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Kirchschlag - Burg


Die Herrschaft Kirchschlag wurde vermutlich um 1180 von Herrand von Wildon gegründet. Der Ort, eine Rodungsgründung, worauf der Name hinweist, hat aber bereits vorher bestanden. Die Wildonier waren um 1160 in die Bucklige Welt gekommen, nachdem die Pittener Waldmark nach dem Tod des Grafen Eckbert III von Formbach-Pitten 1158 an die Steiermark gefallen war. Durch die Heirat Gertruds von Wildon mit Albero V von Kuenring kam Kirchschlag 1240 in den Besitz der Kuenringer, die sich aber erst gegen die Güssinger behaupten mussten, die ebenfalls Ansprüche auf Kirchschlag erhoben. Damals dürfte die Burg stark ausgebaut worden sein. Sie diente einerseits als wichtige Grenzburg gegen Ungarn und hatte anderseits die an ihr vorbeiführende Straße von Aspang über Krumbach nach Lockenhaus zu sichern. Wie alle Festungen in diesem Grenzbereich wechselte sie aber mehrmals die Besitzer und damit auch die Schutzfunktion. Albero V sorgte nach dem Aussterben der Babenberger als Landesverweser für eine rigorose Bekämpfung des rasch um sich greifenden Räuberunwesens in Niederösterreich. Er gehörte zu jenen Adeligen, die König Przemysl Ottokar II ins Land riefen und war auch danach einer seiner wichtigsten Berater. Erstmals urkundlich erwähnt wird die Burg 1252 in den Kämpfen mit ungarischen Soldaten des Königs Bela IV, der auf Grund seiner Verwandtschaft mit den Babenbergern Ansprüche auf deren Erbe stellte. Seine Truppen belagerten und eroberten die Feste sowohl 1246 als auch 1254. Im Frieden von Ofen musste die Steiermark und damit auch das damals zugehörige Kirchschlag an Ungarn abgetreten werden. Die Burg kam an Ivan von Güssing und erhielt eine ungarische Besatzung. Sechs Jahre später kam es zum Frieden von Kroissenbrunn, wobei diese Gebiete wieder an Ottokar II zurückfielen. Auf Kirchschlag saßen inzwischen die Güssinger Grafen, die keine Anstalten machten, die Burg aufzugeben. Leutold von Kuenring, der Sohn Alberos V, zählte inzwischen zu den Anhängern Rudolfs I von Habsburg. Er hatte große Mühe, die Güssinger auf Distanz zu halten.

Da Kirchschlag von den übrigen Besitzungen der Kuenringer, die meist jenseits der Donau im Waldviertel lagen, weit abgelegen war, tauschte es Leutold 1287 mit seinen Cousins Heinrich, Konrad und Siboto von Pottendorf gegen die Herrschaft Rosenau ein. Die Ansprüche der Güssinger wurden finanziell abgegolten. Die Pottendorfer zählten damals zu den reichsten Familien des Landes. Außer Kirchschlag gehörten ihnen u. a. auch die Herrschaften Pottendorf, Feistritz, Hornstein, Scharfeneck, Hof, Au und Sommerein. Konrad I von Pottendorf begründete die Kirchschlager Linie seiner Familie, indem er seine Brüder auszahlte. 1304 gehörte ihm Kirchschlag als freies Eigen allein. Er nahm jedoch 1309 am Ministerialenaufstand gegen Herzog Friedrich den Schönen teil, was dazu führte, dass er wieder in Lehensabhängigkeit geriet. Dem Landmarschall Hertnid von Pottendorf gelang es aber, Kirchschlag neuerlich als freieigenen Besitz zu erhalten. Ab 1394 setzten die Pottendorfer häufig Gefolgsleute als Pfleger ein. Hans von Pottendorf, dessen Wappen sich über dem äußeren Burgtor und dem Palasportal findet, ließ die Anlage um 1403 stark ausbauen. Christoph von Pottendorf war ein einflussreicher Ratgeber Herzog Albrechts VI. Er vermittelte mehrmals zwischen dem Herzog und dessen Bruder, Kaiser Friedrich III. 1488 starb Friedrich von Pottendorf, der letzte seiner Familie. Im gleichen Jahr bemächtigte sich Matthias Corvinus der Burg und verpfändete sie seinem Feldhauptmann Peter Bogan. Dieser gab sie an Georg Baumkircher, dem Sohn des bekannten Söldnerführers, weiter. Dessen Witwe, Margarethe von Stubenberg, heiratete Georg von Puchheim, einen Neffen des letzten Pottendorfers. Als dieser 1514 starb, zog Kaiser Maximilian I Kirchschlag ein.

