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Stadtpalais Liechtenstein (Majoratshaus)


Der Palast trägt mehr als andere Wiener Palais seiner Zeit italienische Züge. Für die Fassadengestaltung nahm man sich den römischen Palazzo Chigi-Odescalchi von Gianlorenzo Bernini als Vorbild. Das spätere Wiener Majoratshaus der Liechtensteiner wurde 1691 nach Plänen von Henrico Zuccali für Dominik Andreas Graf Kaunitz begonnen. Dieser hatte das Grundstück zuvor von der Familie Khevenhüller erworben, die selbst einen Neubau geplant hatte. Die Bauleitung übernahm Antonio Riva. 1694 erwarb Johann Adam Fürst von Liechtenstein um 15.000 Gulden den Rohbau, der erst bis zum ersten Stockwerk reichte. Mit dem Besitzwechsel wurde Zuccali durch Domenico Martinelli und Riva durch Gabriele de Gabrieli abgelöst. Wie die Datierung einer Attikafigur zeigt, war das Gebäude 1697 zumindest im Rohbau fertig. Über die Gestaltung des Stiegenhauses gerieten Bauherr und Architekt in Streit, so dass es zum Bruch zwischen dem Fürsten und Martinelli kam. Letzterer verließ daraufhin Wien. In der Zwischenzeit baute Gabrieli das Treppenhaus nach eigenen Ideen fertig. Martinelli fand, dass das Stiegenhaus nun seinen ganzen Bau verunstalte, musste sich aber damit abfinden. Heute betrachtet man die Prunkstiege als eines der schönsten barocken Treppenhäuser Wiens. 1711 war der Bau vollendet. Antonio Belluci war für die malerische Ausgestaltung des ersten und zweiten Obergeschosses engagiert worden. Er schuf zwischen 1702 und 1705 41 allegorische Ölgemälde zum Schmuck der Decken in den Repräsentationsräumen. Sie ist weitgehend erhalten, allerdings nicht im Stadtpalais.

Schon 1706 hatte man im ersten Obergeschoß acht Räume für die berühmte Liechtensteinische Hausgalerie eingerichtet. Als diese Gemäldesammlung 1807 in das Gartenpalais in der Rossau übersiedelte, übertrug man auch die Deckengemälde von Antonio Belluci dorthin. 39 Ölbilder wurden zur dortigen Ausstattung verwendet, zwei wurden nach Vaduz gebracht. In den nächsten 20 Jahren wurde das Palais nur wenig genutzt. Erst Fürst Alois II bewohnte es wieder regelmäßig. Er ließ die Repräsentationsräume im zweiten Stock 1836 – 1847 von Peter Hubert Devigny im Stil des „Zweiten Rokokos“ umgestalten. Es sind dies die bedeutendsten Interieurs dieser Stilrichtung in Wien. Die Neumöblierung erfolgte durch Carl Leistler und Michael Thonet. Durch die Neustuckierung der Decken gingen in den Prunkräumen allerdings die Stuckarbeiten Santino Bussis verloren. Im 19. Jh. war das Palais wegen seiner Kunstschätze und technischen Kuriositäten berühmt. So konnte man angeblich mit einem Federdruck sämtliche Fenster einer Gassenfront öffnen und schließen, Zimmerwände verschieben oder den Saalfußboden aus dem zweiten in den ersten Stock absenken. In den letzten Kriegstagen des Zweiten Weltkrieges kam es durch Bombentreffer und ein abgestürztes Flugzeug zu schweren Schäden. Das Stiegenhaus wurde im Bereich des zweiten Stocks total zerstört und die daneben gelegenen Prunkräume stark beschädigt. Eine umfassende Restaurierung erfolgte erst 1974/76, da zuvor die weniger beschädigten Teile des Majoratshauses restauriert wurden. Das Palais enthält heute Wohnungen und Kanzleien der fürstlichen Familie Liechtenstein. Ein Teil des Gebäudes wurde 1971 an Ministerien des Bundes vermietet. Derzeit ist eine großzügige Restaurierung geplant. Danach soll das Palais vorwiegend kulturellen Zwecken dienen.

