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Niederösterreichisches Landhaus


Das ehemalige Niederösterreichische Landhaus ist ein für Wien einzigartiger Bau, in dem sich alle Stilrichtungen von der Spätgotik bis zum Historismus erhalten haben. Im Hochmittelalter hielten die Stände von Niederösterreich ihre Versammlungen entweder im Wiener Haus ihres Landmarschalls oder aber auf den Besitzungen ihrer Mitglieder in Niederösterreich ab. Unter anderem wurden Horn, Hadersdorf, Klosterneuburg, Eggenburg und Tulln genannt. So wurde der erste Landtag in Wien und der zweite 1108 in Gegenwart des Kaisers Heinrich in Tulln abgehalten. Ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurden verschiedene Häuser in Wien bevorzugt. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts verfügten die Landstände der Steiermark und jene Kärntens bereits über eigene Landhäuser. Auch die niederösterreichischen Stände waren an der Errichtung eines eigenen Repräsentationsbaues in Wien interessiert. Auf Grund der Verwaltungsreformen des Kaisers Maximilian I war auch für sie ein eigener Amtssitz notwendig geworden. Wichtig war die Nähe zur Hofburg. 1513 erwarb der Landmarschall Wilhelm von Puchheim von den Brüdern Erasmus, Wolfgang und Bernhard von Liechtenstein ein dafür geeignetes Grundstück mit einem Freihaus zwischen Minoritenplatz und Herrengasse. Der älteste bekannte Besitzer dieses Areals ist Heinrich Druksecz, der 1455 urkundlich genannt wird. Der Landmarschall Caspar von Wolkersdorf begann 1516 mit den Bauarbeiten für ein Landhaus. Bereits 1518 war ein kleiner, aber prächtig ausgestatteter Bau am Minoritenplatz weitgehend vollendet. Er nahm aber nur einen Teil des Grundstückes ein. Der Rest diente als Garten und Friedhof des benachbarten Minoritenklosters. Aus den vorgefundenen Steinmetzzeichen kann man entnehmen, dass der Bau von den Arbeitern der Wiener Dombauhütte durchgeführt wurde. Ob Meister Anton Pilgram die Leitung hatte, geht aus den erhaltenen Urkunden nicht hervor. Es ist jedoch eher zu bezweifeln, da er bereits um 1515 starb. Um diese Zeit wurde das ständische Archiv begründet, da man ein feuerfestes Gewölbe zur Aufnahme der Landschafts-Privilegien und anderer wichtiger Urkunden bestimmte. Im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts geriet der weitere Ausbau ins Stocken. Dennoch dürfte das Landhaus um 1528 neben der Hofburg das bedeutendste profane Gebäude Wiens gewesen sein.

1534 wurde Wilhelm Freiherr von Puchheim beauftragt, die Schlüssel für das Landhaus zu verwahren, was auf die vorläufige Fertigstellung hindeutet. Auf Wunsch des Kaisers musste das Gebäude aber ihm jederzeit zur Verfügung gestellt werden. Da die Räumlichkeiten von Anfang an als zu klein betrachtet wurden, begann man 1531 mit einem großzügigen Ausbau. 1547 war der rechte Flügel ausgebaut. Als Architekt verpflichtete man im dritten Viertel des 16. Jahrhunderts den Dombaumeister Hans Saphoy. Er gilt als Schöpfer der drei Renaissanceportale, die sich im Haus befinden, sowie des großen Sitzungssaales. Unter Landmarschall Christoph Freiherrn von Eytzing wurde 1545 beschlossen, dem Landschaftssekretär eine Wohnung im Landhaus einzurichten. Ein Jahr später wurde in einem neu angekauften Gebäude am Minoritenplatz die evangelische adelige Landschaftsschule eröffnet. Um 1560 wurde im Erdgeschoß des linken Traktes eine protestantische Betstube eingerichtet und hiefür lutherische Prediger, wie Dr. Josua Opitz und Johann Tettelbach angestellt. 1562 wurde am linken Flügel ein zweites Geschoß aufgesetzt. 1571 erhielt das Landhaus von Kaiser Maximilian II das Burgfriedensrecht zugestanden. Saphoy ließ den bisher nur provisorisch gedeckten großen Saal mit einem Gewölbe versehen. 1572 entstanden die Verordnetenstube, sowie ihre Vorhalle, an die sich die nicht mehr erhaltene Bürgerstube anschloss. Im gleichen Jahr begann Hans Saphoy mit der Fertigstellung des Quertraktes. 1578 war dieser mit dem Uhrturm vollendet. Die Schauseite war damals zum Minoritenplatz gerichtet. Vom Quertrakt führten nun zwei einfache Seitenflügel in Richtung Herrengasse. An der Herrengasse selbst lag nur ein Nebengebäude mit dem Hinterausgang. 1637 ließ der Landmarschall Hans Franz Trautson Graf zu Falkenstein das sog. „Grüne Stüberl“ als standesgemäßen Arrest für straffällig gewordene Abgeordnete des Herren- und Ritterstandes einrichten. 1671 wurde hier der Rebell Franz Graf Nadasdy in Haft gehalten, bis er dem Stadtgericht übergeben wurde. Zuvor wurde er noch in der Ritterstube entadelt. In der Bürgerstube des alten Rathauses wurde er dann enthauptet. Der Adelsarrest wurde später in das Erdgeschoß unterhalb des Großen Saales verlegt, wo er bis zum Bau des neuen Landhauses 1837 bestehen blieb.

