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Waidhofen/Ybbs - Rothschildschloss


Die Grafen von Peilstein, die die Gegend um Waidhofen bereits im 11. Jahrhundert kolonisiert hatten, nutzten im 12. Jahrhundert den Zwickel zwischen Ybbs und Schwarzbach zum Bau einer Burg. Diese lag auf einem niederen Felsen. Sie war durch die beiden Flüsse bestens geschützt und musste nur an der Südseite durch einen Halsgraben zusätzlich befestigt werden. Der Name Waidhofen weist auf einen „Waidhof“, also auf einen ehemaligen Jagdhof hin. Um 1160 scheint ein „Wicpot de Waidhouen“ als Burggraf auf. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts meldeten die Bischöfe von Freising Ansprüche auf Waidhofen an. Sie konnten diese aber erst nach dem Aussterben der Peilsteiner 1218 durchsetzen. Zwischen 1258 und 1279 ließ Bischof Konrad II die Stadtbefestigung, in der die Burg eine wichtige Rolle spielte, erneuern. 1316 wird in Waidhofen erstmals ein castrum erwähnt. Als die Burg Konradsheim, die dem Bistum als Verwaltungssitz diente, 1360 von Herzog Rudolf IV erobert und niedergebrannt wurde, übersiedelten die bischöflichen Pfleger, aber auch das Landgericht, in die Stadtburg. 1407 ließ sie Bischof Berthold von Wehingen deutlich ausbauen. Die Herrschaft wurde immer von Pflegern verwaltet und nie verpfändet oder verliehen. Im 15. Jahrhundert hatten die Eytzinger die Pflegschaft inne. 1515 richtete ein Brand größere Schäden an, ebenso 1571. Bis zu seiner Säkularisierung im Jahr 1803 blieb das Bistum Freising im Besitz der Burg.

Das Gebäude wurde danach nicht mehr gepflegt und kaum noch genutzt. Der staatliche Cameralfonds übernahm die Verwaltung. 1822 war die Burg bereits so ruinös, dass die Kanzlei in ein Stadthaus übersiedeln musste. 1840 wurden die ärgsten Schäden behoben. 1848 schüttete man den ehemaligen Stadtgraben zwischen Pfarrkirche und Burg zu. Schließlich wurde die Herrschaft an private Interessenten verkauft. 1875 kaufte Albert Freiherr von Rothschild den Besitz, zu dem immer noch ausgedehnte Wälder gehörten. Er beauftragte den Wiener Dombaumeister Friedrich Schmidt mit der Erneuerung des Schlosses, die in den Jahren 1885 bis 1888 im Sinne des Historismus ziemlich radikal durchgeführt wurde. Es kam zu einem weitreichenden Verlust der mittelalterlichen Bausubstanz. 1938 wurde die Familie Rothschild enteignet. 1949 verzichtete Freiherr Louis von Rothschild auf das zurückerstattete Schloss und übertrug es der Republik Österreich. Diese richtete noch im selben Jahr eine Bundesforstschule darin ein. 2002 erwarb die Stadt Waidhofen das Schloss. Nach einer gründlichen Renovierung ist es derzeit einer der beiden Schauplätze der Niederösterreichischen Landesausstellung 2007 „Feuer und Erde“. Im nächsten Jahr wird hier das Stadtmuseum sowie das Standesamt untergebracht werden. Die ehemalige Bibliothek des Barons Rothschild diente schon in den letzten Jahren als Trauungssaal. Im Kanzleibau, dem „Stöckl“, befindet sich ein Schlossrestaurant.

