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Wien - Ober St. Veit


Die erste urkundliche Nennung des Ortes Ober St. Veit stammt aus dem Jahr 1195. Um 1170 hatten die Bewohner des tiefer gelegenen Gottinesfeld ihren Ort verlassen, da dieser unter den Überschwemmungen des Wienflusses ständig zu leiden hatte. Sie verlegten ihre Siedlung an den Platz des heutigen Ober St. Veits. Zu diesem Zeitpunkt stand hier bereits ein Festes Haus mit einer dem Hl. Veit geweihten Kirche. Von 1195 bis etwa 1280/90 saß hier eine Ministerialenfamilie, die sich nach St. Veit nannte. Ab 1315 werden als Besitzer der Feste die Herren von Toppel mehrfach erwähnt. Stephan von Toppel verkaufte sie 1361 an Herzog Rudolf IV. Durch eine Schenkung gelangte die Herrschaft 1365 an die Propstei Allerheiligen bei St. Stefan. Sie verblieb auch dort, als 1368 die meisten Dotationsgüter zurückgestellt wurden. Mit der Abtrennung des Wiener Gebietes vom Bistum Passau und der Errichtung einer eigenen Wiener Diözese fiel auch Ober St. Veit 1468 an den Bischof von Wien. 1483 wurde das Schloss von den Truppen des ungarischen Königs Matthias Corvinus besetzt und geplündert. Beim Türkeneinfall von 1529 wurde es gemeinsam mit der benachbarten Kirche niedergebrannt. Es war noch 1534 unbewohnbar, doch wurde es bereits 1542/43 von Bischof Friedrich Nausea und 1579 von Bischof Johann Caspar Neubeck wieder frequentiert. Auch nachdem Bischof Philip Friedrich Graf Breuner 1660 einen großzügigen Ausbau veranlasste, erfolgten immer wieder Um- und Ausbauten. Die ersten umfangreichen Arbeiten waren schon nach der Zweiten Türkenbelagerung Wiens von 1683 erforderlich. Zur Herrschaft Ober St. Veit gehörte auch die Landgerichtsbarkeit für Baumgarten, Hacking, Hütteldorf, Lainz, Penzing, Purkersdorf und Speising.

Der erste Wiener Erzbischof, Sigismund Graf Kollonitsch, ließ das Schloss gemeinsam mit der Pfarrkirche 1742 durch den Baumeister Mathias Gerl von Grund auf erneuern. Damals erhielt es sein barockes Aussehen, das es bis heute bewahren konnte. Bei dieser Gelegenheit dürfte der am Vischer-Stich von 1672 erkennbare Turm abgebrochen worden sein. Kollonitsch ließ auch den großen Park anlegen. 1762 verkaufte Kardinal Christoph Anton von Migazzi das Schloss an die Kaiserin Maria Theresia. Diese benützte es als gelegentliche Sommerfrische. Ihr Hofarchitekt Nicolo Pacassi nahm einige Veränderungen vor. Auf ihn geht vermutlich die Fassadierung zurück. 1762/63 schuf der Maler Johann Baptist Wenzel Bergl im Erdgeschoß bedeutende illusionistische Malereien. 1779 ging das Schloss wieder in das Eigentum des Wiener Erzbistums über. Als 1809 die Franzosen das Gebäude requirierten und ein Militärspital darin einrichteten, wurde es stark in Mitleidenschaft gezogen. Erzbischof Ernst Leopold Graf Firmian ließ in den Jahren 1822 bis 1831 das devastierte Schloss renovieren. Er ließ auch den Garten neu anlegen und die Alleebäume an der Hietzinger Hauptstraße pflanzen. Das Schloss wurde nun bis in die 30er-Jahre des 20. Jahrhunderts von den Erzbischöfen als Sommerresidenz genutzt. Außerdem diente es auch als Alumnat und Exerzitienhaus. Im 19. Jahrhundert war die erzbischöfliche Kunstsammlung hier untergebracht. 1933 wurde sie ins Wiener Dom- und Diözesanmuseum übertragen. 1937 wurde das Schloss ein kirchliches Altersheim. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude schwer beschädigt. Seit 1964 ist in ihm eine Ausbildungsstätte für kirchliche Berufe eingerichtet. Für diesen Zweck musste das Innere adaptiert werden.

