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Innsbruck - Mühlau


Mühlau gehört zu den interessantesten Schlösser des Landes, aber wohl auch zu den unbekanntesten. Letzteres vor allem, da weder das Schloss noch der Park öffentlich zugänglich ist. Im 15. Jahrhundert betrieb der Mühlauer Bach nicht nur Mühlen sondern auch die Eisenhämmer verschiedener Plattner-Werkstätten. Ihre Turnier- und Prunkharnische waren in ganz Europa gefragt. Die Harnischmeister waren für die Qualität ihrer Erzeugnisse berühmt und gelangten bald zu beträchtlichem Wohlstand, den sie durch die Errichtung schlossartiger Ansitze dokumentierten. Das heutige Schloss Mühlau, das bis vor wenigen Jahrzehnten noch Schloss Sternbach genannt wurde, besteht aus den beiden einst selbständigen Ansitzen Grabenstein und Rizol. Sie sind die letzten noch existierenden Herrensitze dieser Art im Innsbrucker Stadtteil Mühlau. Vor allem Grabenstein zählt zu den besterhaltenen spätgotischen Edelsitzen Tirols. Es wird 1504 erstmals erwähnt und war damals ein landesfürstliches Lehen. Möglicherweise ist es mit dem 1288 genannten Gut Arcelmuelin des Landesfürsten Meinhard II von Görz und Tirol identisch. Seine Bausubstanz stammt im wesentlichen aus den 70er Jahren des 15. Jahrhunderts. Lediglich das Dach wurde um 1720 verändert. Auch die im Süden angebauten Trakte stammen noch aus der Zeit der Gotik. 1504 verkaufte König Maximilian I den Ansitz dem Benedikt Katzenloher als freies Eigen. Katzenloher war Leiter der maximilianischen Messinghütte. Er vererbte das Gebäude an seinen dortigen Nachfolger Ulrich Kussinger. 1564 verkaufte es Wilhelm Freiherr von Wolkenstein an Andreas Dum von Ferklehen, der es der Hofkammer vermietete, die hier das erste österreichische Münzwalzwerk betrieb. Dum verkaufte den Bau aber bereits 1570 an Christof Graber. Das Walzwerk übersiedelte bald nach Hall und Graber durfte sich ab 1572 Graber von Grabenstein nennen. 1586 erwarb der Tiroler Kanzler Leoman Schiller von Herdern den Edelsitz. Er ließ 1589 eine dem Papst Leo geweihte Kapelle errichten. Sie war die Vorgängerin der heutigen Schlosskapelle. Leoman Schillers Schwiegertochter Elisabeth verkaufte Grabenstein 1645 an Sebastian Strauß von Amoltern. 1660 veräußerte dieser seinen Herrensitz an den Kammerdiener der Erzherzogin Anna, Rochus Mathioli von Sonnegg. Ab 1664 gehörte er Georg Cardinaler. 1714 kaufte ihn der als Gewerke im Ahrntal reich gewordene Franz Andreas Wenzl von Sternbach. Zusätzliches Vermögen brachten ihm seine beiden Gattinnen Rebecca von Plawen und Elisabeth Freiin Colonna von Völs zu. Sternbach wollte sich zuerst in Wilten ein Barockschloss errichten lassen, doch wurde dieses Vorhaben durch das Stift Wilten verhindert.

