Das Dorf Engelstein wird unter der Bezeichnung „Engelgoz“ 1234 erstmals erwähnt. Der Name bezieht sich jedoch auf keine Engel, sondern auf einen Herrn Ingilo oder auch Engilgoz, der einst hier saß und ein Lehensmann der Kuenringer war. Von einer Burg war aber damals noch keine Rede. Diese scheint erst um 1417 urkundlich auf, dürfte aber wohl deutlich älter sein. Vermutlich befand sich an ihrer Stelle zuvor ein einfacher Wachtturm, der die daneben liegende Kreuzung zweier Fernstraßen schützen sollte. Nach der Zerstörung der Burg Hadmarstein auf dem benachbarten Johannisberg dürfte der Turm zu Engelstein in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zur Wasserburg ausgebaut worden sein. 1417 wird Georg von Klingen als Besitzer genannt. Wenige Jahre danach stellte die Familie Schaller, die sich als Burggrafen von Weitra bewährt hatte, auch hier den Burgherrn. Der Ritter Kaspar Schaller wurde 1442 von Reinprecht von Wallsee, dessen Familie die Nachfolge der Kuenringer angetreten hatte, mit der Herrschaft belehnt. Vinzenz Schaller verkaufte diese gegen Ende des 15. Jahrhunderts an Hans Zeller. Die Lehenshoheit war bereits um 1480 an die jeweiligen Landesfürsten gefallen. 1531 übernahm Benedikt Schaul die noch mittelalterliche Feste und begann sie im Renaissancestil auszubauen und zu modernisieren. Die nachfolgenden Brüder Ladislaus, Hans und Andreas von Prag, Freiherren von Windhag, setzten den aufwändigen Umbau fort und gaben der Hauptburg ihre heutige Gestalt. Der Palas wurde aufgestockt und sein Inneres neu eingerichtet. Die Baukosten waren jedoch so enorm, dass die Herrschaft bald schwer verschuldet war und gegen Ende des 16. Jahrhunderts von den Ständen eingezogen wurde.
1616 wurde sie an Hans Kalchgruber verkauft, der sie zwei Jahre später seinem Schwiegersohn Nikolaus von Gurland überließ. 1619 stürmten kaiserliche Truppen das Schloss und plünderten es. Auch die Bauern der Umgebung hatten schwer zu leiden. 1630 wird Lazarus Parfuß als Herrschaftsinhaber genannt. Nach seinem Tod folgten 1656 die Brüder Georg Adam und Hans Ernst von Mühlwang. 1681 verkauften sie die mittlerweile durch Zukäufe deutlich vergrößerte Herrschaft an Adam Anton Graf Grundemann, der Engelstein mit zwei weiteren, neu erworbenen Gütern vereinigte. Die Familie Grundemann behielt das Schloss 150 Jahre lang. In dieser Zeit fanden weitere Um- und Ausbauten statt, die sich aber nicht auf die Kernburg sondern auf die anschließenden Wohngebäude der Vorburg bezogen. 1806 kam Engelstein an die Freiherren von Geusau, die es bis 1916 besaßen. Karl Freiherr von Geusau ließ zwischen 1810 und 1839 den großen Wirtschaftshof ausbauen und die Vorburg wohnlich einrichten. Er gab auch die Umwandlung der alten Rüstkammer in einen musealen Waffensaal in Auftrag. Danach erwarb Adolf Lewin das Schloss, wurde jedoch 1938 enteignet. Mittlerweile dürften große Teile des einstigen Herrschaftsbesitzes verkauft worden sein. Engelstein wurde von der Deutschen Ansiedlungsgenossenschaft übernommen, aber bald an Baron Kloss verkauft. 1964 erwarb der Industrielle Erich Meinl das im und nach dem Zweiten Weltkrieg geplünderte und verwahrloste Schloss. Der Versuch, es durch einen Pensionsbetrieb und eine Reitschule zu beleben, wurde bald wieder aufgegeben. Derzeit ist Engelstein im Besitz des Tierarztes Andreas Meinl. Die Anlage macht einen äußerst ungepflegten Eindruck. Vor allem die unbewohnte Kernburg entwickelt sich zu einem Sorgenkind der Denkmalpflege. Eine durchgreifende Restaurierung, die aber beträchtliche Mittel erfordern würde, könnte aus Schloss Engelstein wieder ein Juwel des Waldviertels machen.
