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Palais Windischgrätz (Renngasse)


Zwischen 1376 und 1390 gehörte der hier stehende Hof dem Marschall Konrad von Maissau, der ihn von seinem Bruder Wernhard geerbt hatte. Die hier befindlichen Häuser gehörten bis in das erste Viertel des 16. Jahrhunderts angesehenen Wiener Bürgerfamilien. 1528 wurden sie von Hans Graf Neuburg erworben, der sie zu einem Bau vereinigen ließ. Von 1530 bis 1684 war das Gebäude im Besitz von Georg Andre Volkra und seinen Nachkommen. Bereits im 17. Jahrhundert war die Renngasse ein bevorzugtes Wohngebiet des Adels. Davon zeugt heute noch das Palais Schönborn am oberen Ende der Straße. Nach 1684 kam die Liegenschaft Renngasse 12 an die Familie von Geymann und dann an die Freiherren von Mannssperg. Das kleine Palais, das heute von seinen hohen Nachbargebäuden ziemlich eingeklemmt ist, wurde vermutlich 1703 unter Hans Carl Freiherr von Mannsperg errichtet. Sein Architekt war lange unbekannt, doch vermutet man jetzt Christian Alexander Oedtl. Das Palais zählte zu den 582 adeligen und geistlichen Freihäusern der Stadt Wien (von insgesamt 1225 Häusern), die von städtischen Steuern und drohender Einquartierung befreit waren. Karl Gottlieb Freiherr von Mannsperg setzte 1731 das große Armenhaus am Schottentor als Erben ein. Dieses verkaufte das Freihaus 1755 um 30.000 Gulden der Gräfin Maria Theresia von Windischgrätz. Sie war eine Tochter des Feldmarschalls Ludwig Andreas Graf Khevenhüller und hatte Gottlieb Graf Windischgrätz geheiratet. Nach ihrem Tod erbte ihr Großneffe Alfred Candidus Ferdinand Fürst Windischgrätz 1816 das Stadthaus.

Er war 1804 in den Fürstenstand erhoben worden. Als Feldmarschall und Oberkommandierender der in Österreich stehenden Truppen schlug er die Revolution von 1848 nieder. Dies machte ihn zum bekanntesten, aber damals wohl auch meistgehassten Vertreter seiner Familie. Seine Gattin Eleonora, eine geborene Fürstin Schwarzenberg, war 1848 kurz vor dem Ausbruch der Wiener Revolution in Prag von Aufständischen erschossen worden. Fürst Alfred I starb 1862 in seinem Palais in der Renngasse, das darauf von seinem Sohn Alfred II Joseph Nicolaus übernommen wurde. Während dieser, wie sein Vater, militärische Karriere machte, wurde sein Sohn Alfred III August konservativer Politiker, der es bis zum Ministerpräsidenten Österreichs brachte. Unter ihm erlebte das Palais in der Renngasse seine glanzvollste Zeit. Er ließ es 1894/95 durch den Architekten Emil Bressler vollständig renovieren und im Inneren neu ausstatten. Sogar Kaiser Franz Joseph war wiederholt Gast der fürstlichen Familie. Die Windischgrätz verbrachten damals die Winter meist auf ihrer Herrschaft Tachau, während sie im Sommer wegen der großen Wiener Pferderennen in ihrem Palais in der Renngasse lebten. Nach dem Ende der Monarchie zog sich die Familie bald auf ihre verbliebenen Güter zurück. Als 1927 Fürst Alfred III starb, erbten seine Kinder das Palais, doch zeigte niemand großes Interesse daran. Der neue Majoratsherr Ludwig Alfred Victorin Prinz Windischgrätz, dem die Hälfte gehörte, wurde ungarischer Politiker. Das Palais wurde vernachlässigt und vermietet. So zog in die Beletage ein Bankhaus ein, das aber die Zeit der Bankenkrise nicht überstand. Schließlich erwarb 1935 das Chorherrenstift Klosterneuburg, dem der benachbarte Klosterneuburgerhof bereits seit 1604 gehörte, auch das Windischgrätz-Palais. Im Vordertrakt wurde das Stiftliche Hochmeisteramt untergebracht, der Hintertrakt wurde in Kleinwohnungen aufgeteilt. Das Palais wurde vor einigen Jahren vollständig restauriert und ist heute weitgehend vermietet.

Die hochbarocke fünfachsige Fassade an der Renngasse ist dem Palais Clary-Mollard verwandt. Über dem gebänderten Sockel liegen zwei Obergeschoße, die durch eine große ionische Pilasterordnung zusammengefasst sind. Die Riesenpilaster sitzen auf hübschen Volutenkonsolen. Die Fenster der Beletage sind mit unterschiedlichen Verdachungen (Segmenbögen, Knickbögen und mehrteilige Bögen) versehen. Darunter befinden sich dekorative Stuckverzierungen. Die Trennung der Stockwerke erfolgt durch Platten mit Rankenwerk. Das eher einfache Rundbogenportal tritt nur wenig aus der Fassade hervor. Es wird von schräg gestellten, toskanischen Pilastern flankiert. Darüber liegt ein mit einer steinernen Balustradenbrüstung versehener Balkon. Durch die korbbogige Einfahrt mit ihrem Kreuzgratgewölbe gelangt man in den bemerkenswerten Innenhof. Die barocken Pawlatschen sind noch erhalten. An einer Hofwand ist eine gusseiserne Wappenkartusche der Fürsten Windischgrätz eingelassen. Vom Vestibül führt eine einarmige, von Pfeilern gestützte Haupttreppe zur Beletage. Die Wölbungen des Stiegenhauses sind mit qualitätvollem Stuckdekor versehen. Die Ausstattung der Innenräume wurde 1894/95 durch den Architekten Emil Bressler teilweise erneuert. Vor allem die Prunkräume im ersten Stock erhielten neoklassizistische und neobarocke Stuckdecken. Hingegen gibt es im zweiten Obergeschoß noch zwei Räume mit Decken, die mit hochbarockem Laubwerkstuck geschmückt sind. Im Keller befindet sich ein tonnengewölbter Saal, dessen Holzverkleidung ornamental bemalt ist.

Ort/Adresse: 1010 Wien, Renngasse 12

Besichtigung: nur von außen (inkl. Hof und Stiegenhaus) möglich


Weitere Literatur:


12.12.2006