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Palais Strattmann-Windischgraetz


Im Mittelalter standen an der Stelle des heutigen Palais mehrere kleine Häuser. 1370 befand sich eines davon im Besitz der Brüder Hermann, Heinrich und Jörg von Kranichberg. Danach ging es in bürgerlichen Besitz über. Im 16. Jahrhundert gewann das Herrengassenviertel beim höheren und niederen Adel größere Beliebtheit. Als nach der erfolgreichen Beendigung der zweiten Türkenbelagerung Wiens die Türkengefahr endgültig gebannt war, errichteten viele Adelige neue Paläste. Auch der kaiserliche Hofkanzler Theodor Althet Heinrich Graf Strattmann wollte sich nahe der Hofburg ein standesgemäßes Domizil schaffen. Er erwarb 1689 das gräfliche Sinzendorf’sche Freihaus sowie zwei kleine Bürgerhäuser in der damaligen vorderen Schenkenstraße, der heutigen Bankgasse. Als er 1692 auch das Freihaus des Grafen Althan kaufen konnte, ließ er bis 1694, vermutlich durch Johann Bernhard Fischer von Erlach, an ihrer Stelle ein neues barockes Stadtpalais (Bankgasse 6) errichten und dieses in den Familien-Fideikommiß einbringen. Entwürfe für die Innenausstattung lieferte Domenico Martinelli. Nach dem Tode des Bauherrn im Jahre 1693 erben es hintereinander seine drei Söhne, die aber alle ohne männliche Nachkommen starben. Von der Erbin Eleonore Magdalena Gräfin Batthyány erwarb Leopold Graf Windischgraetz 1728 das Palais. Leopold Graf Nádasdy, der Leiter der Ungarischen Hofkanzlei, veranlasste 1747 den Ankauf des Palais von der Familie Windischgraetz und eine Renovierung des Gebäudes. Sein alter Amtssitz im ehemaligen Zwölferischen Haus am Fleischmarkt war längst zu klein geworden und wurde nicht mehr als standesgemäß betrachtet. Verkäuferin war Maria Ernestina Gräfin Windischgraetz als Mutter und Vormund des minderjährigen Joseph Graf Windischgraetz.

Das Palais in der Schenkenstraße diente Nádasdy nun als repräsentative Wohnung und der Ungarischen Hofkanzlei als Büro. Die großen niederländischen Tapisserien des Paradezimmers waren im Palais verblieben. Ansonsten musste es neu eingerichtet werden. Der Italiener Pietro Orsatti wurde mit der Stuckrestaurierung des Hauptstiegenhauses beauftragt. Ansonsten hielten sich die Investitionen vorerst in Grenzen. Auf Leopold Graf Nádasdy folgte Nikolaus Graf Pálffy, der aber nicht hier wohnte, sondern sein eigenes Palais bevorzugte. Ein größerer Umbau erfolgte erst 1766/67 unter dem nächsten ungarischen Hofkanzler Franz Graf Esterházy. Der Architekt Nikolaus Pacassi veränderte dabei die Fassaden grundlegend, wobei er den damals modernen Zopfstil bevorzugte. Im Inneren wurde die doppelläufige Prunktreppe durch ein einläufiges Treppenhaus ersetzt. Die Beletage wurde prunkvoll ausgestattet. Möbeln und Tapisserien wurden von der Fürstin Esterházy angekauft. Die Kosten wurden zum Teil von der Kaiserin Maria Theresia übernommen, die damit ihre Dankbarkeit für die Unterstützung der ungarischen Adeligen im Kampf um ihr Erbe zum Ausdruck bringen wollte. Auf diese Bauarbeiten bezieht sich die lateinische Inschrift mit dem Chronogramm 1767 über dem linken Portal. 1774 erfolgte der Kauf des Palais durch das ungarische Ärar. Nach der Zusammenziehung der ungarischen mit der siebenbürgischen Hofkanzlei unter Josef II wurde das Gebäude durch den Erwerb und die Einbeziehung des benachbarten Trautson’schen Hauses (Bankgasse 4) vergrößert.

Die Fassaden wurden 1783/84 durch Franz Anton Hillebrand angeglichen. Bei dieser Gelegenheit wurden auch die beiden Portale neu gestaltet. Der neue Trakt diente ausschließlich als Bürogebäude. 1848 wurde die Ungarische Hofkanzlei aufgelöst und ihre Aufgaben an das neu geschaffene Ungarische Ministerium übertragen. Nach dem Ausbruch der Revolution besetzte kaiserliches Militär das Gebäude. Anschließend brachte man österreichische Behörden darin unter. 1851 zog der Reichsrat ein. Er war für die Vorbereitung und Begutachtung von Gesetzen zuständig. Nach dem Ausgleich von 1867 diente das Palais wieder dem Ungarischen Ministerium. Es verstand sich als Bindeglied zwischen den ungarischen Behörden und dem gemeinsamen Herrscher. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie zog in das Gebäude die ungarische Gesandtschaft ein. Diese wurde 1938 auf ein Generalkonsulat reduziert. 1944 wurde das Palais durch britische Fliegerbomben schwer beschädigt aber bis 1948 provisorisch wiederhergestellt. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg residierte hier die diplomatische Vertretung Ungarns. Die Kontakte waren aber eingeschränkt. Erst seit 1964 dient das Gebäude als Botschaft der Republik Ungarn in Österreich. In den Jahren zwischen 1969 und 1990 erfolgte eine aufwändige Restaurierung, der 1997/98 eine neuerliche Renovierung folgte.

Die ungarische Botschaft in Wien zählt zu den schönsten und geschichtsträchtigsten Diplomatenresidenzen der Stadt aber auch Ungarns. Das dreiseitig freistehende Palais ist dreigeschossig. Es verfügt über zwei Innenhöfe. Im rechten befindet sich eine steinerne Brunnenschale aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Die 18-achsige Hauptfront wird über dem gebänderten Sockel durch korinthische Riesenpilaster vertikal gegliedert. Über den beiden Portalen befinden sich vorspringende Balkone. Sie werden von volutengeschmückten Schmiedeeisengittern begrenzt. Ihre Konsolen sind mit Stuckgirlanden geschmückt, ein Motiv, das sich in der Dekoration der Fenster wiederholt. Diese sind mit dreieckigen und segmentbogigen Verdachungen versehen. An der Rückfront sind noch die Fassaden des 17. Jahrhunderts erhalten. Das Innere wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jh. prächtig eingerichtet. Die in einem Mischstil von Rokoko und Klassizismus gehaltene wandfeste Originalausstattung ist weitgehend erhalten. 1768 schuf Franz Anton Maulbertsch das Deckenfresko im einstigen Ratssaal, dem heutigen Arbeitszimmer des Botschafters. Es stellt die Stiftung des Stephansordens durch Kaiserin Maria Theresia dar. Sechs Wandgemälde von Franz Meßmer und Wenzel Pohl aus dem gleichen Jahr zeigen in zwei Zimmern Szenen der Krönung Maria Theresias zur Königin von Ungarn in Preßburg. Zur Ausstattung gehören mehrere Rokoko- und Empireöfen. Bemerkenswert sind auch der Festsaal mit seinen klassizistischen Stuckdekorationen und weißen, vergoldeten Boiserien sowie das Treppenhaus.

Ort/Adresse: 1010 Wien, Bankgasse 4 - 6

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


12.07.2007