An der Stelle des Edelsitzes Rizol befand sich einst ein Wohnhaus, das 1469 dem Plattner Kaspar Rieder gehörte. Caterina Schmidmann, geb. Rieder, ließ um 1538 umfangreiche Bauarbeiten durchführen, die sie aber nicht finanzieren konnte. Rizol ging daher 1540 an zwei Geldverleiher über, die es 1543 an Dr. Ulrich Schmotzer verkauften. Dieser wurde 1555 mit dem Prädikat „von Rizol“ geadelt. Auf ihn folgten 1600 Paul Schnestl von Liechtenthurn und 1605 der flämische Bildhauer Alexander Colin, der zuvor u. a. am Maximiliangrab in der Innsbrucker Hofkirche gearbeitet hatte. Dessen Tochter verkaufte den Ansitz 1622 an Berthold Graf Wolkenstein. 1655 wechselte der Besitz vom Freiherrn von Girardi auf Zacharias von Ingram. Die folgenden Eigentümer waren Paul von Torelli (1660) und Hildebrand von Goldegg (1676). 1707 kaufte Franz Andreas Wenzel Freiherr von Sternbach den Edelsitz. Im Jahr zuvor hatte er das Gericht Thaur, zu dem auch Mühlau gehörte, übernommen. Er verlegte es nach Rizol. Sternbach legte Grabenstein und Rizol zusammen und brachte die beiden Ansitze gemeinsam mit dem 1717 erworbenen Gut Mühlegg sowie dem Purnhof in Arzl in das Sternbachsche Fideikommiß ein. Das bekannteste Mitglied der Familie Sternbach war die eingeheiratete Therese Sternbach (geb. Obholzer), die 1809 eine treibende Kraft im Aufstand gegen die französischen Besatzer war. Allerdings führte dies zu einer Plünderung des Schlosses durch die Franzosen. Der durch Zukäufe vergrößerte Gutskomplex blieb bis 1931 im Familienbesitz, doch hatte sich die finanzielle Situation im 19. Jahrhundert wesentlich verschlechtert, was zu einer Vernachlässigung der Schlossbauten führte. Der 1853 durchgeführte Versuch einer Seidenraupenzucht scheiterte wie überall in Österreich auch hier. 1932 ging Mühlau durch Schenkung der Frau Johanna Sternbach, verwitwete von Liphart, an Dr. Ernst von Liphart über. Der Schlosskomplex gehört heute Dr. Bernhard von Liphart, dem Präsidenten des Österreichischen Burgenvereins. In jahrzehntelangen Bemühungen ist es ihm gelungen, dem bereits ramponierten Schloss wieder seinen einstigen Glanz zu geben.

Die beiden dreigeschossigen Herrensitze, die den Gebäudekomplex bilden, liegen in einem stumpfen Winkel zueinander. Der Ansitz Grabenstein ist ein rechteckiger Bau mit Satteldach und teilweise ausgebautem Dachgeschoß. Die vier Eckerker sind mit Zeltdächern gedeckt. Der Wohnbau und die am Bach gelegenen Wirtschaftsbauten begrenzen einen kleinen Hof. In der Mitte der Südfront ist ein breiter, im oberen Bereich erneuerter Söller vorgebaut. Darüber befinden sich eine gemalte Sonnenuhr sowie das Sternbach-Wappen. Der Ansitz hat sein Aussehen aus dem 15. Jahrhundert weitgehend bewahrt. Ein breites Spitzbogenportal (um 1460/70) führt in der linken Hälfte der nördlichen Giebelfront ins Innere. Die zweiflügelige Haustür ist neugotisch. An einer Wand der gotischen Erdgeschoßhalle erkennt man das Fresko eines geharnischten Ritters (um 1460). In der benachbarten großen segmentbogigen Wandnische ist neben einem vermauerten Fenster eine kleine gotische Lichtnische eingelassen. Die Erker sind ebenso wie die Erdgeschoßräume des Hauses und die Küche mit Kreuzgewölben ausgestattet. Da Mühlau aus zwei Ansitzen besteht, verfügt es auch über zwei Schlosskapellen. Die an der Ostseite des Hofes von Grabenstein liegende barocke Mariahilf-Kirche wurde um 1720 durch den für seine Frömmigkeit bekannten Freiherrn Franz Andreas Wenzel von Sternbach errichtet. Mit einer Grundfläche von 21 x 9 m ist sie für den kleinen Ansitz überraschend groß. Ihr markantester Bauteil ist ein schlanker Turm, der sich über der angebauten Sakristei erhebt. Es handelt sich dabei um eine verputzte Holzkonstruktion, die von einem achteckigen Aufsatz mit Zwiebelhelm und Laterne abgeschlossen wird. Die Eingangsfront der Kirche ist durch vier flache Pilaster gegliedert. Sie stützen ein Gebälk, das einen kleinen Dreiecksgiebel trägt. Die Decke des Innenraumes wurde um 1720 von Kaspar Waldmann mit Fresken geschmückt. Sie zeigen Szenen aus dem Marienleben. In kleinen Gemäldefeldern sind Gleichnisse aus der Lauretanischen Litanei dargestellt. Ein Brand im Jahr 1738 machte eine Neustuckierung, diesmal im Rokokostil, erforderlich. Die Fresken- und Stuckausstattung macht die Kirche zu einer der schönsten ihrer Art in Tirol. Der Altar aus Stukkolustro nimmt die ganze Südwand ein. Das ovale Altarbild mit der Mariahilf-Madonna wird von Engeln getragen. Die prächtige Orgel ist ein Werk von Augustin Simnacher (1725).