1666 machten einige Diener des spanischen Botschafters vom Asylrecht des Landhauses Gebrauch. Sie flüchteten hierher, worauf der Botschafter mit seinem übrigen Personal einen erfolglosen Versuch machte, das Gebäude zu stürmen. 1710 erhielt der aus Bologna stammende Antonio Beduzzi den Auftrag, die Gewölbe des großen Sitzungssaales mit Fresken zu schmücken. Das Programm hiezu wurde ihm von seinem Landsmann Giovanni Commazzi vorgegeben. Das Landhaus war nicht nur Sitz wichtiger landespolitischer Entscheidungen sondern auch ein gesellschaftlicher Mittelpunkt Wiens. Unmittelbar nach Fertigstellung des Großen Saales fand hier ein aufwändiges Maskenfest statt, an dem sogar der Kaiser mit dem ganzen Hofstaat teilnahm. Erzherzog Joseph und Prinzessin Isabella von Parma feierten 1760 hier ihre Vermählung. Außerdem diente das Landhaus auch als Konzertgebäude, in dem Schubert, Beethoven und Liszt auftraten. Erst 1799 wurde die alte Rüstkammer, die in einem Gewölbe über dem Großen Saal eingerichtet war, geschlossen. Die noch vorhandenen 346 Gewehre wurden an das Zeughaus abgegeben. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war eine neuerliche Vergrößerung des Landhauses dringend erforderlich, umso mehr als dieses auch anderen als den ursprünglichen Aufgaben diente. So wurden seit 1799 Ziehungen der Banko-Lotterie im Großen Saal abgehalten. Seit 1827 gab es immer wieder Überlegungen und Vorstöße für einen Neubau. 1834 wurden die bereits baufälligen Bauten der Herrengassen-Front abgerissen. 1835 fand für Ferdinand I die letzte Erbhuldigung im alten Landhaus statt. Immer neue Einwendungen des Hofbauamtes verzögerten den Baubeginn für das neue Gebäude. Ein Entwurf des Architekten Joseph Kornhäusls, der einen totalen Neubau plante, kam aus Kostengründen nicht zur Ausführung. Der Plan des Architekten Alois Ludwig Pichl wurde schließlich verwirklicht.

Unter Schonung der historischen Bausubstanz erfolgte zwischen 1837 und 1843 ein Neubau. 1839 war die klassizistische Herrengassenfront vollendet, die nunmehr als Hauptfassade diente. Da Pichl die vorgesehenen Kosten stark überschritten hatte, durfte der Baumeister Leopold Mayr das Gebäude allein vollenden. Die Trakte zur Landhausgasse und zum Minoritenplatz wurden 1843 fertig. Mit der schmucklosen Fassade an der Regierungsgasse hatten die Bauarbeiten anfangs 1948 ein Ende. Am 13. März 1848 brach hier die Wiener Revolution aus. Am Vormittag hatte sich in der Säulenhalle und im Hof eine aufgebrachte Menschenmenge versammelt, da die Landstände an diesem Tag eine wichtige Sitzung geplant hatten. Als der Mob den Ständesaal stürmte und das Gebäude verwüstete, griff das Militär ein, was zur Errichtung von Barrikaden und schließlich zu einem Blutbad führte. Auch nach der Revolution blieb das Landhaus Amtssitz des Landes Niederösterreich. 1905 wurde die Herrengassenfront nochmals verändert und aufgestockt. 1918 fand im Landhaussaal die provisorische Nationalversammlung für Deutschösterreich statt. Nach der Gründung der Republik Österreich diente das Gebäude als Sitz der Niederösterreichischen Landesregierung bis diese 1997 nach St. Pölten zog. Das Gebäude wurde 2000/04 restauriert, teilweise aufgestockt und zum Teil an das österreichische Außenministerium vermietet. Es gehört nach wie vor dem Land Niederösterreich, das die Repräsentationsräume für Veranstaltungen nützt.

