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Gresten - Schloss Stiebar


Der Ort Gresten wird 1230 erstmals urkundlich erwähnt. Damals bestand aber bereits westlich von ihm die Burg Hausegg. Von ihr haben sich nur mehr einzelne Mauertrümmer erhalten. Schon 1142 wird ein Berengar von Hawsec genannt. Er war ein Ministeriale der Babenberger. Von der Burg selbst wird 1181 erstmals berichtet. Als Friedrich III als letzter Hausegger 1305 starb, erbaute Otto I von Zinzendorf, der mit Gertraud, einer Tochter Friedrichs, verheiratet war, im Zuge der Erbschaftsteilung ca. 1 km nördlich der alten Burg eine neue Veste. Sie wurde Niederhausegg genannt, während man die alte Anlage nun als Oberhausegg bezeichnete. Da der Grund dem Bistum Regensburg gehörte, war Niederhausegg ein Lehen der Regensburger Bischöfe. Ab der Mitte des 14. Jahrhunderts war mit ihm ein Landgericht verbunden. Unter Stefan von Zinzendorf wurden 1546 die Herrschaften Ober- und Niederhausegg vereinigt. Oberhausegg wurde dem Verfall überlassen Um 1612 erfolgte ein Ausbau von Niederhausegg, der sich vor allem auf eine Verbesserung der Wehrfähigkeit erstreckte. Die Zinzendorfer, die übrigens gerne mit einem anderen Adelsgeschlecht, den Sinzendorfern, verwechselt werden, gehören zu den ältesten niederösterreichischen Adelsfamilien. Sie stiegen von einfachen Rittern im 16. Jahrhundert zu Freiherren auf und wurden 1662 zu Reichsgrafen ernannt. Sie behielten Niederhausegg bis zum Aussterben des hier ansässigen Familienzweiges um 1738. Nach einem kurzen Zwischenspiel der angeheirateten Grafen von Preysing erwarben 1765 Christoph und Josepha von Stiebar die Herrschaft. Die Stiebars waren bürgerlicher Abstammung und waren erst 1633 geadelt worden. Ab 1790 wurde Niederhausegg vorwiegend als Schloss Stiebar bezeichnet.

Der als Schlösser- und Gütersammler bekannte Obersterbland-Küchenmeister Johann Joseph Freiherr von Stiebar ließ 1794 einen umfassenden Umbau vornehmen, der die Burg endgültig in ein wohnliches Schloss verwandelte. Dabei wurden alle Wehreinrichtungen beseitigt und der ehemalige Burggraben zugeschüttet. An seiner Stelle entstand ein Schlosspark im englischen Stil. Die Bauarbeiten wurden vom Wiener Baumeister Franz Xaver Stadler geleitet. Um 1800 wurden die Fassaden klassizistisch verändert. 1820 verkaufte Christof Graf Stiebar die bereits hochverschuldete Herrschaft an seinen Stiefsohn Josef von Knorr. Auch die Familie Knorr kam aus einfachen bürgerlichen Verhältnissen. Im 18. Jahrhundert zählten zu ihr bereits ein General, ein Reichshofrat und ein Landrat. 1826 besuchten der spätere Kaiser Ferdinand und der Herzog von Reichstadt mit seiner Mutter Maria Luise das Schloss. Josef von Knorrs gleichnamiger Sohn ließ einen 17 ha großen Naturpark anlegen. 1834 war Kaiser Franz I zu Gast. Er bemühte sich vergeblich, die Herrschaft zu erwerben. Als Josef 1839 starb, erbten seine drei Töchter den Besitz. Ab 1848 waren es vor allem Künstler, wie die Maler Jakob Alt und Thomas Ender sowie die Schriftsteller Ferdinand von Saar und Maria Ebner von Eschenbach, die die Gastfreundschaft der Schlossbesitzerinnen Emilie Knorr-Coloredo und Josefine von Knorr genossen. 1908 erbte Otto Graf Seefried das Schloss. Es wird heute noch von seiner Familie bewohnt, aber gelegentlich für Konzerte und andere Veranstaltungen der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.

Schloss Stiebar liegt am südlichen Ortsende von Gresten, knapp oberhalb der nach Gaming führenden Bundesstraße und der kleinen Erlauf. Ein großer Wirtschaftshof befindet sich am Fuße der Schlossterrasse. Das Verwalterhaus und ein anderes Nebengebäude liegen dem Hauptgebäude gegenüber. Dieses ist ein dreigeschossiger Vierkanter. Schauseite ist die sechsachsige Nordwestfront. Das Erdgeschoß ist genutet. Hier führt das rundbogige Tor zum Innenhof. Eigentlich handelt es sich um ein Doppelportal, doch wurde im 20. Jahrhundert eine Einfahrt in eine Garage umgewandelt. In der Mitte der beiden Tore ist ein Steinwappen eingemauert. Es ist jenes der längst ausgestorbenen Familie Stiebar zu Buttenheim in Franken, das der 1795 zum Grafen ernannte Johann Joseph Freiherr von Stiebar übernommen hatte. Das Zentrum der durch Lisenen gegliederten Hauptfassade wird durch einen klassizistischen Dachaufsatz mit Uhr und Steinvase betont. Die Fenster der Beletage sind mit dreieckigen Verdachungen geschmückt, unter denen klassizistische Reliefs mit Frauenköpfen und Blumenvasen angebracht sind. Mit mehr als 2 m Mauerdicke ist die neunachsige schmucklose Südwestfront besonders stark. An der talseitigen Südostfront springt ein viereckiger Kapellenturm markant vor. Sein Obergeschoß zeigt spätgotische Maßwerkfenster, die die dahinter liegende kreuzrippengewölbte Apsis beleuchten. Das Zeltdach des Turmes wird von einer Laterne abgeschlossen, auf der eine kleine Zwiebelhaube sitzt. Die aus dem Walmdach des Schlosses hervorragenden Rauchfänge sind mit Konsolkranzköpfen versehen. Der ansonsten schlicht gehaltene Innenhof wird an seiner Ostseite durch eine korbbogige Brunnennische akzentuiert. Der Wasserspeier ist als Löwenmaske gestaltet. Ältester Bauteil ist die spätgotische Kapelle, die 1301 erstmals erwähnt wird. 1960 wurden in ihr Freskenreste aus dem 15. Jahrhundert freigelegt. Sie zeigen u. a. Medaillons der zwölf Apostel. Die beiden Altarbilder sind Werke von Peter Strudel aus dem ersten Viertel des 18. Jahrhunderts. Eine dreiteilige Treppe mit Geschoßpodesten auf toskanischen Säulen führt zur Beletage. Die gepflegten Innenräume sind mit qualitätvollem Mobiliar und schönen Gemälden ausgestattet. Die prunkvollen Stuckdecken des Hauptgeschosses stammen aus der Zeit um 1700. Der Festsaal im ersten Stock ist mit gemalten Biedermeiertapeten versehen. Er wird gerne als Konzertsaal verwendet. Das Schloss ist von einem großen Park umgeben.

Lage: Niederösterreich/Mostviertel – ca. 12 km westlich von Scheibbs

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


24.12.2006