ARCHIV


Gefährdete Objekte

Schlosshotels

Personenverzeichnis






Linz - Maximilianische Türme


Erzherzog Maximilian Joseph d’Este war ein interessantes, aber heute weitgehend vergessenes Mitglied der kaiserlichen Familie. Er wurde als Sohn von Erzherzog Ferdinand Karl und Enkel Maria Theresias 1782 in Mailand geboren. Maximilian war technisch interessiert und einer der ganz wenigen Erfinder unter den Habsburgern. 1801 trat er in den Deutschen Ritterorden ein, setzte aber dennoch seine militärische Karriere fort. 1809 war er Kommandant der Feldartillerie, die Wien gegen die anrückende Armee Napoleons verteidigen sollte, konnte aber die Übergabe der Stadt nicht verhindern. Er erkannte, dass die alten Stadtmauern, die noch viele österreichische Städte umgaben, gegen die moderne Artillerie längst keinen Schutz mehr boten. Besonders kränkte ihn, dass Linz während der Franzosenkriege dreimal dem Feind in die Hände gefallen war und dass die Österreicher bei Ebelsberg erst 1809 eine schwere Niederlage erlitten hatten. Auf Feldzügen in Deutschland und Frankreich sowie auf einer Studienreise in England machte sich Maximilian mit den neuesten Entwicklungen der Festungs- und Belagerungsartillerie vertraut. In den nächsten 18 Jahren entwickelte er ein Befestigungskonzept zur Verteidigung der wichtigsten Städte der Monarchie. Dieses System war bereits vom Marquis de Montalembert in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erfunden, aber von Erzherzog Maximilian wesentlich verbessert worden. Sein ererbtes riesiges Vermögen ermöglichte es ihm, seine Ideen auch ohne die Hilfe des Kaiserhauses voranzutreiben, denn Franz II (I) und der oberste Generalstab waren vorerst äußerst skeptisch. Um seinen Ideen zum Durchbruch zu verhelfen, ließ er 1828 auf eigene Kosten auf dem Linzer Freinberg Grundstücke erwerben und den sog. Probeturm errichten. Ein Jahr später fand hier ein Probeschießen statt, wobei auch der Kaiser anwesend war. Maximilian konnte ihn von der Sinnhaftigkeit seiner Ideen überzeugen. 1831 wurde der Beschluss gefasst, Linz mit einem „verschanzten Lager“ zu befestigen und Maximilians Verteidigungssystem anzuwenden. Allerdings musste sich der Erzherzog verpflichten, den Großteil der benötigten Mittel vorzustrecken, da in der Staatskasse gerade Ebbe herrschte.

Am Bau der Türme waren zeitweise bis zu 3.000 Arbeitskräfte beschäftigt. Im Juli 1832 besichtigte der Kaiser den Baufortschritt. 1836 war der Befestigungsring vollendet. Er bestand aus 27 Normaltürmen, 5 Segmenttürmen, zwei Vorwerken, zwei kasemattenartige Batterien und dem Fort auf dem Pöstlingberg. Ein projektiertes Fort auf dem Kürnberg kam nicht zur Ausführung. An weiteren 20 Stellen war der Bau von Zwischenbatterien geplant. Zwischen den Türmen verlief eine Versorgungsstraße. Auch eine Palisadenlinie sowie Laufgräben waren vorgesehen, die im Kriegsfall die Türme miteinander verbunden hätten. Sinn der Anlage war es, die feindliche Artillerie soweit auf Distanz zu halten, dass ihr eine Beschießung der Stadt unmöglich war. Daher wurden die Türme in einer Entfernung von mehreren Kilometern vom Stadtzentrum angelegt, was damals außerhalb der Reichweite der Kanonen lag. Die sog. Normaltürme glichen einander im Aufbau, doch kam es geländebedingt gelegentlich zu Abweichungen. Der Abstand zwischen ihnen (ca. 600 m) war so bemessen, dass sie sich gegenseitig decken konnten. Wäre ein Turm erobert worden, so hätte er von den beiden benachbarten aus beschossen werden können. Die Türme waren 13 m hoch und hatten drei Geschosse und ein Geschützverdeck. Dieses war in Friedenszeiten überdacht, doch konnte das Holzdach im Ernstfall abgenommen und als Mannschaftsunterkunft verwendet werden, so dass der Dachraum zu einer Wehrplattform wurde, auf der zehn 18pfündige Kanonen aufgestellt waren. Die Plattform war mit einer kreisrunden Brustwehr versehen. Im darunter liegenden Schartenstock standen 7pfündige Haubitzen. Im Wohnstock konnten 60 Soldaten und Offiziere untergebracht werden. Darunter befand sich der Magazinstock, in dem Munition und Lebensmitteln für vier Monate gelagert werden konnten. Die Wasserversorgung wurde durch einen Brunnen oder eine Zisterne gesichert. Im Magazinstock befanden sich auch Werkstätten und die sanitären Anlagen. Der Grundriss der Rundtürme bestand aus drei konzentrischen Mauerringen. Der äußere Durchmesser betrug 35 m. Die unverputzten Außenwände wurden aus Bruchsteinen aufgemauert und mit Granit verkleidet, die Errichtung der Gewölbe sowie der Innenausbauten erfolgte in Ziegeltechnik.