Der Ansitz Rizol war ursprünglich ebenfalls rechteckig. Durch den Anbau zweier barocker Flügel öffnet sich sein trapezförmiger Hof heute zum Garten hin. Diese Öffnung wird aber durch eine rundbogig ausschwingende Mauer abgeschlossen. Hofseitig hat der Haupttrakt nur zwei Fensterachsen. Der Westflügel ist hier sechsachsig, der Ostflügel fünfachsig. Ein runder Treppenturm springt zu einem Drittel aus der Fassade vor. Zwischen ihm und dem Haupttrakt liegen flachbogige Pfeilerarkaden, die lange vermauert waren und 1956 freigelegt worden sind. Der Brunnen im Hof zeigt das Sternbach-Wappen. Die Vorderseite des Haupttraktes ist fünfachsig. Sie wird von einem geschwungenen Giebel abgeschlossen, der nachträglich erhöht wurde. Das Erdgeschoß ist fensterlos. Die Geschosse werden durch Faschen optisch getrennt. Das hohe Korbbogenportal ist rustiziert. Die schmucklosen Seitenfronten sind elfachsig. Die barocke Holztür weist einen kunstvoll gearbeiteten Türklopfer auf. Im Erdgeschoß führt eine zweiarmige Treppe mit einem zarten Schmiedeeisengitter aus dem ersten Viertel des 18. Jahrhunderts in die Obergeschosse. Die Beletage befindet sich im zweiten Stock. Hier liegen das um 1740 stuckierte Tafelzimmer sowie das östlich anschließende Chinesenzimmer. Die Wände des letzteren sind mit bemalten Leinwandtapeten bespannt, die landesspezifische Szenen zeigen. Auch der große Stuckkamin ist mit Chinoiserien geschmückt. Im westlich an das Tafelzimmer grenzende Bodenzimmer steht ein schöner Keramikofen. Er zeigt an seiner Vorderseite das Allianzwappen Sternbach-Völs und an den Seitenfronten hübsche Fantasielandschaften. Die Wände des Raumes sind mit Leinwandtapeten bedeckt, die ländliche Szenen mit Hirten und Schäfer zeigen. Die Hauskapelle liegt im Dachgeschoß des Mitteltraktes, was für ein Schloss eher ungewöhnlich, da unbequem ist. Sie ist ein schmaler rechteckiger Raum (10 x 3,5 m) mit abgerundeten Ecken. Wände und Decken sind reich mit Stuck geschmückt. Die südliche Schmalwand wird zur Gänze von einem prächtigen Portal eingenommen. Es ist mit fast vollplastischen Putten verziert. Die Fresken der Kapelle stammen ebenfalls von Kaspar Waldmann. Im Mittelfeld des Deckenbildes ist die thronende Muttergottes abgebildet. Im zweiten Obergeschoß des Westtraktes liegen die sog. Fürstenzimmer, die ihren Namen einem Besuch des Fürsten Kaunitz anlässlich des Todes von Kaiser Franz I verdanken. Auch sie sind mit Fresken von Kaspar Waldmann und reichem Stuckzierat versehen. Das große Mittelfeld des nördlichen Fürstenzimmers zeigt ein Bacchanal, bei dem die römischen Götter um Bacchus versammelt sind. Die gemalten Wanddekorationen wurden erst um 1800 von Placidus Altmutter geschaffen. Auch in diesem Raum steht ein qualitätvoller Keramikofen. Das südliche Fürstenzimmer ist ähnlich ausgestattet. Anstelle des Keramikofens gibt es hier einen offenen Kamin.

Die beiden Ansitze sind durch zwei Bauten miteinander verbunden. Über die Ferdinand Weyrer Straße führt ein kreuzgratgewölbter Torbau vom Haupttrakt von Rizol zum südöstlichen Eckerker von Grabenstein. Ein weiterer Verbindungsbau führt brückenartig vom Westflügel Rizols zum Oratorium der Grabensteiner Schlosskirche. Der 4,5 Hektar große barocke Park von Mühlau, der unterhalb der beiden Ansitze liegt, ist von Mauern begrenzt. Er besteht aus drei Teilen: dem ehemaligen barocken Gartenparterre unterhalb des Schlosses und zwei erhöht gelegenen Gartenteilen, zu denen steinerne Treppen hinauf führen. In ihm steht ein Weiherhäuschen, dessen Decke mit Malereien aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts geschmückt ist. Nicht mehr erhalten sind die Gloriette und eine Grotte.

Ort/Adresse: 6010 Innsbruck, Sternbachplatz 2


Weitere Literatur:


29.03.2007