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Thaurer Schloss


Zwar ist eine prähistorische Besiedlung von Thaur durch ein Urnengräberfeld aus der späteren Bronzezeit nachgewiesen, doch gingen die Historiker des 19. Jahrhunderts zu weit, als sie die Anfänge der Burg ebenfalls in die graue Vorzeit datierten oder zumindest bei den Römern ansiedelten. Auch bei den ersten Herren von Thaur handelt es sich keineswegs um die Stammväter der Andechser, wie damals vermutet wurde. Immerhin wird das Gebiet um Thaur 827 erstmals in einer Schenkungsurkunde erwähnt. Seine Bedeutung beruhte auf den Solequellen, die damals längst bekannt waren. In Thaur befand sich auch ein Stapelplatz für das gewonnene Salz. Der genaue Zeitpunkt der Errichtung der Burg ist nicht bekannt, doch dürfte dieser gegen Ende des 12 Jahrhunderts anzusetzen sein. Bauherren dürften die Grafen von Andechs gewesen sein. Burg und Saline Thaur scheinen 1232 erstmals urkundlich auf. Sie befanden sich damals im Besitz des Grafen Albert III von Tirol. Sowohl der von ihm eingesetzte Amtmann als auch sein Kämmerer wohnten aber nicht auf der Burg, sondern im Ort. Nach Alberts Tod erbte sein Schwiegersohn, Graf Gebhard von Hirschberg, das Inntal. Thaur wurde zu einem seiner Hauptstützpunkte. 1284 übernahm Graf Meinhard II von Görz den tirolischen Besitz der Hirschberger. Thaur dürfte aber schon einige Jahre zuvor unter seinen Einfluss gekommen sein. Der hier sitzende Heinrich von Thaur war mit einer unehelichen Tochter Meinhards verheiratet. Thaur blieb bis zu seinem Verfall immer landesfürstlich und fungierte als Gerichtssitz. 1305 wurde der Wohntrakt der Burg erneuert.

Seit 1314 scheinen die „camerarii“ (Kämmerer) von Thaur als eigenständige Familie auf. Sie stellten die Burggrafen von Thaur, übten das Kämmereramt aber nicht mehr aus. Ab 1340 wurde Thaur durch die Landesfürsten häufig verpfändet. Als 1348 in den Tiroler Städten die Pest wütete, zogen sich Margarethe Maultasch und ihr zweiter Gatte, Ludwig von Brandenburg, hierher zurück. Da sich der Pfandherr Hans von Ems 1423 dem gegen Herzog Friedrich IV gerichteten Adelsbund anschloss, löste dieser die Pfandherrschaft wieder ein, was Hans von Ems nicht akzeptieren wollte. Daraufhin besetzte Friedrich dessen bei Matrei gelegene Eigengüter. Der Streit konnte erst 1427 beigelegt werden. Erzherzog Sigmund „der Münzreiche“ lebte als zwölfjähriger Knabe ein halbes Jahr auf Thaur, ehe ihn sein Onkel Kaiser Friedrich III 1448 nach Wiener Neustadt holte. Sowohl Sigmund als auch Kaiser Maximilian I nützten später die Burg als Jagdschloss. Beide investierten relativ hohe Summen in ihren Ausbau, wobei bereits großer Wert auf Komfort gelegt wurde. Die Anzahl der Wohnräume wurde erhöht, ein großer Saal errichtet und die Wirtschaftsgebäude erweitert. Sigmund gilt auch als Erbauer der Barbakane, einem Verteidigungsbauwerk, das man ansonsten in Tirol kaum antrifft. Auf Thaur wurden nun meist Pfleger eingesetzt, die aber gewöhnlich nur wenige Jahre ihr Amt ausübten. Zu ihnen gehörte 1505 Herzog Erich von Braunschweig, einer der fähigsten Heerführer Kaiser Maximilians I.