Die dreistöckige spätklassizistische Schauseite an der Herrengasse wird von acht korinthischen Monumentalsäulen zwischen dem rustizierten Sockelgeschoß und der mächtigen Attika dominiert. Über dem dreiachsigen Rundbogenportal springt ein Balkon auf vier Löwenkonsolen vor. Der Bildhauer Josef Klieber schuf auf der Attika des Mittelrisalits eine Sandsteingruppe des Flussgottes Ister, auch Danubius genannt. Diese musste 1905 aus Sicherheitsgründen abgenommen werden und ist inzwischen auf einem Bauhof spurlos verschwunden. An ihrer Stelle schließt heute eine lange Tafel mit der Inschrift „Die Stände Österreichs 1839“ zwischen den beiden Attikabalustraden den Bau ab. Hinter dem Portal liegt ein monumentales kreisrundes Vestibül mit einer schweren kassettierten Decke. Die Front am Minoritenplatz wird durch korinthische Riesenpilaster gegliedert. Hinter den breiten Rundbogenfenstern des Mittelrisalits liegt der große Sitzungssaal. Im flachen Dreiecksgiebel ist das niederösterreichische Landeswappen angebracht. Die Repräsentationssäle (Prälaten-, Herren- und Rittersaal) hatten einst geschnitzte Holzdecken und an den Wänden gestickte niederländische Tapeten. Ihre Neuausstattung erfolgte durch den späteren Dombaumeister Leopold Ernst, der auch am Umbau des Schlosses Grafenegg führend tätig war. Im neu gestalteten Rittersaal ist nur mehr der Justizthron barock. Dieser ist möglicherweise ein Werk von Claude Lefort du Plessys. Der historische Teil des Landhauses liegt an der Hinterseite des langgestreckten Hofes. Hier steht noch das alte Portal aus dem Jahr 1571. Es wird von zwei Säulen aus Salzburger Marmor flankiert. Über dem Eingang erblickt man im Frontispiz zwei Ritter zu Pferde, von denen einer das Babenbergerwappen mit dem Bindenschild trägt. Der andere zeigt auf seinem Schild das auf Herzog Rudolf IV zurückgehende niederösterreichische Wappen (blaues Feld mit fünf goldenen Adlern). Man nimmt an, dass dieses Relief die symbolhafte Wappenvereinigung von Alt- und Neuösterreich darstellt. Das farbige Portal stammt von Hans Saphoy. Die daneben angebrachte Tafel aus dem Jahr 1571 weist auf das Burgfriedensprivilegium hin, das dem Landhaus im gleichen Jahr von Kaiser Maximilian II verliehen worden war. Am Minoritenplatz-Eingang befand sich übrigens eine gleichlautende Inschrift. Die hinter dem Tor liegende Treppe führte zu einer Vorhalle im ersten Stock In diesem Raum hat sich noch gotische Bausubstanz erhalten. Die Verzierungen und Bemalungen gehören aber bereits der Renaissance an. Das gotische Gewölbe wurde mit Fresken geschmückt, die ein gutes Beispiel für den Religionsstreit des Renaissancezeitalters geben. Ähnlich wie an der Außenmauer des Landschlosses Parz fanden sich hier Malereien, die die katholische Religion herabwürdigen (z. B. Schweine mit über die Rüssel gehängten Rosenkränzen). Sie stammen aus dem Jahr 1572, als die Landstände protestantisch dominiert waren. Sie sind heute nicht mehr zu sehen, da sie zwar noch vorhanden sind, aber bei einer späteren Renovierung aus religiösen Gründen übermalt wurden.