Der über eine Zugbrücke erreichbare Eingang und die Treppe lagen an der der Stadt zugewandten Seite. Die Türme waren praktisch in den Erdboden versenkt. Sie waren von einem Graben umgeben, vor dem ein mit Bruchsteinmauern verstärkter Erdwall – das Glacis - lag. Lediglich der Schartenstock mit der Wehrplattform ragte über den Wall empor, so dass der Turm von feindlicher Artillerie nur schwer zu bekämpfen war. Um selbst freies Schußfeld zu haben bestand in einem Umkreis von 900 m ein absolutes Bauverbot. Die dort liegenden Felder konnten in Friedenszeiten aber normal bestellt werden. Das Donautal war durch die zwei gegenüber liegenden Klausen Adelgunde und Kunigunde speziell gesichert. Sie waren mit großen Eisenringen versehen, in die eine Kette zum Absperren der Donau eingehängt werden konnte. Von den Klausen führten Mauern die Berghänge empor. Das Hauptwerk der Linzer Turmbefestigung war das Fort auf dem Pöstlingberg. Von ihm aus konnte man den gesamten Linzer Raum überblicken und den Einsatz der einzelnen Werke leiten. Das Fort bestand aus zwei großen und drei kleinen Türmen sowie einer Warte als befestigtes Eingangstor. Die Türme waren durch Mauern verbunden. Außerdem war ein Platz für die Aufstellung einer Batterie vorgesehen. Unterhalb der Stadt, in Donaunähe, lagen fünf Segmenttürme, von denen keiner mehr existiert. Wegen der ungünstigen Bodenbeschaffenheit im Augebiet waren sie wesentlich kleiner. Ihre Kampffront bildete einen Segmentbogen. Die Bewaffnung bestand aus sechs 18pfündigen Kanonen und zwei 7pfündigen Haubitzen. Ansonsten ähnelten sie den Normaltürmen, waren aber nur zweigeschossig. Das Fort am Pöstlingberg sowie die 32 Türme sollten im Kriegsfall von etwa 4000 Soldaten mit 500 Kanonen und Haubitzen verteidigt werden. Auf das Fort alleine entfielen etwa 500 bis 600 Mann. Innerhalb des geschützten Bereiches hätte eine Armee von 60.000 Mann Aufstellung nehmen können.

Gleichzeitig mit dem Bau der Türme entwickelte Erzherzog Maximilian spezielle Lafetten für die Deckgeschütze. Mit ihnen war es möglich, das Feuer aller zehn Kanonen auf einen Punkt im Gelände zu richten, um neu aufgefahrene feindliche Batterien wirkungsvoll bekämpfen zu können. Die Lafettenerzeugung wurde von Wien nach Linz verlegt und im Gebäude einer ehemaligen Wollzeugfabrik eine Artilleriewerkstätte eingerichtet. 1833 reiste Maximilian nach Bregenz und schlug diese Stadt ebenfalls für eine Befestigung nach seinem System vor. Auf Grund der hohen Kosten wurde jedoch davon Abstand genommen. 1835 wurde er zum Oberhaupt des Deutschen Ordens gewählt, den er in der Folge wieder beleben konnte. Fast gleichzeitig wurde er zum Inhaber des Wiener Traditionsregimentes Hoch- und Deutschmeister Nr. 4 ernannt. 1937/38 übergab er die Linzer Donaufestung dem Militär. Vor der Übergabe fand noch eine Probebeschießung statt. Maximilian blieb zeitlebens der Artillerie verbunden und arbeitete bis zu seinem Tod im Jahr 1863 in seinem Schloss Ebenzweier am Traunsee an der Entwicklung und Verbesserung von neuen Waffen und Munition. Zu seinen heute etwas skurril anmutenden zivilen Erfindungen gehörten auch die Dippelziegeln und fälschungssicheres Porzellangeld. Er musste es noch erleben, dass 1858 sein Lieblingsprojekt, die Linzer Donaufestung, ohne einen einzigen Krieg erlebt zu haben, bereits nach 20 Jahren aufgelassen wurde. Sie erlitt das gleiche Schicksal, das fast alle Festungen des 19. Jahrhunderts hatten. Die technische Entwicklung der Artillerie fand wesentlich rascher statt, als der defensive Festungsbau folgen konnte. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts gab es bereits Geschütze mit gezogenen Rohren, die soweit schießen konnten und so durchschlagskräftig waren, dass die Linzer Türme einen vordringenden Feind nicht aufhalten hätten können. Außerdem waren viele Türme zum Zeitpunkt ihrer Außerdienststellung bereits baufällig. Die noch verwendbaren Geschütze wurden teils nach Salzburg und teils ins Wiener Arsenal gebracht. Im Krieg gegen Preußen von 1866 wurden die nördlich der Donau gelegenen Wehrbauten zwar noch einmal in Verteidigungszustand versetzt, doch kamen sie nicht mehr zum Einsatz. Nach dem Bosnienfeldzug von 1878 diente das Fort am Pöstlingberg sechs Wochen lang als Kriegsgefangenenlager für türkische Offiziere und Soldaten. Das Militär hatte bereits 1862 begonnen, einzelne Türme zu verkaufen. Die meisten Kaufansuchen wurden jedoch abgelehnt, da die gebotenen Summen nur einen Bruchteil der Baukosten ausmachten.

