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Hetzendorf


Unter dem Namen Hitindorf wird der Ort bereits in der Regierungszeit des Markgrafen Leopolds III (1096 – 1136) erstmals erwähnt. Damals schenkte der Babenberger das Gut dem von ihm gegründeten Stift Klosterneuburg. Hietzing und Hetzendorf dürften auf die gleiche Besitzerfamilie zurückgehen. 1190 wird ein Henricus de Hetzingen genannt. Grundherr blieb aber weiterhin Klosterneuburg. Nach der Zweiten Türkenbelagerung von Wien 1683 entwickelte sich der ländliche Vorort zu einer beliebten Sommerfrische des Adels. Maria Benigna Fürstin Piccolomini hatte bereits 1675 hier einen Hof vom Wiener Augustinerkloster erworben. Er dürfte aber das Türkenjahr 1683 nicht überstanden haben. Sie verkaufte die Liegenschaft 1690 an Franz Sigismund Graf Thun. Er kaufte auch die drei angrenzenden Höfe und ließ um 1694 wahrscheinlich durch Johann Bernhard Fischer von Erlach ein eingeschossiges Jagschlösschen errichten, das nach seinem Besitzer „Thunhof“ oder „Thunswert“ genannt wurde. Der Thunhof verfügte noch über keinen Ehrenhof und war nach Süden ausgerichtet. Gräfin Eleonore Thun brachte Hetzendorf in ihre Ehe mit Anton Florian Fürst Liechtenstein ein. Dieser war Obersthofmeister Kaiser Karls VI. 1712 konnten die nördlich anschließenden Parzellen erworben werden, so dass Johann Lucas von Hildebrandt den Bau umgestalten und nach Norden zur Hetzendorfer Straße hin orientieren konnte. Gleichzeitig entstand ein prächtiger Park im französischen Stil. Bis 1719 wurde das Gebäude durch Anton Ospel und Antonio Beduzzi noch zweimal verändert und erweitert. Es entstand ein barockes Gartenschloss. Die Tochter des Fürsten, Marie Karoline, war mit Altgraf Franz Wilhelm zu Salm-Reifferscheidt verheiratet. Nach ihrem Tod kaufte 1742 die k. k. Hofkammer für Kaiserin Maria Theresia das Schloss. Die damals erst 25 Jahre alte Kaiserin ließ das Gebäude vom Hofarchitekten Nicolo Pacassi für ihre verwitwete Mutter Elisabeth Christine adaptieren und durch die Verlängerung der beiden Seitentrakte nach Osten und Westen erweitern. Pacassi ließ die offene Durchfahrt der Sala terrena durch hohe Glastüren und Fenster schließen, wodurch ein repräsentatives Vestibül entstand. Die ehemalige Rückseite im Norden wurde nun die Hauptfront.

Um das Kaiserhaus als Besitzer auszuweisen, wurde die ursprünglich karminrote Fassadenfarbe durch das bekannte Schönbrunnergelb ersetzt. Auch die heutige Schlosskapelle stammt aus dieser Bauphase. Umfangreiche Grundankäufe kamen vor allem der Vergrößerung des Parks zugute. Bis 1750 wurden namhafte in- und ausländische Maler, Stukkateure sowie Garten- und Innenarchitekten mit der repräsentativen Gestaltung des Landsitzes beauftragt. Vor allem bei der Innenausstattung wurden keine Kosten gescheut. Nach dem Tod von Elisabeth Christine stand das Gebäude längere Zeit leer. Die meisten Möbel und Gemälde wurden in die Wiener Hofburg sowie in andere kaiserliche Schlösser gebracht. Maria Theresia und ihre Kinder hielten sich dennoch gerne hier auf, da ihnen dies vom Leibarzt der Kaiserin, Gerard van Swieten, aus gesundheitlichen Gründen empfohlen wurde. Erzherzogin Marie Christine, die Lieblingstochter Maria Theresias und ihr Gatte, Herzog Albrecht von Sachsen-Teschen, wohnten sogar zeitweise ständig hier. Als Maria Theresia 1762 die Pockenimpfung in Österreich einführte, ließ sie diese vorerst im Schloss an adeligen, später auch bürgerlichen Kindern durchführen, die anschließend drei bis vier Wochen zur Kontrolle hier wohnen durften. Kaiser Josef II bewohnte in seinen letzten Lebensjahren zeitweilig das Schloss, da er das Hetzendorfer Klima für seine Lungenerkrankung als besonders günstig hielt. Um Platz für seinen Hofstaat zu schaffen, wurde das Schloss um Vorder- und Seitentrakte erweitert, so dass es zuletzt über 150 Räume verfügte. Als Herzog Albrecht 1781 zum Generalstatthalter der österreichischen Niederlande berufen wurde, nahm man die hier befindliche bedeutende Porzellansammlung sowie einen Teil der Gemäldegalerie in das Schloss Laeken bei Brüssel mit. 1789 mussten Albrecht und Marie Christine wegen einer Revolution aus Brüssel flüchten. Die mitgebrachten Kunstgegenstände sollten mittels Schiff nach Österreich zurückgebracht werden, doch gingen sie bei einem Schiffbruch verloren.

