstraße befand sich u. a. das Althansche Sommerpalais. Es war ein Werk des Joseph Emanuel Fischer von Erlach. In den Jahren zwischen 1727 und 1735 ließ der Vizekönig von Neapel, Alois Thomas Raimund Graf Harrach, am Nachbargrundstück durch Johann Lukas von Hildebrandt ein Sommerpalais errichten. Er konnte auf einen begonnenen Vorgängerbau zurückgreifen, den der Graf dem Edlen Ignaz von Quarient unmittelbar zuvor abgekauft hatte. Schon 1728 war der Festsaaltrakt äußerlich fertig, so dass mit der Innenausstattung begonnen werden konnte. An ihr arbeiteten der Stukkateur Santino Bussi, der Bildhauer Johann Trebesky sowie die Maler Gaetano Fanti und Bartolomeo Altomonte. Durch das Anfügen von zwei Seitentrakten entstand eine barocke Ehrenhofanlage. Als Harrach 1734 aus Neapel zurückkehrte, durfte Hildebrandt, der zwischenzeitlich vorübergehend in Ungnade gefallen war, den Haupttrakt nach Norden verlängern und einen dritten Flügel anfügen. 1735 weihte Kardinal Siegmund Graf Kollonitsch die dem Hl. Januarius geweihte Schlosskapelle. Der in Österreich nicht sonderlich bekannte Hl. Januarius war übrigens der Schutzpatron Neapels. Der Park umfasste auch die Gründe des heutigen Rudolfspitals.

1791 verkaufte Ernst Guido Graf Harrach das ererbte Gartenpalais an Kaiser Leopold II, der es als Erholungsort nützen wollte. Allerdings starb er bereits im nächsten Jahr, womit der Abstieg begann. Zuerst kam das Palais an das Geheime Kammerzahlamt und sechs Jahre später an die k. k. Zuckerraffinerie. Garten und Palais wurden nicht mehr gepflegt und verkamen. 1802 kaufte Kaiser Franz II (I) den Besitz wieder zurück. Er ließ das Gebäude restaurieren aber auch verändern. Der Hofgärtner Antoine wandelte den einstigen Ziergarten in einen riesigen Obstgarten um, der nunmehr „Kaisergarten“ genannt wurde. Dieser Garten wurde nach 1841 zuerst der Gartenbaugesellschaft und 1858 der von Kaiser Franz Joseph anlässlich der Geburt seines Sohnes gegründeten Rudolfstiftung überlassen, die hier ein großes Krankenhaus erbaute. In einem anderen Parkbereich (an der heutigen Boerhaavegasse) entstand die Landwehrkadettenschule. Der Rest des Gartens wurde parzelliert und verkauft. In das längere Zeit unbenützt gebliebene Gartenpalais zog 1840 die Lombardo-Venetianische Garde ein. Die erforderlichen Umbauten machten aus dem Lustschloss eine Kaserne. Nach der Auflösung der Garde diente diese ab 1850 als Militärreitlehrer-Institut (Equitationsinstitut) und 1866 vorübergehend auch als Militärspital. Durch die militärische Verwendung wurde der einstige Reiz der Anlage völlig zerstört. 1912 wurde das Prunkstiegenhaus abgerissen. In den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen beherbergten die bereits stark vernachlässigten Palaisflügel ein Mädchenheim. 1945 erlitten die noch vorhandenen Gebäudeteile durch Fliegerbomben so schwere Schäden, dass sie 1968 abgetragen wurden. Lediglich die ausgebrannte Kapelle blieb erhalten.

Die Januariuskapelle bildete einst den mittleren Flügel der gegen die Ungargasse gerichteten zweifachen Ehrenhofanlage. Heute steht sie frei, wirkt aber vor den unmittelbar dahinter liegenden modernen Schulbauten völlig deplaziert. Sie ist der einzige Rest des einstigen Palais mit seinem prachtvollen Garten. Wenn man die Kapelle mit dem Stich von Salomon Kleiner vergleicht, so scheint es, als ob sie sich kaum verändert hätte. Allerdings sind auf dem Foto, das das k. k. Reitlehrer-Institut um 1914 zeigt, zwar die drei Seitenflügel des einstigen Palais klar zu erkennen, doch ist von einer Kapelle nichts zu sehen. Tatsächlich war diese zur damaligen Zeit längst profaniert. Sie wurde 1985/87 innen und außen restauriert, wobei man den Fassadenturm und das Hauptportal rekonstruierte und anschließend neu geweiht. Das zweigeschossige Gebäude zeigt ein schlichtes Äußeres. Die dreiachsige Schmalseite ist der Ungargasse zugewandt. Zwischen den beiden Geschossen verläuft ein starkes Gesims. Die Gebäudekanten sind durch eine Ortsteinquaderung hervorgehoben. Das Innere wird durch große korinthische Pilaster gegliedert. Das von Martin Altomonte 1735 gemalte Hochaltarbild zeigte die Enthauptung des Hl. Januarius. Die Stuckreliefs der Seitenaltarnischen von Santino Bussi konnten wiederhergestellt werden. Aus der alten Januarius-Kapelle hat sich eine Reliquienbüste des Heiligen erhalten, die sich heute im Wiener Diözesanmuseum befindet. An das Militär-Reitlehrerinstitut erinnert auch noch ein Teil des 1988 abgebrochenen Reithallen- und Stallgebäudes an der gegenüberliegenden Straßenseite, der 1990 restauriert und in den Neubau eines Hotels einbezogen wurde.

Ort/Adresse: 1030 Wien, Ungargasse 69

Besichtigung: die Januariuskapelle ist nur zu den Gottesdiensten geöffnet


Weitere Literatur:


25.12.2007