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Lichtenau (Mühlviertel)


Über den Zeitpunkt der Errichtung der Burg gibt es keine gesicherten Nachrichten. Urkundlich erwähnt wurde sie erstmals 1293, als ihr damaliger Besitzer, Seifried I Hugenberger, starb. Sein gleichnamiger Sohn trat das Erbe an. Von Seifried III wird berichtet, dass er seine Gattin Anna ermordete. Er scheint um 1335 auf. Lichtenau war damals ein Lehen der Rosenberger. 1399 gelangte es an die mit den Hugenbergern verschwägerte Familie Anhanger. Elisabeth Anhanger war eine verwitwete Jörger. Ihr Sohn aus erster Ehe, Hans Jörger, erbte den Besitz. Er und seine Nachkommen wohnten nur selten hier. Sie setzten meist Pfleger ein, die sich um das Gut kümmerten. 1496 gelangte die Herrschaft, die inzwischen die Wallseer als Lehensherren hatte, als Heiratsgut an Martin Oeder zu Götzendorf. Ebenfalls im Wege einer Heirat fiel sie danach an Ulrich Herleinsperger, der 1555 starb. Zur Zeit der Türken- und Ungarneinfälle wurde Lichtenau 1594 zur Fluchtburg für die umliegende Bevölkerung sowie zum militärischen Bollwerk für das nördliche Mühlviertel bestimmt. Die Herleinsperger ließen zu Beginn des 17. Jahrhunderts die bisher noch recht mittelalterliche Burg in ein befestigtes Renaissanceschloss verwandeln. Dieses blieb bis zum Aussterben der Familie 1624 in ihrem Besitz. Heinrich Herleinspergers Tochter Elisabeth war mit Dietmar Schifer von Dachsberg verheiratet, der nun neuer Schlossherr wurde. Beide hatten neun Söhne und fünf Töchter. Lichtenau ging zuerst an den Sohn Siegmund Schifer und dann als Mitgift an dessen Tochter Anna Elisabeth, als diese 1661 den Grafen Johann Secundus von Sprinzenstein heiratete. Der Graf war kaiserlicher Kämmerer sowie Obrister und Erbland-Münzmeister.

Mit der Vermählung der Maria Gabriela Gräfin Sprinzenstein mit Graf Josef Ignaz von Welsberg wiederholte sich 1728 diese für Lichtenau typische Tradition. Zur Herrschaft gehörten damals etwa 150 Untertanen. Bei den aus Florenz stammenden Grafen Welsberg blieben nun Schloss und Gut bis 1831, als der Haslacher Textilkaufmann Georg Fölser dem Domherrn Philipp Graf Welsberg beides abkaufte. Dies war der erste Kauf in der Geschichte der Herrschaft, die bisher nur vererbt worden war. Noch einmal diente Lichtenau als Heiratsgut und kam so 1870 an den Textil-Industriellen Heinrich Vonwiller. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts kam es zu größeren Umbauten am Schloss. Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde dieses von russischen Truppen besetzt. Vermutlich aus Unachtsamkeit entstand am 8. September 1945 ein Brand, der die gesamte Einrichtung mit den Holzdecken und den gesammelten Kunstschätzen vernichtete und das Schloss weitgehend zur Ruine machte. In den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts zahlte Rüdiger Ernst Vonwiller seine Geschwister aus, die ebenfalls Anteile an Lichtenau besaßen. Er ließ die Anlage 1969 wieder bewohnbar machen und in ihren alten Formen weitgehend wieder herstellen. Allerdings wurden sowohl der Nord- als auch der Osttrakt abgetragen. 2001 wurde das Schloss verkauft. Der neue Besitzer führte umgehend eine aufwändige Generalsanierung durch, die dem Schloss wieder seinen ursprünglichen Glanz gab. Es dient nunmehr als gepflegter Zweitwohnsitz.