Nach langwierigen Verhandlungen gelang es 1528 einem anderen Zweig der Familie Puchheim, die Herrschaft als landesfürstliches Lehen zu erhalten. 1532 verheerten türkische Streifscharen die Umgebung, konnten aber weder die Burg noch den Ort einnehmen. Andreas von Puchheim ließ 1538 bis 1544 den Osttrakt im Inneren Burghof errichten und den Palas umgestalten. Doch da seine Nachkommen auf dem benachbarten Krumbach lebten, vernachlässigten sie die Herrschaft Kirchschlag und betrieben hier auch keine Eigenwirtschaft mehr. Durch die rasante Entwicklung der Artillerie war die Burg militärisch ohnehin bedeutungslos geworden. Obwohl sie eine wichtige Kreidfeuerstation war, wurde im 16. Jh. mehrfach ihr schlechter Bauzustand beklagt. 1566 stürzte ein Teil der Mauern, die Burg und Markt umschlossen, ein. 1590 zerstörte ein Erdbeben die mittelalterliche St. Georgs-Burgkapelle sowie Bauteile in der Nordostecke der Hauptburg. Erst in der zweiten Hälfte des 17. Jh. wurden die Verteidigungseinrichtungen unter Hans Christoph III Graf Puchheim wieder instand gesetzt. Er ließ auch den Palas mit einem Wehrgeschoß versehen, auf dem acht Feldkanonen aufgestellt wurden. Hans Christoph III war der letzte Puchheimer auf Kirchschlag. Er verließ die Burg und zog in das ab 1651 erbaute Hofhaus im Markt. Als er 1657 starb, trat sein Neffe Nikolaus IV Graf Pálffy das Erbe an. Klagen der Nichten des Erblassers wurden in langwierigen Prozessen abgewiesen. Die Pálffys gehörten zu den ganz wenigen ungarischen Adelsfamilien, die stets habsburgtreu waren. Nikolaus VI Graf Pálffy war Generalfeldmarschall und von 1714 bis zu seinem Tod 1732 ungarischer Palatin. 1803/04 ließ Karl Hieronymus Fürst Pálffy die Anlage aus steuerlichen Gründen teilweise abtragen und alle Türen und Fenster entfernen. Die unbewohnte Burg verkam zur Ruine. Kirchschlag blieb bis 1874 im Eigentum der Pálffy und ging dann in bürgerlichen Besitz über. Seit den siebziger Jahren des 20. Jh. gehört die Ruine der Stadtgemeinde Kirchschlag und wird von einem lokalen Burgverein betreut. In den Jahren nach 1979 erfolgte eine grundlegende Sanierung der noch vorhandenen Bauten.

Die Ruinen der Burg liegen auf einem nördlichen Ausläufer des Hutkogels, etwa 80 m oberhalb des Marktes. Am östlichen Ende des Sporns erstrecken sich die Reste der Hauptburg. Sie sind vom freistehenden Bergfried durch einen 8 bis 10 m tiefen Halsgraben getrennt. Der Turm steht auf einer kleinen Hügelkuppe 20 m oberhalb der Wohnbauten. Aus verteidigungstechnischen Gründen musste diese Überhöhung natürlich befestigt werden. Der 22 m hohe Bergfried war nach Westen hin durch einen 15 bis 20 m tiefen Halsgraben extra gesichert. Er wurde auch Feuerturm genannt, doch befand sich die Kreidfeuerstation außerhalb der Burg am Gipfel des Hutkogels. Der Turm hatte sechs Geschosse, einen quadratischen Grundriss von 10 x 10 m und eine Mauerstärke von 2,4 bis 3,5 m im unteren Bereich, wobei die im Westen liegende Angriffsseite die größte Dicke aufweist. Sein unterstes Geschoß diente dem Landgericht als Gefängnis. Der romanische rundbogige Hocheinstieg befand sich im zweiten Obergeschoß der Ostwand. Heute betritt man den Turm jedoch durch einen Mauerdurchbruch im Erdgeschoß. Das Innere wird nur durch wenige Lichtschlitze beleuchtet. Anlässlich der letzten größeren Restaurierung wurde eine Holzstiege eingebaut, die zum teilweise rekonstruierten Wehrgang führt, von dem man eine gute Aussicht auf Kirchschlag und seine Umgebung hat. Der Bergfried dürfte in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts erbaut worden sein. Er ist der älteste erhaltene Bauteil der Burg. 1981 stürzte er teilweise ein, wurde aber anschließend wieder aufgebaut und durch drei Stahlbetonmanschetten gesichert. 1945 wurde der Bergfried durch Artilleriebeschuss schwer beschädigt. Ob es die „Lederbrücke“ tatsächlich gab, die angeblich vom Palas über den Burggraben hinweg zum Bergfried führte und eine Fluchtmöglichkeit für die Burgbesatzung darstellen sollte, ist eher zu bezweifeln. Im Ernstfall wäre sie von den Angreifern wohl sofort gekappt worden.