Der Palast erinnert stark an römische Vorbilder. Er ist ein wuchtiger Vierflügelbau um einen fast quadratischen Hof und besteht aus Tiefparterre, Hochparterre, zwei Hauptgeschossen und einem niedrigen Obergeschoß. Seine repräsentative Hauptfront ist der Bankgasse zugewendet. Sie ist wesentlich reicher mit Baudekor versehen, als die beiden einfacheren Seitenflügeln. Die Schauseite wird durch korinthische Riesenpilaster gegliedert. Der nur wenig vorspringende fünfachsige Mittelrisalit wird durch seine starken Wandpfeiler und die figurengeschmückte Attika betont. Die Statuen stellen vermutlich Minerva, Apollo, Jupiter, Juno, Merkur und Flora dar. Sie sind ein Werk Giulianis und sind mit 1697 bezeichnet. Der mächtige Portalvorbau weist drei gleich hohe, aber ungleich breite Toröffnungen auf. Zwei ionische Säulenpaare stützen ein verkröpftes Gebälk, über dem sich ein konvex geschwungener Balkon ausbreitet. Seine Balustrade ist mit Statuen der Venus und des Vulkan sowie mit Putten geschmückt, die die vier Jahreszeiten symbolisieren. Über dem Mittelfenster ist das Liechtensteinwappen angebracht. Der darüber befindliche Fürstenhut wird von zwei Skulpturen gehalten. Eine davon stellt Athene dar. Während Martinelli das Hauptportal in der Bankgasse schuf, stammt das prächtige Seitenportal am Minoritenplatz vermutlich von Johann Lucas von Hildebrandt. Zwei auf Säulenstümpfen stehende Atlanten tragen ein mächtiges Gebälk. Der darüber liegende Balkon ist mit zwei dekorativen Steinvasen verziert. An der Steinbalustrade ist auch hier das vergoldete Liechtenstein-Wappen angebracht. Der darüber befindliche Fürstenhut wird hier von zwei Puten gestützt. Der dekorative Bauschmuck sowohl am Haupt- als auch am Seitenportal geht auf Giovanni Giuliani zurück, der ab 1701 im Hause seine Werkstatt hatte.

Der gesamte Mittelrisalit in der Bankgasse wird im Erdgeschoß von einer riesigen fünfschiffigen Halle, mit acht toskanischen Säulen und acht Pfeilern, eingenommen. Sie ist kreuzrippengewölbt. Zu ihrem Schmuck gehören die Statuen der Venus und des Neptun sowie Medaillons und steinerne Vasen. Zum Hof öffnet sich die Eingangshalle durch fünf hohe Bogentore. Der ursprünglich rechteckige Hof wurde zwischen 1836 und 1847 durch einen Zubau auf ein quadratisches Format verkleinert. Die Erdgeschoßräume der ihn umgebenden Flügel dienten ursprünglich als Remisen und Stallungen. Im rechten Palastflügel ist das zweigeschossige turmartige Treppenhaus untergebracht. Es beinhaltet eine dreiarmige gegenläufige Pfeilerstiege. Ihr zentraler Schmuck ist eine Säulennische mit einem Hochrelief, das Herkules zeigt, wie er den Zentauren Nessos tötet. Der Deckenspiegel der Hauptstiege ist heute leer. Er war ursprünglich mit drei Gemälden von Andrea Lanzani geschmückt. Auf Grund ihres schlechten Erhaltungszustandes wurden sie bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts vernichtet. Beim Wiederaufbau der 1945 zerstörten Decke wurden die Gemälde 1976 durch ornamentierte Stuckfelder ersetzt. Man verzichtete jedoch auf eine Nachbildung des Neorokokoschmucks, den Devigny auch hier angebracht hatte und rekonstruierte die ursprüngliche Stukkierung Bussis. Die zahlreichen Skulpturen der Prunkstiege stammen von Giovanni Giuliani und ihre Stukkaturen von Santino Bussi. Diese beiden Künstler waren auch in den Repräsentationsräumen tätig. Diese liegen nicht - wie in Wien üblich - im ersten Obergeschoß, sondern wegen der schlechten Lichtverhältnisse in der engen Bankgasse im zweiten Stock. Bemerkenswert ist der zweigeschossige Ballsaal, wenn auch seine technischen Spielereien längst nicht mehr funktionieren. In den Mittelachsen sind Skulpturen der vier Erdteile als Laternenhalter angebracht.

Ort/Adresse: 1010 Wien, Bankgasse 9/Minoritenplatz 4

Besichtigung: Das Palais kann nur mit Zustimmung der Gebäudeverwaltung im Inneren besichtigt werden.

Sonstiges: Gelegentlich finden im Festsaal Palaiskonzerte statt.

Homepage: www.liechtenstein.at


Weitere Literatur:


16.06.2007