Der Schlosskomplex liegt auf einem flachen Geländesporn über dem Bett der Großen Mühl am südlichen Ortsrand der Gemeinde Lichtenau. Er ist von einem ausgedehnten Landschaftspark umgeben, in dem sich viele alte Bäume erhalten haben. Die Anlage besteht aus mehreren Baukörpern, die einen trapezförmigen Innenhof umgeben. Im Süden springt das nahezu quadratische, turmartige Haupthaus vor. Es wurde um 1600 über mittelalterlicher Bausubstanz erneuert. Eine gotische Spitzbogennische neben dem Spitzbogenportal ist mit 1317 bezeichnet. In ihr ist auch die Rose der Familie Rosenberger zu sehen. Das Erdgeschoß wird von einer Renaissancehalle eingenommen, deren Stichkappentonnengewölbe auf einem mächtigen Mittelpfeiler ruht. Ein großer erkerartiger Kamin ist mit 1556 datiert. Die Türrahmen stammen teilweise noch aus dem Mittelalter. Da die beiden Obergeschosse des Haupthauses beim Brand von 1945 weitgehend zerstört worden waren, mussten sie bei der großen Renovierung erneuert werden. Der Südwesttrakt zeigt mit seiner unregelmäßigen Befensterung, dass er zum Teil noch mittelalterlich ist. Er wurde aber in den Jahren 1900 bis 1908 teilweise erneuert. Hofseitig ist ihm ein dreiachsiger kreuzgratgewölbter Laubengang vorgelagert. Dessen Rundbögen ruhen auf gedrungenen toskanischen Säulen. Am Stiegenaufgang ist die Jahreszahl 1605 eingemeißelt. Ein nach außen führendes Rundbogentor in Renaissanceformen ist mit 1908 bezeichnet. Bemerkenswert ist die Schlosskapelle. Sie nimmt die gesamte Westfront ein. Es handelt sich bei ihr um einen hohen Saalbau aus der Zeit um 1600. Zwischen den hohen Rundbogenfenstern liegt ein Renaissanceportal, zu dem eine kleine Freitreppe führt. Die Decke ist mit reich verzierten rippenartigen Stuckbändern geschmückt. Der Chor zeigt einen unregelmäßigen 3/8-Schluss. Das Altarblatt stellt das Letzte Abendmahl dar. Ein großes barockes Kruzifix stammt aus dem dritten Viertel des 18. Jahrhunderts.

Anstelle der einstigen Gebäude schließt heute eine einfache Mauer die Ostseite des Hofes ab. Auch der Nordflügel ist nur mehr als eingeschossiger Laubengang erhalten. Die an seiner Außenmauer angebauten Nebengebäude wurden nicht mehr wiederhergestellt. Lediglich das Pförtnerhaus steht noch an der Nordostecke des Hofes. Im Nordflügel liegt die Einfahrt in den Schlosshof. In ihm erinnert das Becken einer Zisterne, das in der Form eines Kapitells gehalten ist, an die einstige Wasserversorgung. Der Graben, der einst dem Nordflügel vorgelagert war, ist längst verschwunden, doch wirkt die rustizierte Toranlage noch recht wehrhaft, aber auch etwas deplaziert, da sie nicht zu diesem stark restaurierten Trakt passt. Eine einzige Schlüssellochscharte soll wohl an die einstige Wehrbereitschaft erinnern. Neben der Toreinfahrt befindet sich eine Fußgängerpforte. Die noch vorhandenen Rollenlöcher weisen darauf hin, dass das Tor ursprünglich nur über eine Zugbrücke erreicht werden konnte. Im gartenartig gestalteten Vorhof steht ein aus verschiedenen Teilen zusammengesetzter Renaissancebrunnen vom Anfang des 17. Jahrhunderts. An seinem sechseckigen Becken erkennt man Wappenreliefs der Familie Oeder und Herleinsperger sowie einen Löwenkopf. Als Mittelsteher dient eine verzierte Renaissance-Balustersäule mit einem kegelartigen Aufsatz. Von der Straße her führt eine mehrteilige schmiedeeiserne Toranlage in den Park und zum Schloss. Westlich davon steht der ehemalige Meierhof. Er wurde mit dem Schloss im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts errichtet, aber später mehrfach umgebaut.

Lage: Oberösterreich/Mühlviertel – ca. 2 km nördlich von Haslach

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


16.12.2007