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Tulbing


Nur mehr die Bezeichnung „Schlossberg“ weist darauf hin, dass hier einst eine Burg der Passauer Bischöfe stand. Sie wurde 1590 durch ein Erdbeben zerstört und danach nicht mehr aufgebaut. Ihre Mauersteine wurden 1626 beim Bau des Tullner Kapuzinerklosters neuerlich verwendet. Ein einziger großer Stein blieb erhalten. Das heutige Schloss ist jedoch unabhängig von der Burg aus einem Wirtschaftshof des Klosters Seitenstetten entstanden. Dieses hatte schon bei seiner Gründung im Jahr 1109 ein Eigengut „zu Tulpingun“ vom Edelfreien Udalschalch von Stille und Heft als Dotation erhalten. Als nach 1683 die Türkengefahr in Niederösterreich endgültig gebannt war, ließ Seitenstetten seinen bis dahin recht einfachen Hof zum „Freihof Mönchshof“ ausbauen. Im zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts ließ der auch ansonsten recht baufreudige Abt Paul de Vitsch das Herrenhaus repräsentativ ausgestalten. Als Abt Kolumban Zehetner 1826 den Edelhof versteigern ließ, erhielt der Wiener Hofjuwelier Josef Wieser den Zuschlag. Die nächsten Eigentümer waren 1842 der kaiserliche Kämmerer August Freiherr von Thysebaert und danach der bürgerliche Schneidermeister Johann Kohaun aus Wien. 1861 gelangte der Bau an den Bankier Alois Männer, der ihn zum Schlösschen ausbauen ließ. Der Börsenkrach von 1873 brachte auch ihn in ernste finanzielle Schwierigkeiten. Ignaz Pollak ersteigerte das Gut, verkaufte es aber bereits 1879 an den Fürsten Georg Maurocordato. Dieser vertrat die k. u. k. Monarchie als Diplomat in Paris und ließ in seiner Abwesenheit in Tulbing Rebhühner züchten. Maurocordato stellte das Schloss seiner Gattin Irene, eine geborene Freiin von Sina, zur Verfügung und ließ es neu einrichten. Seine Frau konnte jedoch krankheitshalber ihren neuen Wohnsitz nie beziehen. Nach 1894 hatte das Schloss häufig wechselnde Eigentümer. Darunter befand sich auch Kammersänger Hubert Leuer, der mit der Opernsängerin Berta Kiurina verheiratet war. Das gepflegte Schloss befindet sich seither in Privatbesitz. Die gegenwärtigen Eigentümer betreiben auf dem Gelände eine Reitanlage sowie ein Restaurant.

Das von einer Mauer umgebene Schloss liegt an der südwestlichen Ortsausfahrt von Tulbing. Hinter dem Gebäude erstrecken sich die Reste eines einst wesentlich größeren Parks. Vom Parkschmuck des 19. Jahrhunderts hat sich die Statue einer griechischen Göttin erhalten. Das zweigeschossige elegante Hauptgebäude hat einen hakenförmigen Grundriss. Die elfachsige Hauptfassade ist nach Osten gerichtet. Sie erinnert an die Schulbauten aus der Zeit um 1865, doch ist der dreiachsige Mittelteil repräsentativ gestaltet. Er zeigt ein aufgesetztes Dachgeschoß, dessen vier Rundbogenfenster von Pilastern flankiert werden. Es wird von einer Säulenbalustrade abgeschlossen, die in ihrer Mitte von einem Rundgiebel mit Uhr unterbrochen ist. Unter dem vorspringendem Walmdach läuft ein Zahnschnittfries um das Gebäude. Dem ostseitigen Eingang ist ein Wintergarten vorgebaut. Er trägt eine Veranda, die ein hübsches gusseisernes Abschlussgitter aufweist. Sowohl der Mittelteil, als auch die beiden einachsigen Seitenrisalite werden durch Ortsteinquaderungen betont, treten aber aus der Fassade nicht vor. Erdgeschoß und erster Stock werden durch ein profiliertes Gesims optisch getrennt. Während die Erdgeschoßfenster recht schlicht gehalten und hofseitig größtenteils vermauert sind, hat man die deutlich höheren Obergeschoßfenster wesentlich reicher gestaltet. Sie weisen gerade und dreieckige Verdachungen auf. An das Schloss schließt ein einst ebenerdiges Stallgebäude an, das im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts aufgestockt wurde.

Lage: Niederösterreich/Tullnerfeld – ca. 8 km südöstlich von Tulln

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


22.10.2007