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Rohrau - Schloss Harrach


Wann an der Stelle des heutigen Schlosses eine erste Befestigung errichtet wurde, ist nicht bekannt. Im 12. Jahrhundert gehörte das Gebiet um Rohrau mit Hainburg und Petronell zum Herrschaftsbereich der Markgrafen von Cham und Vohburg. 1240 wird Dietricus de Rorow erwähnt, der damals in mehreren Urkunden als Zeuge aufscheint. Er stammte aus dem Geschlecht der Liechtensteiner. Es muss also zu dieser Zeit bereits ein Herrensitz bestanden haben. Die Liechtensteiner Nebenlinie von Rohrau starb 1278 mit Dietrich III aus. Über seine Tochter Diemud kam die Herrschaft an ihren Gatten Leutold von Stadeck. Rohrau diente im 12. Jahrhundert als Grenzfeste gegen Ungarn. Nach dem Tod des letzten Stadeckers erhielt um 1400 Graf Hermann von Cilli Rohrau als Reichslehen. Die Tochter der letzten Stadeckers war mit Graf Ulrich von Montfort-Bregenz verheiratet, der ebenfalls Ansprüche auf Rohrau erhob. 1404 erhielt es dieser vom Gegenkönig Ruprecht von der Pfalz zugesprochen. Die Herrschaft blieb nun 120 Jahre lang bei den Grafen von Montfort, bis diese sie 1524 an Leonhard III von Harrach verkauften. Die Harrachs waren im 14. Jahrhundert aus Bayern nach Österreich gekommen und hatten sich unter anderem in Kärnten und dann in Südböhmen angesiedelt. 1525 erhielt Leonhard III vom ungarischen König Ludwig die Erlaubnis, auch die auf ungarischem Gebiet liegenden Güter der Herrschaft zu erwerben. Vom Kaiser erhielt er das Privileg, mit rotem Wachs siegeln zu dürfen. Außerdem durfte sich seine Familie von nun an „von Rohrau“ nennen. Die Lehenshoheit wechselte im 15. und 16. Jahrhundert häufig zwischen den Landesherren von Österreich und Ungarn, je nachdem zu welchem Land die Gegend damals gerade gehörte. 1552 erfolgte durch Kaiser Ferdinand I die Erhebung der Familie in den Reichsfreiherrenstand.

Die damalige mittelalterliche Wasserburg von Rohrau ist heute spurlos verschwunden, da Leonhard IV Freiherr von Harrach im dritten Viertel des 16. Jh. auf den Fundamenten der alten Anlage ein Renaissance-Wasserschloss mit einem ausgedehnten Wirtschaftstrakt als Vorhof errichten ließ. Als Hofkanzler des Kaisers zählte er zu den einflussreichsten Adeligen des Reiches. Kurz vor seinem Tod wurde das Schloss von den Türken schwer beschädigt und der Herrschaftsbereich verwüstet. 1627 wurde Karl Freiherr von Harrach von Kaiser Ferdinand II in den Reichsgrafenstand erhoben. Damals konnte auch das bisher landesfürstliche Lehen in Freies Eigen umgewandelt werden. Die Grafen von Harrach gehörten bald zu den bedeutendsten Adelsfamilien der Monarchie. Sie übten immer wieder hohe diplomatische und geistliche Funktionen aus. Dennoch kümmerte man sich vorerst nicht um das Schloss, das damals nur eines von mehreren im Familienbesitz war. Die ertragreichen Güter der Familie lagen meist in Böhmen. Hier war auch die Wirkungsstätte von Ernst Adalbert Graf Harrach, der 42 Jahre lang Erzbischof von Prag war. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts wird Schloss Rohrau bereits als Ruine bezeichnet. Erst Ferdinand Bonaventura Graf Harrach ließ es ab 1668 als Wasserschloss erneuern, wobei aber am ursprünglichen Aussehen nicht viel geändert wurde. Ferdinand Bonaventura war ein persönlicher Freund Kaiser Leopolds I, mit dem er sich in Wien fast täglich zum Kartenspiel traf.