Unter Kaiser Franz II (I) hatte das Schloss seine glanzvollste Periode. Vor allem der Schlosspark wurde für prunkvolle Sommerfeste genutzt. Zu diesem Zweck wurde er mit 400 Öllampen beleuchtet. Ab 1800 lebten hier einige in den Napoleonischen Kriegen vertriebene Habsburger, wie Maria Karolina, die Königin von Neapel-Sizilien und Maximilian Franz, Kurfürst und Erzbischof von Köln, die beide im Schloss starben. 1809 hauste im Schloss eine französische Besatzung, die beträchtliche Schäden verursachte. Nach dem Tod des Kaisers Franz 1835 bevorzugte das Kaiserhaus meist andere Schlösser. Hetzendorf wurde vor allem als kaiserliches Gästehaus verwendet. 1848 hatte hier während der Wiener Oktoberrevolution Feldmarschall Alfred Fürst Windischgraetz sein Hauptquartier. Einige Revolutionäre wurden hinter dem Hauptgebäude standrechtlich erschossen. Von 1861 bis 1871 bewohnte Erzherzog Carl Ludwig, ein Bruder Kaiser Franz Josephs, das Schloss. 1867 kam es bei einem Abendempfang im Badener Schloss Weilburg zu einem tragischen Unfall, als das Kleid der jungen Erzherzogin Mathilde Feuer fing. Die Tochter von Erzherzog Carl, dem Sieger von Asparn, erlag wenige Tage später in Schloss Hetzendorf, wohin man sie zur Behandlung und Pflege gebracht hatte, ihren Brandverletzungen. 1870 verbrachte der 1849 wegen Hochverrat in Abwesenheit zum Tod verurteilte aber mittlerweile zum ungarischen Ministerpräsidenten avancierte Gyula Graf Andrássy einige Wochen im Schloss. Während der Weltausstellung von 1873 logierten hier das deutsche Kronprinzenpaar Friedrich Wilhelm und Viktoria. In den Jahren 1901 und 1902 bewohnten Prinzessin Stephanie, die Witwe des Kronprinzen Rudolf und ihr zweiter Ehemann, Graf Elemér Lónyay von Nagy-Lonya das Schloss. Sie gaben hier anlässlich der Hochzeit von Elisabeth Marie, der Tochter des Kronprinzen, mit Otto Weriand Prinz von Windisch-Graetz ein festliches Abendessen.