Die künstlerische Leitung der beiden Marmorportale aus dem Jahr 1571 lag bei Hans Saphoy. Das größere führte in die Verordnetenratsstube. Es wird von je zwei schlanken Rundsäulen eingefasst, zwischen denen kleine Marmorstatuen stehen. Sie repräsentieren den Überfluss und die mütterliche Liebe. In einem halbkreisförmigen Relief über dem schweren Gesims erkennt man die mit dem Herzogshut gekrönte Austria, wie sie über den Reichtum und die Kultur des Landes wacht. Das Relief wird von den Wappen Böhmens und Ungarns flankiert. Der gegenüberliegende Eingang, der in die ehemalige Bürgerstube führte, ist ebenfalls aus Salzburger Marmor geschaffen. Es zeigt ein, von Genien gehaltenes vereinigtes Wappen. Darunter wird in einer Inschrift das österreichische Volk für seine Tugenden in Krieg und Frieden gelobt. Die Ausstattung der anschließenden Verordnetenratsstube ist eine Arbeit des Hoftischlers Georg Haas aus der Zeit um 1572. Prunkstück ist das vom Kaiseradler gekrönte manieristische Portal. Es ist mit Statuen, Karyatiden und Atlanten geradezu überladen und kann von beiden Seiten geöffnet werden. Bemerkenswert ist auch die reich intarsierte und mit zahlreichen Wappen geschmückte Kassettendecke. Die Wandtäfelung wurde in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts erneuert. Von der ehemals protestantischen Betstube im linken vorderen Trakt ist nur noch eine halbrunde Säule mit einem Renaissancekapitell erhalten. Sie befindet sich heute im Niederösterreichischen Landesmuseum. Neben der Betstube lagen seit 1580 eine protestantische Buchdruckerei und ein Buchladen. 1578 wurde die Betstube geschlossen und nach der Schlacht am Weißen Berg 1620 in eine katholische Kapelle umgewandelt. 1668 wurde im Schwibbogen, der vom Prälatensaal über die heutige Leopold Figl Gasse zum benachbarten Trautsonschen Haus führte, eine neue katholische Kapelle eingerichtet. Zum benachbarten „Grünen Stüberl“ wurde ein Fenster ausgebrochen, um auch den Gefangenen die Möglichkeit zu geben, dem Gottesdienst beizuwohnen. Diese Kapelle blieb bis zum Neubau des Landhauses im 19. Jahrhundert in Verwendung. Ihr Altarblatt „Tempelgang Mariens“ von Johann Spillenberger ist heute im Niederösterreichischen Landesmuseum zu sehen. Der Schwibbogen wurde übrigens erst bei der Generalrestaurierung von 2000/04 abgebrochen.

Der große Sitzungssaal im Quertrakt am Minoritenplatz ist wegen der malerischen Ausstattung Beduzzis der bedeutendste Raum des alten Landhauses. Er gilt als wichtigster Renaissancesaal Wiens. Im Mittelfeld der reich verzierten Holzdecke erfleht die mit dem Markgrafenhut vor der göttlichen Vorsehung kniende Austria, ein gütiges Geschick für das Land. Ehre und Ruhm sind rechts und links davon den beiden Landeswappen (Alt- und Neuösterreich) zugeordnet. In den vier Ecken sind die damals bekannten Erdteile Europa, Afrika, Asien und Amerika dargestellt. Unterhalb des Gewölbes symbolisieren Fresken die wichtigsten Flüsse des Landes. Neben Donau, Rhein, Po, Elbe und Save kam auch der Sebeto, ein kleines Flüsschen am Fuße des Vesuvs zu Ehren, hier allegorisch dargestellt zu werden. Der Silberfluß (Rio de la Plata) erinnert daran, das das Deckengemälde mitten im Spanischen Erbfolgekrieg entstand. 1711 wurden die Seitenwände des Saales von Balthasar Haggenmüller mit Kunstmarmor verkleidet. Die ehemalige Torhalle zum Minoritenplatz hin, aus den Jahren 1513/16, ist wohl der bedeutendste Profanraum aus der Zeit der Spätgotik in Österreich. Es ist ein zweijochiger Saal mit einem qualitätvollen Schlingrippengewölbe, der von der Sakralarchitektur Anton Pilgrams beeinflusst ist. Die Halle wurde um 1845 geschlossen und in die neue Landhauskapelle umgewandelt. Der Entwurf der Glasfenster stammt von Ludwig Schnorr von Carolsfeld (1846), die Ausführung von Carl Geyling. Zwei Rundbogenportale führen von der jetzigen Kapelle zur ehemaligen Pförtnerstube, der heutigen Sakristei. Dieser quadratische Raum zeigt ein gotisches vierblättriges Sternrippengewölbe. Besonders schön ist auch die Decke des Gotischen Zimmers im ersten Stock. Sein Sternrippengewölbe ruht auf Rundhalbsäulen in den Zimmerecken. Als Architekt des quadratischen Raumes kommt Hans Traubinger in Frage (1522/24). Das mit dem Hl. Leopold bemalte Glasfenster ist jedoch eine Zutat vom Ende des 19. Jahrhunderts. Im hinteren Teil des rechteckigen Hofes stand der von Joseph Klieber vor 1844 errichtete Danubiusbrunnen. Er gelangte später in den Park von Gugging. Ein alter Brunnen mit schönem Schmiedeeisengitter aus dem Jahr 1570 wurde im 20. Jh. in das Palais Clary, in dem sich damals das Niederösterreichische Landesmuseum befand, gebracht. 1996 wurde er im Schloss Grafenegg aufgestellt, wo er sich bereits nach dem Neubau des Landhauses befand.

Ort/Adresse: 1010 Wien, Herrengasse 13/Minoritenplatz 7

Besichtigung: meist nur von außen möglich, die Repräsentationsräume werden jedoch gelegentlich für Veranstaltungen vermietet


Weitere Literatur:


22.06.2007