Am Vischer-Stich von 1672 ist zu erkennen, dass in Rohrau später lediglich auf den Torturm verzichtet und dass die Einfahrt in den Wirtschaftshof in die Hauptachse des Schlosses verlegt wurde. Die Entfernung des Turmes erfolgte unter Leonhard Ulrich Graf Harrach, der 1688 nach der Teilung des Majorates Rohrau als Stammsitz seiner Familie ausbauen ließ. An seiner Stelle wurde ein hoher hölzerner Dachreiter angebracht. Der letzte große Umbau wurde von Leonhard IX Graf Harrach 1776/77 in Auftrag gegeben. Baumeister war der damals viel beschäftigte Wiener Architekt Andreas Zach. Das westliche Treppenhaus wurde neu errichtet und der zuvor dreigeschossige Mittelrisalit über der Einfahrt des Nordtraktes den anderen zweigeschossigen Gebäuden angepasst. Auch wurden die übrigen Mittel- und Eckrisalite dem alten Mauerwerk vorgeblendet. Schloss Rohrau blieb bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges einer der Wohnsitze der Familie. Es hatte jedoch durch die Belegung mit russischen Soldaten so schwere Schäden erlitten, dass eine umfassende Restaurierung notwendig wurde. In der Nachkriegszeit wurde es lediglich für landwirtschaftliche Zwecke genutzt. Durch die beiden Weltkriege waren die umfangreichen tschechischen und ungarischen Besitzungen der Familie verloren gegangen, wodurch die Ertragsbasis für eine rasche Renovierung der in Österreich verbliebenen Bauwerke drastisch geschmälert wurde. Erst 1966 konnte der Entschluss zur Renovierung des Schlosses gefällt werden.

Nachdem die baulichen Wiederherstellungsarbeiten abgeschlossen waren, ließ Stéphanie Gräfin Harrach 1970 die berühmte Harrach’sche Gemäldegalerie, die seit 1960 wieder im Wiener Stadtpalais gezeigt wurde, hier unterbringen. Das Stadtpalais, das durch eine Erbteilung an einen Verwandten übergegangen war, wurde verkauft. Die in über 300 Jahren zusammengetragene Sammlung zählt trotz einiger Verkäufe nach wie vor zu den bedeutendsten europäischen Privatgalerien. Die meisten Bilder stammen aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Zu den bekanntesten der hier vertretenen Maler zählen Francesco Solimena, Pieter Brueghel d. J., Luca Giordano und Anton van Dyck. Das wichtigste Einzelwerk ist wohl das um 1530 vom Meister der weiblichen Halbfiguren gemalte Konzert. Gründer der Sammlung war Ferdinand Bonaventura Graf Harrach, der von 1673 bis 1676 kaiserlicher Botschafter in Madrid war und dort den Grundstock der Sammlung erwarb. Sein Sohn Aloys Thomas setzte als Vizekönig von Neapel die Ankäufe fort. Auch dessen Sohn, Graf Friedrich August, war ein eifriger Kunstsammler. Als Obersthofmeister der Erzherzogin Maria Elisabeth gelang es ihm in der ersten Hälfte des 18. Jh. in Brüssel die Galerie mit flämischen und holländischen Meisterwerken zu bereichern. Im 19. Jh. wandte Graf Johann Nepomuk Ernst sein Interesse der italienischen Renaissance zu, nachdem um die Mitte des 18. Jh. Graf Ernst Guido eine Anzahl römischer Werke erworben hatte. Franz Ernst Graf Harrach machte die Sammlung 1850 im Wiener Palais erstmals der Öffentlichkeit zugänglich. Die großen Räume des Wirtschaftshofes werden mittlerweile ebenfalls kulturell genutzt. Sie stehen für Ausstellungen und andere Veranstaltungen zur Verfügung und können gemietet werden. Ein großer Saal im ehemaligen Ballhaus bietet Platz für 140 Personen.