Trotz oder gerade auf Grund seines schlechten Erhaltungszustandes übt Engelstein einen eigenen Reiz auf die Besucher aus. Man fühlt sich in ein anderes Jahrhundert versetzt. Das malerische Burgschloss liegt auf einem niedrigen Granitfelsen im Westteil der gleichnamigen Gemeinde. Mehrere Teiche schützten die Feste an drei Seiten. Sie sind heute noch weitgehend vorhanden. Lediglich die Südostseite war für einen Angriff gut geeignet. Daher wurde hier der nur ca. 32 x 20 m großen Kernburg eine ausgedehnte Vorburg vorgelagert, an die im Süden ausgedehnte Wirtschaftsbereiche anschließen. Die unregelmäßige Gestalt der Hochburg ist dem Felskopf angepasst, auf dem sie sich erhebt. Ihr Bering ist besonders im Süden und Südosten, wo der viergeschossige rechteckige Palas liegt, bis zu 3 m stark. Die Mauern bestehen aus sorgfältig geschichteten Bruchsteinen. Dieser Wohntrakt ist unterkellert. Im Inneren finden sich sowohl spätgotische als auch Renaissance-Türen. Die Fenster sind ebenfalls reich dekoriert. Das Erdgeschoß ist mit einem Tonnengewölbe versehen. Unter den Freiherren von Geusau wurde in den Jahren vor 1839 im ersten Obergeschoß ein Theatersaal eingerichtet. Er ist mit Landschaftsmalereien geschmückt. Der große „Rittersaal“ im zweiten Obergeschoß ist flach gedeckt. Seine prächtige Renaissance-Kassettendecke wurde 1882 an Baron Nathaniel Rothschild verkauft, der sie im Speisesaal seines Schlosses Enzersfeld einbauen ließ. An der Außenseite des „Rittersaales“ zeigen die prunkvollen Fensterrahmen dreier Renaissancefenster die Jahreszahl 1541. Oberhalb des „Rittersaales“ liegt der sog. Knappensaal, der mit interessanten Wandmalereien friestragender Karyatiden aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts geschmückt ist. Seine Deckengestaltung sowie die Gesimsbemalung sind jedoch 1910 durch einen Brand weitgehend verloren gegangen.
Aus Feuerschutzgründen wurde die Küche in einem eigenen Gebäude im Nordwestteil des inneren Burghofes untergebracht. Ein qualitätvolles Baudetail ist die östlich an die Küche angrenzende spätgotische Schneckenstiege. Durch den Einbau von flachbogigen Arkaden auf starken achteckigen Pfeilern wurde der ohnehin nicht besonders große Hof weiter verkleinert. Sie sind Teil des Renaissanceumbaues und sollten die Erreichbarkeit der Innenräume verbessern. Die Wände des Hofes sowie die Arkaden waren bunt bemalt, doch sind die Farben schon stark verblasst. Auch die Sgraffitoreste an den Arkaden weisen auf eine einst reiche malerische Ausstattung hin. Der im Westen vorspringende viergeschossige Bau dürfte wohl in erster Linie Speicherzwecken gedient haben. Im Burghof befindet sich ein Brunnen, der aus dem Fels herausgeschlagen werden musste. Die Nordostecke der Kernburg wird vom vorspringenden quadratischen Bergfried bestimmt. Zu seinen Aufgaben zählte auch der Schutz des daneben liegenden Tores. Seine nicht besonders starken Mauern deuten aber darauf hin, dass zur Zeit seiner Erbauung bereits das Repräsentationsbedürfnis jenes der Wehrhaftigkeit überwog. Mit einer Höhe von etwa 20 m und einer Seitenlänge von lediglich 6,5 m wirkt der Bergfried relativ schlank. Seine 2 m dicken Mauern lassen im Inneren nur wenig Raum. Ursprünglich besaß er eine von Zinnen begrenzte Wehrplattform, doch wurde er bereits beim Renaissanceumbau aufgestockt und mit einem Zeltdach versehen. Das von der Vorburg in die Hauptburg führende spitzbogige Tor war zusätzlich durch einen Graben gesichert, über den eine Zugbrücke führte.
Die der Hl. Maria gewidmete Schlosskapelle liegt in der Nordostecke der rechteckigen Vorburg und ist von außen an ihrer halbrund vorspringenden Apsis erkenntlich. Über ihr befinden sich zwei weitere Geschosse, die vermutlich zum Aufstellen von Kanonen dienten. Sie werden von einem viereckigen Türmchen überragt. Der barocke Hochaltar birgt eine gotische Schnitzfigur, die Maria mit dem Kinde darstellt. Sie stammt aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. Die ursprünglich mittelalterliche Kapelle wurde zwischen 1630 und 1656 neu eingerichtet, aber im 19. Jahrhundert umgebaut. Zwischen ihr und dem Tor zur Kernburg stand ein weiterer Turm, der um die Mitte des 20. Jahrhunderts wegen Baufälligkeit abgetragen wurde. Interessant ist, dass die hofseitige Mauer des Osttraktes der Vorburg mit 1,5 m deutlich stärker ist, als seine Außenmauer, was darauf hindeutet, dass dieser zweigeschossige Wohntrakt außen, im Zwingerbereich, an die mittelalterliche Hofmauer angebaut wurde. Im Gegensatz zur leer stehenden Hauptburg wird er heute noch bewohnt. Das Dachbodengeschoß des Osttraktes weist an seiner Außenseite eine Reihe von Schlüsselscharten auf. Zwischen Vorburg und dem anschließenden Wirtschaftshof befindet sich im Südflügel ein rundbogiges Tor, das einst ebenfalls durch eine Zugbrücke gesichert war. Rechts daneben springt ein auf Konsolen gestützter spätgotischer Flacherker vor. Links davon führt ein Eisengittertor in den Schlosspark hinunter. Die zahlreichen Fenster der Südfront sind meist noch mit spätgotischen Gewänden versehen. Eine weitere Toranlage schließt den Wirtschaftsbereich nach außen ab, doch muss es auch hier umfangreiche Bauten gegeben haben, wie die noch stehende Außenmauer eines gewaltigen Meierhofes beweist.
Lage: Niederösterreich/Waldviertel – ca. 9 km südöstlich von Weitra
Besichtigung: meist nur von außen möglich
Weitere Literatur:
04.11.2007