1511 wurde die Herrschaft an die Stadt Hall verpfändet. Zu diesem Zeitpunkt war der Bauzustand der Feste bereits sehr schlecht, was sich auch in den folgenden Jahren nicht änderte. Vier Jahre später war Margarete von Edelsheim, eine illegitime Tochter Kaiser Maximilians, Burgherrin. Ihr zweiter Gatte, Graf Ludwig Helfrich zu Helfenstein, übergab die Pfandherrschaft für neun Jahre wieder an die Stadt Hall, da er in Schwaben und Württemberg die aufständischen Bauern bekämpfte, wobei er schließlich den Tod fand. 1525 brach ein von rebellierenden Bauern verursachte Brand in der Burg aus, der große Schäden verursachte. 1537 brannte die Geschützkammer aus und musste bis 1542 neu eingerichtet werden. Die häufig witterungsbedingten Schäden an den Gebäuden wurden aber bald kaum mehr behoben. Nachdem bereits 1550 die Schlossbrücke eingestürzt war, brach 1578 das Küchengewölbe zusammen. Auch die gesamte Ringmauer war bereits baufällig. Anna Katharina Gonzaga von Mantua, die zweite Gattin Erzherzogs Ferdinand II, war die letzte fürstliche Person, die 1592 zumindest kurzzeitig hier wohnte und einige Reparaturarbeiten vornehmen ließ. Bald danach wurde das Burgschloss endgültig dem Verfall überlassen. Seit 1616 wohnten auch die Pfleger nicht mehr hier. Das Gefängnis blieb aber weiter bis 1684 in Verwendung. Eine Erdbebenserie im Sommer 1670 machte die Burg weitgehend zur Ruine. Die Herrschaft Thaur wurde im 17. Jahrhundert an häufig wechselnde Pfandherren vergeben. Der letzte von ihnen, Franz Andre Wenzel von Sternbach, erhielt 1744 die Herrschaft als Lehen. 1967 erwarb Dr. Bernhard von Liphart den Grundbesitz mit der Ruine. Sie gehört ihm noch heute. Im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts veranlasste die Thaurer Schützenkompanie die Sicherung der noch vorhandenen Mauerreste. Seither werden diese gepflegt.

Mit einer Grundfläche von ca. 3.000 m² zählte das Thaurer Schloss zu den flächenmäßig größten, aber auch stärksten Burgen des Inntales. Die Ruine liegt etwa 100 Meter über dem Talboden nördlich des gleichnamigen Dorfes. Der im Nordwesten gelegene Zugang war durch eine Barbakane gesichert. Sie ist heute der am besten erhaltene Bauteil der Anlage. Der Torbau ist aus behauenem Nagelfluhgestein errichtet. Ihm war ein Graben vorgelagert, über den eine Zugbrücke führte. Die bis zu 2,3 m dicken Bruchsteinmauern der Barbakane waren einst weiß verputzt. Sie werden durch mehrere Schießnischen unterbrochen. Zwischen der Barbakane und der östlich davon gelegenen Hochburg verlief ein heute weitgehend aufgefüllter Halsgraben. Er wird von zwei weiten Rundbögen überbrückt, die die beiden Bauten verbanden. Über den beiden Bögen erkennt man noch die Balkenlöcher eines ehemaligen Wehrganges. Der talseitige Bogen mündet in einen Rundturm, dessen Außenmauern teilweise noch bis in die Höhe des ersten Stocks erhalten sind. Ältester Teil der Anlage ist der innere Bering, von dem aber nur mehr geringe Mauerreste vorhanden sind. An der Nordseite steht noch eine etwa 5 m hohe und 1,5 m dicke Mauer. Der sog. Burggrafenturm am Steilhang hinter dem Torturm stand ursprünglich außerhalb des Berings. Er wurde später zu einem Torturm umfunktioniert. In ihm ist noch das spitzbogige Tor zu sehen, das einst durch eine Brücke mit der Barbakane verbunden war. Die übrigen Mauerreste sind zu gering, um sie bestimmten Gebäuden zuordnen zu können. Wie man alten Bauabrechnungen entnehmen kann, führte bereits im 14. Jahrhundert eine Wasserleitung in die Burg, doch war sie besonders reparaturanfällig. Sie ist heute ebenso verschwunden, wie der Ziehbrunnen, der die Wasserversorgung ergänzte.

Lage: Tirol/Mittleres Inntal – ca. 3 km nordwestlich von Hall

Besichtigung: ganzjährig frei zugänglich


Weitere Literatur:


11.11.2007