Schloss Rohrau liegt in einer Parklandschaft unweit der Leitha am Südende der Gemeinde Rohrau. Obwohl die Gräben längst trocken gelegt wurden, ist das ehemalige Wasserschloss im Grundriss noch zu erkennen. Die relativ große spätbarocke Anlage besteht aus dem eigentlichen Wohnschloss und dem vorgelagerten dreiflügeligen Wirtschaftshof. Seitlich der kreuzgratgewölbten Einfahrt ist an einem der Wirtschaftstrakte in einer Nische ein Wandbrunnen mit einer Maske als Wasserspeier angebracht. Die vier zweigeschossigen Trakte des Wohnschlosses umschließen einen großen, fast quadratischen Innenhof. Die Mittel- und Eckrisalite sind nur angedeutet und treten kaum in Erscheinung, so dass das Gebäude einen sehr geschlossenen Eindruck macht. Die frühklassizistische Fassade ist eines der wenigen Beispiele josephinischer Schlossarchitektur in Österreich. Über den horizontalen Putzbändern des Erdgeschosses sind die Fassaden im Obergeschoß vertikal durch Lisenen und Pilastern gegliedert. Die Fensterrahmen sind mit Festons und Schuppenbänder geschmückt. Besonders betont ist das Hauptportal. Eine malerische Steinbrücke, deren aufgesetzte Pfeiler barocke Steinvasen tragen, führt von den Wirtschaftsgebäuden über den einstigen Wassergraben zum ebenerdigen Torvorbau. Er bildet eine, von einer Balustrade begrenzte Altane, auf die im ersten Stock eine ornamentierte Tür führt. Oberhalb ihres Sturzes prangt das mit 1722 bezeichnete Harrachwappen zwischen zwei Steinurnen. Die Balkontür wird von je zwei Dreiviertelsäulen flankiert. In der Mitte des Giebelaufsatzes ist eine große Uhr angebracht.

Das einfache Rundbogentor führt in den Innenhof. In seiner Mitte liegt ein barocker Brunnen. Im Kellermauerwerk wurden Quader der mittelalterlichen Burg wieder verwendet. Ein repräsentatives Treppenhaus führt von der Durchfahrt in den ersten Stock. Hier hängen einige großformatige Portraits berühmter Persönlichkeiten aus dem Haus Harrach. Die eigentliche Galerie ist jedoch in zehn Räumen der Beletage untergebracht. Sie wirken mit ihrer gepflegten Möblierung nicht museal, sondern wie eine bewohnte herrschaftliche Residenz. Die beim Umbau von 1776/77 neu gestaltete Kapelle in der Südwestecke des Gebäudes birgt den „Rohrauer Altar“, einen Flügelaltar aus dem 16. Jh. Er ist das Werk eines unbekannten Antwerpener Künstlers. Die flache Kuppel des kleinen Sakralraumes ist mit zartem Deckenstuck versehen. Der schönste Raum des Schlosses ist der prächtige Haydn-Saal, der mit einer Büste des Komponisten von Antonio Grassi daran erinnert, dass dessen Eltern im Dienste der Familie Harrach standen und er selbst in einem bescheidenen Haus des Ortes geboren wurde. Er hatte diese Büste der Familie Harrach testamentarisch vermacht. Im Gelben Gang hängen u. a. fünf Schlachtenbilder des flämischen Malers Pieter Snayers, die Belagerungen aus dem Dreißigjährigen Krieg darstellen und wegen ihrer Genauigkeit wichtige Zeitdokumente darstellen. Außer den Gemälden sind in den Sälen und Salons auch die ausgestellten Möbel sowie die Harrach-Gläser aus den familieneigenen Glasbläsereien in Böhmen sehenswert. Das Schloss ist von einem großen Park umgeben, der in den Auwald des Leithaflusses übergeht.

Lage: Niederösterreich/Bezirk Bruck/Leitha - ca. 9 km nordöstlich von Bruck/Leitha

Besichtigung: Die Bildergalerie ist von Ostern bis 1. November täglich (außer Montag) zwischen 10.00 und 17.00 geöffnet.

Homepage: http://harrach.nwy.at


Weitere Literatur:


21.11.2007