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Gartenpalais Colloredo


Das Palais Colloredo ist wie das Palais Schönburg einer der letzte Reste der einstigen barocken Gartenvorstadt auf der Wieden. Es wurde vermutlich um 1699 unter dem "kayserlichen Cammer-Perlsticker und Burger" Emerich Jacob Beurden, errichtet, doch weist es zahlreiche Um- und Zubauten aus verschiedenen Zeiträumen auf. Auf einem Stadtplan von 1706 ist sein U-förmiger Grundriß klar erkennbar. Zu den späteren Besitzern zählte u. a. der kaiserliche Kammermaler Martin Meytens. In einer Vogelschau-Ansicht von Josef Daniel Huber (1769-1774) wird das Gebäude als kleines dekorloses Gartenpalais mit flachem Mittelrisalit an der Gartenfront und ebenerdigen, den Ehrenhof flankierenden Trakten, mit abschließendem Gittertor zur Gasse, dargestellt. 1815 ließ Leopold Graf Kinsky die Seitentrakte im Hof durch Adam Hildwein aufstocken, wodurch ein repräsentatives klassizistisches Palais entstand. Vermutlich um 1820 wurde der Gartenfront ein kräftiger Mittelrisalit mit Erdgeschoßarkaden vorgesetzt. Unter dem Besitzer Franz Winkler wurde 1824 der große Saal durch Trennmauern in drei schmale Räume unterteilt und eine Zwischendecke eingezogen. In den Jahren 1874 bis 1876 erfolgte der Bau eines viergeschossigen Gassentraktes durch Theodor Hoppe für den Bauherrn Franz Pranter. Dadurch erhielt das Palais ein völlig neues Erscheinungsbild. Der bisherige Ehrenhof wurde zu einem rechteckigen Innenhof geschlossen, so dass das barocke Gartenpalais – wie beim Palais Carl Ludwig - von der Straße aus nicht mehr sichtbar ist. Sämtliche Fronten wurden neu fassadiert. Hoppe bereicherte die Gartenfassade des barocken Palais durch Sgraffitoschmuck in den Parapetfeldern, den Friesen der Gesimse und in den Zwickeln und Giebelfeldern der neuen Segmentbogenverdachungen über den Fenstern des Mittelrisalits. Auch der Portalbau an der Hoffassade wurde damals errichtet. Im Inneren wurde das Stiegenhaus an die rechte Seite des Einganges verlegt. Die Unterteilungen des großen Saales wurden wieder entfernt und die Decke wieder angehoben. 1925 wurden die Seitenteile des Palais aufgestockt, wodurch die Überhöhung des Gartenrisalits verloren ging. Die Sgraffiti der Gartenfront wurden übertüncht und die reichen Details der Fensterrahmungen des Mittelrisalits abgeschlagen. Seit 1948 ist im Gartenpalais ein Pfarrkindergarten untergebracht, während der Vordertrakt vermietet ist. Das Gebäude ist im Besitz der Pfarre Wieden.

Das Palais besteht aus zwei verschiedenen Teilen: dem barocken Gartentrakt und dem historistischen Gassentrakt. Hinter letzterem liegt ein längsrechteckiger Hof, der vom dreigeschossigen Gartenpalais und zwei zweigeschossigen Seitentrakten umfasst wird. Das Palais war also bis zur Errichtung des Straßentraktes eine U-förmige Anlage mit einer Art Ehrenhof gegen die Waaggasse hin. Durch eine Sala terrena gelangte man in einen großen, von Mauern umgebenen Garten, von dem heute nur mehr ein kleiner Rest vorhanden ist. Die fünfachsige Gartenfassade wird durch einen kräftig vortretenden dreiachsigen Mittelrisalit betont. Interessant ist die Sala terrena, der einzige, in seiner Ausstattung vom ursprünglichen Barockbau erhalten gebliebene Raum. Der reich dekorierte Deckenspiegel ist durch Reliefköpfe, Maskenvoluten, Adler und Medaillons mit allegorischen Relieffiguren der vier Jahreszeiten bereichert. Die Decke und das ovale Mittelbild stammen aus dem Jahre 1700. Das Gemälde stellt eine Tag-Nacht Allegorie mit Auroras Sonnenwagen dar. Es wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jh. stark übermalt. Eine Restaurierung ist in Vorbereitung. Eine geschwungene, freistehende Holztreppe mit Maskenschmuck am schön gearbeiteten Geländer führt in das Obergeschoß, wo sich der Festsaal befindet. Seine flache Spiegeldecke ist mit schwerem Stuckwerk versehen, ebenso die Supraporten. Die ursprünglichen weinroten Tapeten in den großen Rahmenfelder der Wände sind nicht mehr erhalten. Der achtachsige Gassentrakt ist als Teil der strenghistoristischen Verbauung der Waaggasse ein palaisartiges Mietshaus in den Formen der römischen Hochrenaissance. Die Fassade verdankt ihre dekorative Wirkung dem Wechsel von verputzten Mauerwerk und Rohziegelflächen. Das Hauptgeschoß weist plastisch vortretende Ädikulafenster mit korinthischen Halbsäulen auf. Im Gegensatz zu den hier verwendeten Dreieckgiebeln sind im zweiten Obergeschoß deutlich vorkragende Segmentgiebelverdachungen anzutreffen. Festongeschmückte Gesimse verstärken den eleganten Eindruck dieses kleinen Palais.

Ort/Adresse: 1040 Wien, Waaggasse 4

Besichtigung: nur von außen möglich. Der Hof ist zugänglich.


Weitere Literatur:


01.09.2002