Von den 32 Türmen hat sich bis heute nur etwa ein Drittel erhalten. Sie sind hauptsächlich im Westen und Norden der Stadt angeordnet. Die anderen sind entweder komplett verschwunden oder nur mehr durch geringe Mauerreste erkenntlich. Jene im Osten sind der dort nach 1938 angesiedelten Schwerindustrie und jene im Süden der Stadterweiterung zum Opfer gefallen. Bestens gepflegt ist der einstige Probeturm am Freinberg. Er lag zu nahe am Stadtzentrum um in die Befestigungsreihe einbezogen zu werden. Außerdem war er ja Privatbesitz des Erzherzogs. Dieser schenkte ihn bereits 1837 dem Jesuitenorden, nachdem er den Turm zuvor um zwei Stockwerke erhöht und eine Kapelle angebaut hatte. Der im gotisch-maurischen Stil fassadierte und mit Zinnen geschmückte Bau ist heute ein Teil des Kollegiums Aloisianum, eines von Jesuiten geleiteten Privatgymnasiums. 1897 erwarb die Linzer Tramway- und Elektrizitätsgesellschaft das Fort am Pöstlingberg. Alle Türme trugen Frauennamen. Im Turm IV (Maria) wurde die Endstation der Pöstlingbergbahn untergebracht. 1906 baute man den Turm II (Beatrix) in eine heute noch existierende Grottenbahn um. Der Turm I (Othilie) wurde um das Jahr 2003 als Veranstaltungszentrum revitalisiert. Sein Untergeschoß wird vom „Musikverein Pöstlingberg“ benutzt. Das Obergeschoß kann auch für private Veranstaltungen gemietet werden. Aus dem Turm V (Euphemia) wurde eine Aussichtsterrasse und aus dem Turm VI (Nothburga) das Einfahrtstor zum Pöstlingberg. Lediglich der Turm III (Julia), bei dem bereits kurz nach seiner Fertigstellung schwere Baumängel aufgetreten waren, ist nicht mehr erhalten. Das Fort ist heute von einer gepflegten Parkanlage umgeben.

Die Klause Adelgunde am rechten Donauufer ist auch als „Burschenschaftsturm“ bekannt. 1917 wurde der bereits stark verwahrloste Bau von den Burschenschaften der deutschsprachigen Hochschulen der österreichisch-ungarischen Monarchie erworben, restauriert und als Ehrenmal für die gefallenen Burschenschafter adaptiert. In drei Stockwerken sind Gedenkräume eingerichtet. Von den Normaltürmen am besten erhalten ist der Turm Nr. 25 (Winfriede), der vor einigen Jahren durch das Bundesdenkmalamt saniert wurde. Die meisten der Türme wurden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts an Private verkauft und dienen als originelle Zweitwohnsitze. Der Turm Nr. 9 (Apollonia) wurde noch im Ersten Weltkrieg als Munitionsdepot genutzt. Im Zweiten Weltkrieg standen unmittelbar vor ihm Fliegerabwehrgeschütze. Zuletzt diente er als Gastarbeiterquartier. Seit 1999 ist in ihm das Stadtmuseum Leonding untergebracht. Auch der Turm Nr. 13 (Genoveva), in dem ab 1973 das Rote Kreuz ein Ausrüstungslager für Katastrophenzwecke eingerichtet hatte, wurde im Jahr 2000 von der Stadtgemeinde Leonding erworben und teilsaniert. Der Turm Nr. 12 (Agnes) beherbergte lange Zeit ein gut besuchtes Ausflugslokal. Es ist jedoch seit einigen Jahren geschlossen. Obwohl die Maximilianischen Türme nie zum Einsatz gekommen sind und ihre Wehrhaftigkeit beweisen konnten, sind sie heute ein wichtiges Beispiel der österreichischen Militärarchitektur des Biedermeiers. Außerhalb von Linz sind sie aber nur wenig bekannt.

Lage: Oberösterreich – rund um Linz

Besichtigung: die meisten der noch existierenden Türme sind nur von außen zu besichtigen, bei einigen ist jedoch auch das Innere zugänglich

Homepage: www.kulturm.at


Weitere Literatur:


08.05.2007