1911 bestimmte man das Gebäude als Wohnsitz für den späteren Kaiser Karl und seine Gattin Zita. Zu diesem Zweck musste es zuvor modernisiert werden. Strom und Telefon wurden eingeleitet und eine neue Heizung installiert. Kaum waren die Arbeiten beendet, brach der Erste Weltkrieg aus. Erzherzog Karl wurde Thronfolger und musste auf Wunsch Kaiser Franz Josephs nach Schönbrunn übersiedeln. Mit dem Zusammenbruch der Monarchie gelangte das Gebäude in den Besitz der Republik Österreich. Das Hauptgebäude wurde 1918 geschlossen, die Nebengebäude an Kriegsinvalide vermietet. Aber auch Künstler bekamen hier eine Wohnung. Von 1923 bis zu seinem Tod 1934 hatte der Bildhauer Anton Hanak im westlichen Nebentrakt sein Atelier. Auch der Geiger Bronislav Hubermann verbrachte die letzten Jahre vor seiner Emigration nach Amerika im Schloss. Während des Zweiten Weltkrieges wurde der linke Ehrenhofflügel durch einen Bombentreffer zerstört und nach dem Krieg wieder instand gesetzt. Unter anderem war auch die Kapelle mit der Sakristei schwer beschädigt worden. 1945 war im Schloss die russische Ortskommandantur untergebracht. Nach deren Abzug stand das Schloss leer. In dieser Zeit wurde auf der Suche nach Brennmaterial vieles entwendet, darunter Türen, Fenster und Wandverkleidungen. Die wertvollen Ausstattungsstücke und Kunstwerke, wie z. B. das Chinesische Zimmer waren aber schon Jahre zuvor in verschiedenen Salzbergwerken zum Schutz von Kriegszerstörungen in Sicherheit gebracht worden. Seit 1946 sind im Schloss die Modeschule der Stadt Wien sowie die Modesammlung des Historischen Museums der Stadt Wien untergebracht. Die Sammlung besteht aus mehr als 18.000 historischen Objekten. Das Schloss wurde von der Stadt Wien zuerst gepachtet und dann 1987 angekauft. Auf der Parkterrasse finden jährlich Modeschauen statt.

Eine lange Allee verbindet seit 1757 Schönbrunn mit dem Eingangstor des Schlosses Hetzendorf. Beide Schlösser sind einander ähnlich, wenn auch Hetzendorf wie die kleinere Schwester des großen Schönbrunns wirkt. Der gut proportionierte zweigeschossige Haupttrakt bildet an der zur Hetzendorfer Straße gerichteten Seite mit den eingeschossigen Nebengebäuden einen etwa querovalen Ehrenhof. Daran schließen sich weitere Höfe und Wirtschaftsgebäude an, die unter Josef II errichtet wurden. Die Hauptfront zeigt einen leicht zurückgesetzten, dreiachsigen, erhöhten Mittelteil mit einem von vier Säulen getragenen Balkon. Dieser ist von einem schönen barocken Ziergitter begrenzt. Die Fassade ist durch pilasterartige Lisenen und dekorative Fensterbekrönungen reich gegliedert. Diese Gestaltung geht auf Pacassi zurück. Die Mitte der Attikazone wird sowohl an der Hof- als auch an der Gartenfront durch eine Uhr betont. Die mythologischen Attikafiguren stammen wahrscheinlich von Lorenzo Mattieli, der auch die steinernen Sphingen bei den Seiteneingängen im Ehrenhof schuf. Sie zeigen den griechischen Gott Dionysos mit seinem meist weiblichen Gefolge. An den Mittelteil schließen die ebenfalls zweigeschossigen, aber etwas niedrigeren Seitentrakte an. Die beiden Seiteneingänge führten ursprünglich zu je einem Treppenhaus. Seit dem Umbau durch Pacassi befindet sich aber anstelle der Stiege im östlichen Seitenflügel die Schlosskapelle. Die Gartenfassade präsentiert sich als lang gestreckter mehrteiliger Trakt. Vor dem erhöhten Mittelrisalit liegt eine Terrasse auf drei korbbogigen Arkaden. Hinter dem Schloss hat sich ein Teil des einstigen Parks, allerdings in veränderter Form, erhalten. Hier fanden bis zum Ende des 19. Jh. die „illuminierten Sommernachtsfeste“ der höfischen Gesellschaft statt.