Das vorwiegend neugotische Schloss liegt an der Nordspitze der Oberstadt. Bedingt durch den Zusammenfluss der beiden Flüsse hat sie einen dreieckigen Grundriss. Zum Schloss führen zwei, Ende des 19. Jahrhunderts erbaute Brücken, von denen eine mit einer Schleusenanlage versehen ist. Hier befand sich der alte Aufgang zur Burg. An der Nordecke des Dreiecks steht der mächtige gotische Bergfried, dessen unterer Bereich auf das 14. Jahrhundert zurückgeht. Er sollte die einstige Zufahrt über den Schwarzbach decken. Dieser rechteckige Turm hat eine Grundfläche von 11 x 9 m. Sein Inneres war über einen Hocheinstieg an der hofseitigen Mauer zugänglich. Es weist neun tonnengewölbte Stockwerke auf, die durch eine in der 4 m starken Ostmauer eingebaute Steintreppe verbunden sind. Die übrigen Bruchstein-Mauern sind lediglich 2,5 m dick. Der obere Abschluss stammt aus den Jahren 1881/88. Kräftige vorkragende Konsolsteine tragen in der Höhe des 7. Geschosses einen offenen Umgang. Dahinter erhebt sich ein etwas kleinerer Aufbau. Dieser wurde von einem romantisch erneuerten Zinnenkranz abgeschlossen, der eine Wehrplatte begrenzte. Am Vischer-Stich von 1672 ist anstelle der Plattform ein spitzes Pyramidendach zu sehen. Der Bergfried war bisher ca. 33 m hoch, doch hat man ihm anlässlich der heurigen Landesausstellung unverständlicher Weise einen völlig unpassenden Glaskobel aufgesetzt. Das Turminnere wird nur durch wenige schmale Lichtschlitze beleuchtet. Außer dem Bergfried und einem Stück der Ringmauer hat sich von der alten Burg nichts erhalten. Der stadtseitige Zugang zum Schloss erfolgt durch eine stattliche Toranlage, die aber aus dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts stammt und ein typisches Werk des Historismus ist. Neben dem Torhaus steht der Verwaltungsbau aus dem Jahr 1840.

Der einstige gotische Palas lag an der Ostseite über dem Ybbs-Ufer. An seiner Stelle erstreckt sich heute das 64 m lange, hakenförmige Wohnschloss. Es geht auf das 14. Jahrhundert zurück, wurde aber von Friedrich Schmidt kräftig überarbeitet. Die großen Dachflächen werden durch dekorative Dachhäuschen und Rauchfänge aufgelockert. Hofseitig zeigt das Gebäude in beiden Geschossen Arkadengänge, die ebenfalls der Dombaumeister geplant hatte. Die elf Bögen sind im Erdgeschoß spitz- und im ersten Stock rundbogig. Sie ruhen auf gemauerten Rechteckpfeilern. Der Bau wird von zwei Treppengiebeln an den Schmalseiten begrenzt. Die viergeschossige Front an der Ybbs wird durch einen kleinen viereckigen Eckturm mit spitzem Ziegeldach aus dem Spätmittelalter und einem Vorbau mit Söller aus dem 19. Jahrhundert belebt. Im unteren Bereich der Fassade sind einige vermauerte gotische Schlitzfenster zu erkennen. Aus der ehemaligen Schlosskapelle hat sich eine spitzbogige Laibung mit Freskenresten aus der Zeit um 1407 erhalten. Sie wurde im Treppenhaus des Schlosses eingebaut. Die Kapelle war im Erdgeschoß des Südtraktes eingerichtet, doch stürzte deren erkerartig vorstehende Apsis in den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts ab. Die Repräsentationsräume des Barons Rothschild befanden sich im Erdgeschoß, seine privaten Wohnräume lagen im ersten Stock. Im Erdgeschoß hat sich ein prächtiger Marmorkamin der französischen Spätrenaissance erhalten. Im Osten schließt an das Wohngebäude der ehemalige Schlosspark an. Möglicherweise befand sich an seiner Stelle einst die Vorburg oder ein Meierhof. Hier findet man noch Reste der Wehrmauer aus dem 13./14. Jahrhundert, die damals die Freisinger Stadtburg umgab.

Lage: Niederösterreich/Eisenwurzen – ca. 25 km südlich von Amstetten

Besichtigung: 2007 findet hier die diesjährige Landesausstellung statt. Danach wird das Stadtmuseum im Schloss untergebracht.


Weitere Literatur:


12.09.2007