Die Hauptburg ist von einem doppelten Bering umgeben, wobei beide Mauerringe nach Westen zu schildmauerartig ausgebildet sind. Die äußere Mauer war mit zehn Bastionstürmen verstärkt. Balkenlöcher lassen einen hölzernen Wehrgang vermuten. Die Burg ist von zwei Seiten zugänglich. Im Westen führt eine 1979 neu errichtete hölzerne Brücke über den Halsgraben zum breiten Fahrtor im heute ruinösen Torbau. An ihrer Stelle befand sich einst eine Holzbrücke, deren letzter Teil als Zugbrücke ausgebildet war. Außerdem gibt es noch an der, dem Markt zugewandten Nordseite eine Pforte für Fußgänger und Reiter. Auch sie war ursprünglich durch eine Zugbrücke gesichert. Der einstige Graben ist hier nur mehr schwach sichtbar. Durch beide Portale gelangt man in den Zwinger zwischen den beiden Ringmauern. Dieser wurde in friedlichen Zeiten als Garten genutzt. Der die Südwestecke des Zwingers schützende Halbrundturm gehört zu den jüngsten Teilen der Burg. Er war als Geschützturm ausgebildet. Vom westlichen Torbau ist nur mehr der innere Torbogen erhalten. Der äußere Torbogen war mit 1404 datiert und mit einem Wappen geschmückt. Er und das dazwischen liegende Torgewölbe sind längst verschwunden. Ein im Norden an den Torbau anschließender viereckiger Turm hatte nicht nur den Zugang zur Burg sondern auch die zum Markt hinabführende Wehrmauer zu decken. Ein Feind, der es geschafft hatte, bis hierher vorzudringen, war aber noch lange nicht in der Hauptburg. Auf seinem Weg durch den Zwinger zum inneren Burgtor an der Ostseite, konnte er sowohl vom inneren Bering als auch vom Wehrgang der gegenüberliegenden äußeren Ringmauer aus unter Feuer genommen werden. In dieser, durch mehrere fünfeckige Türme verstärkten Mauer, die aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts stammt, sind noch einige Schlüsselscharten zu erkennen. Auch die Zinnen sind teilweise noch original. Wesentlich schlechter erhalten ist der südliche Bereich der äußeren Ringmauer, die aus einer späteren Zeit stammt und deutlich schwächer ausgebildet war.

Durch ein großes, ursprünglich einflügeliges Tor gelangt man in den inneren Burghof. Die an den inneren Bering angebauten Wirtschaftsgebäude und Gesindehäuser waren wohl aus Holz errichtet und sind längst komplett verschwunden. Die Wasserversorgung erfolgte durch eine Zisterne, die sich ebenfalls im unteren Teil des Hofes befand. Im Westen schließt der Bering an den massigen quer stehenden Palas an. Dieser wurde vermutlich um 1320 erbaut und ist somit der älteste Teil der Hauptburg. Mit seiner Länge von 34 m, einer Breite von 13 m und seinen vier Geschossen ist er ungewöhnlich groß. Wie seine an der Westseite ca. 2,3 m dicke, ursprünglich fensterlose Mauer beweist, hatte er auch Verteidigungsaufgaben zu übernehmen. Er riegelt den Bergsporn und damit den gesamten Burgbereich praktisch ab. Seine hofseitige Mauer ist in der zweiten Hälfte des 19. Jh. eingestürzt, die übrigen Mauern sind jedoch noch in voller Höhe erhalten. Die einzelnen Stockwerke waren durch Zwischenmauern unterteilt, doch gab es im zweiten Stockwerk seines Mittelteiles einen größeren Saal. Die im Osten an den Palas anschließenden Ruinen werden als Reste einer Rauchküche gedeutet, an deren Stelle 1590 eine neue Kapelle errichtet wurde. In der ersten Hälfte des 16. Jh. wurde der Palas wohnlicher gestaltet. Dabei wurden auch die kleinen mittelalterlichen Fenster durch große Fensterdurchbrüche ersetzt. Zwischen dem Markt und der Burg stand am Abhang des Schlossberges die Liebfrauenkirche, die 1391 unter Konrad von Pottendorf errichtet und 1787 unter Kaiser Josef II profaniert wurde. Sie war wohl als Herrschaftskirche gedacht. Um 1810 wurde sie großteils abgebrochen. 1986 wurden ihre Überreste freigelegt. An der Langhaussüdwand haben sich die Konsolen und Ansätze des einstigen Kreuzrippengewölbes erhalten.

Lage: Niederösterreich/Bucklige Welt – ca. 12 km nordwestlich von Lockenhaus

Besichtigung: jederzeit möglich

Homepage: www.kirchschlag.at


Weitere Literatur:


12.07.2007