Die Innenausstattung des Barockschlosses erinnert an das von Maria Theresia bevorzugte Schönbrunn. Vom Ehrenhof gelangt man in das Vestibül mit seinen ionischen Doppelsäulen, die das Muldengewölbe tragen. Daniel Gran schuf hier 1746/47 das von Stuckreliefs umgebene Deckenfresko „Aurora“, der Göttin der Morgenröte. An den Stirnseiten finden sich über den mit rotem Marmor verkleideten Kaminen gerahmte Stuckreliefs mit Darstellungen aus der römischen Geschichte. Der ausführende Künstler ist unbekannt. Das Deckenbild „Putten und Genien“, in der an der Gartenfront liegenden Marmorgalerie, wird Peter Joseph Huber zugeschrieben. Die Stuckarbeiten gehen auf den Hofstukkateur Alberto Camesina zurück. Von großem künstlerischem Wert sind die im ersten Stock gelegenen Repräsentationsräume. Zentrum des Gartenschlosses ist der zur Gänze freskierte Festsaal. Seine malerische Ausstattung nach dem Gesamtentwurf von Antonio Beduzzi zählt zu den besten Beispielen der hochbarocken Quadraturmalerei in Wien. Die Figurenmalerei führte Carlo Innocenzo Carlone aus, während die Scheinarchitektur von Francesco Messenta stammt. Das Deckenfresko zeigt uns den Götterhimmel, in dem Apoll in seinem Sonnenwagen von einer Vielzahl von allegorischen Gestalten begleitet wird. An den Schmalseiten stehen Kamine, über die Daniel Gran je zwei allegorische Gestalten der vier Elemente gemalt hat. Bemerkenswert sind auch die intarsierten barocken Türen. Gartenseitig schließt an den Festsaal die an den Schmalseiten mit Stuccolustro und eingelassenen Portraitmedaillons verkleidete Spiegelgalerie an. Der zarte Bandelwerkstuck stammt aus den Jahren 1743 bis 1745, dürfte aber um 1900 erneuert worden sein. Die Gemälde in den Rocaillerahmen sind vermutlich Werke des Martin van Meytens bzw. seiner Schule und stellen die Kaiserin Maria Theresia, ihren Gemahl Franz Stephan von Lothringen und Maria Anna, die Schwester Maria Theresias dar. In den leeren Medaillons befanden sich einst Porträts von Kindern Maria Theresias, doch sind die Bilder bei der Auslagerung im Zweiten Weltkrieg verloren gegangen.

Das 1743-45 entstandene Chinesische Zimmer beherbergt eines der kostbarsten erhaltenen Interieurs nach der Mode der Chinoiserien. Sein Entwurf stammt vermutlich von Pacassi nach Vorlagen von Francois Cuvilliés. Die Ausstattung des kleinen rechteckigen Raumes besteht aus einer Rosenholzvertäfelung mit reichem vergoldetem Dekor, gerahmten Feldern mit chinesischen Lackbildern und Specksteinreliefs sowie auf Konsolen stehenden chinesischen Jadefiguren. Besonders schön ist auch der mit ornamentalen Einlegearbeiten geschmückte Parkettboden, der zu den besten Arbeiten Österreichs zählt. Die weniger bedeutenden Räume wurden in den Schulbetrieb integriert. Die meisten Klassenzimmer wurden aber in den ehemaligen Neben- und Wirtschaftsgebäuden untergebracht. Erhalten blieb das Schreibzimmer der Kaiserin Zita, dessen Wände mit Edelholz verkleidet bzw. mit Brokat bespannt sind. Die von Nicolo Pacassi errichtete und 1745 der hl. Dreifaltigkeit geweihte Schlosskapelle ist ein einschiffiger Saalraum, der beide Geschosse einnimmt, nach außen hin aber nicht in Erscheinung tritt. Sie diente von 1784 bis 1805 sowie von 1832 bis 1908 als Pfarrkirche von Hetzendorf. Die Decke ist durch Gurtbögen in drei Felder geteilt. Ihre von Daniel Gran geschaffenen Fresken in den drei Jochen zeigen die Taufe, die Verklärung und die Bergpredigt von Jesus Christus. Die Dekorationsmalerei stammt von Franz Josef Wiedon. Das Hochaltarbild, das die Hl. Dreifaltigkeit darstellt, schuf Karl Auerbach 1745. Der Altar besteht aus schwarzem Marmor, der mit Bronze verziert ist. Die Bilder der beiden Seitenaltäre sind Arbeiten des polnischen Malers Franticzek Leszinski von 1694. Eine Besonderheit in einer katholischen Kapelle ist die kleine Holzstatue des Hl. Christophorus, der die Züge Martin Luthers trägt.

Ort/Adresse: 1120 Wien, Hetzendorfer Straße 79

Besichtigung: das Gebäude kann wegen des Schulbetriebes üblicherweise nur von außen besichtigt werden. Die Schlosskapelle ist jedoch meistens und das Modemuseum nach Anmeldung zugänglich. Ein großer Teil des Parks ist heute eine öffentliche Gartenanlage.

Homepage: www.modeschulewien.at


Weitere Literatur:


04.02.2007