Das stattliche Schloss Ober St. Veit steht am Wolfrathplatz, im rechten Winkel zur benachbarten Pfarrkirche. Ein zweiachsiger Verbindungstrakt stellt den Anschluss her. Das Schloss ist zweistöckig. Vier Flügel umgeben einen quadratischen Innenhof. Sie sind mit gleich hohen Walmdächern gedeckt. Die Hauptfront ist nach Osten gerichtet. Ihr Erdgeschoß ist genutet. Es wird von zwei mächtigen rustizierten Rundbogentoren durchbrochen. Dazwischen liegt eine kleine rechteckige, ebenfalls mit Quadern eingefasste Türe. Die beiden Hauptgeschosse der Fassaden werden durch Lisenen und schmale vertiefte Felder gegliedert. Die Fenster weisen profilierte Sohlbänke und gerade Verdachungen auf. In der Mitte der Westfront führt ein segmentbogiges Portal in den Garten. Hinter seinen beiden Torflügeln kann es durch ein spätbarockes schmiedeeisernes Gitter verschlossen werden. Das Tor wird von zwei Wandpfeilern flankiert, die auf stark ausladenden, reich profilierten Volutenkonsolen einen schmalen Balkon tragen. Dieser wird von einem hübschen Schmiedeeisengitter begrenzt. Die Hoffronten sind schlicht gehalten. Einziger Schmuck ist eine große Sonnenuhr am Westtrakt. Sie zeigt Boreas und Oreithyia, den griechischen Gott des Nordwindes und seine Gefährtin. Dem Ostflügel wurde 1937 ein dreigeschossiger Korridorbau vorgesetzt, dessen Erdgeschoß in eine auf fünf gemauerten Pfeilern und zwei Halbpfeilern ruhende, gratgewölbte Laube aufgelöst ist. An ihrem Südende liegt die Haupttreppe, während ihr Nordende zu den von Bergl ausgeschmückten Gartenzimmern führt. In vier Räumen, die sich durch rechteckige Fenstertüren zum Park hin öffnen, ist die Dekoration noch komplett erhalten. Die Zimmer sind unregelmäßig gewölbt. Ihre Wände sind vollständig mit bemalten Textilbespannungen bedeckt. Die Malereien, die sich an der Decke fortsetzen, stellen exotische Landschaften und Tiere dar. Bei letzteren ist klar ersichtlich, dass sie der Maler nur vom Hörensagen kannte. Die Landschaften werden durch Gruppen von Eingeborenen belebt, die teilweise Federkronen tragen. Die Szenen wurden leider 1894 stark übermalen. Um 1980 wurden sie neuerlich restauriert.

Im ersten Stock befand sich die alte Kapelle. Sie wurde durch die heutige moderne Kapelle ersetzt, die in einer umgebauten ehemaligen Küche eingerichtet wurde. Die ganze Ostseite des zweiten Stocks wird von einem Korridor eingenommen, der sechs Fensterachsen lang ist und an jeder Seite eine Tür hat. Auch er ist an Wänden und Decke vollständig mit Fresken aus dem zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts bemalt. Es werden mythologische und allegorische Szenen gezeigt. Man erkennt Bacchus mit Gefolge sowie Apollo und einige römische Helden. Die Decke wird durch Scheinarchitekturen gegliedert. Zwischen ihnen sind die Jahreszeiten Frühling, Sommer und Herbst dargestellt. Der Winter fehlt. An seiner Stelle befindet sich eine allegorische Verherrlichung des Hauses Habsburg. Sie wurde erst später angebracht. Über den Türen erkennt man die gemalten Büsten der Kaiserin Maria Theresia und des Kaisers Franz Stephan I. Die Fresken stammen von verschiedenen Künstlern, die aber namentlich nicht bekannt sind. Von der alten Einrichtung sind noch einige alte Öfen erhalten. Die Kapelle liegt an der Nordseite im ersten Stock. Sie ist modern ausgemalt. Ein berühmter Flügelaltar, den Hans Schäufelein nach Zeichnungen Albrecht Dürers um 1508 schuf, wurde in das Wiener Diözesanmuseum übertragen. Er gehörte aber nicht zur ursprünglichen Ausstattung, sondern wurde erst in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts aus einer Privatkapelle des Wiener Erzbischöflichen Palais hierher gebracht. Vom Schloss führten zwei unterirdische Fluchtgänge weg. Sie wurden 1899 zugeschüttet, so dass man nicht weiß, wohin sie führten. Zum Schloss gehörte auch ein Park und das angrenzende Grundstück Firmiangasse 7, auf welchem Kardinal König 1972 ein bischöfliches Wohnhaus errichten ließ. Der ehemalige Meierhof wurde um 1850 zum Pfarrhof umgewidmet. Er wurde 1961/62 durch einen Neubau ersetzt.

Ort/Adresse: 1130 Wien, Wolfrathplatz 2

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


25.03.2007