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Palais Daun-Kinsky


Wenn die Freyung einst zu den vornehmsten Wohnadressen Wiens zählte, so war dafür neben dem Palais Harrach vor allem das großartige Palais Kinsky verantwortlich. An seiner Stelle lagen im Mittelalter zwei Parzellen mit je einem kleinen Gebäude. Der vordere Teil an der Freyung befand sich seit dem 16. Jahrhundert stets in adeliger Hand (Bernhard Menesis Freiherr von Schwarzeneck, Gräfin Fürstenberg, Grafen Lamberg). 1686 erwarb Karl Ferdinand Graf Waldstein das Haus von den Grafen Lamberg. Sein Sohn kaufte auch das anschließende Haus in der Rosengasse und vereinigte beide Parzellen zu einem Grundstück. Er hatte drei Enkelinnen, die 1709 das Areal an Wirich Philipp Laurenz Graf Daun verkauften. Dieser stammte aus einem alten rheinischen Adelsgeschlecht. Seine Vorfahren waren meist für die Kurfürsten von Trier als Amtleute tätig. Im Kampf der Habsburger gegen Türken, Spanier und Franzosen erwarb er sich große militärische Verdienste. Er brachte es bis zum Generalfeldzeugmeister und Vizekönig von Neapel. 1713 ließ er das Haus an der Freyung abbrechen und an seiner Stelle bis 1716 durch Johann Lukas von Hildebrandt ein Palais erbauen, das ihm als Wiener Stadtresidenz diente. Daun dürfte zuvor Antonio Beduzzi um die Erstellung von Umbauplänen ersucht haben, doch wurde schließlich Hildebrandt mit den Arbeiten betraut. 1719 war das Palais weitgehend fertiggestellt. Daun bewohnte es aber nur selten, da er sich viel in Italien aufhielt und in Österreich seine Landschlösser Ladendorf, Kirchstetten und Pellendorf bevorzugte. 1746 erwarb Johann Joseph Reichsgraf von Khevenhüller das Palais von Leopold Joseph Graf Daun, dem Sohn des Bauherrn, der sich gerade in finanziellen Schwierigkeiten befand. Der Reichsgraf wurde 1763 von der Kaiserin Maria Theresia für seine Verdienste zum Obersthofmeister und Oberstkämmerer ernannt und in den erblichen Reichsfürstenstand erhoben.

Er verkaufte das Palais 1764 an den Reichshofratspräsidenten Ferdinand Bonaventura II Graf Harrach. Dieser war als Diplomat vor allem in Holland und Italien tätig. Zu Maria Theresias Zeiten wurde das Gebäude von ihrer Schweizer Leibgarde bewohnt, bis diese 1784 ihr neues Quartier im Hofstallgebäude bezog. Ferdinand Bonaventuras Tochter Rosa brachte das Palais 1790 in ihre Ehe mit Josef Graf Kinsky ein. Dessen Familie gehörte dem böhmischen Uradel an. Ihre Mitglieder scheinen bereits zu Beginn des 13. Jahrhunderts urkundlich auf. Wilhelm Freiherr von Kinsky war Oberst und Freund Wallensteins. Er wurde mit diesem 1634 in Eger ermordet. Seine konfiszierten Güter wurden unter den Attentätern aufgeteilt. Lediglich zwei Herrschaften (Chlumez und Böhmisch Kamnitz) blieben durch den rechtzeitigen Frontwechsel seines Neffens Johann Octavian bei der Familie. Es gelang den Kinskys aber bald der Wiederaufstieg. Sie bekleideten neuerlich hohe Positionen in Verwaltung und Militär. 1798 ließen sie ihr Wiener Palais durch den Baumeister Ernst Koch im Inneren modernisieren. Dadurch ging die ursprüngliche Barockausstattung verloren. Als 1809 die Franzosen Wien besetzt hatten, waren im Palais ein französischer Marschall und ein General einquartiert. Fürst Ferdinand Kinsky war ein großer Förderer Beethovens, dem er gemeinsam mit zwei anderen Adeligen ein Jahresgehalt von 4000 Gulden auf Lebenszeit zahlte. 1856 wurde das Palais im Inneren durch den Architekten Friedrich Stache neu ausgestattet. Im 19. Jahrhundert lebten die Fürsten Kinsky meist auf ihren böhmischen Gütern oder in Prag. Der Bau wurde daher zeitweise an vornehme Mieter teilvermietet. So wohnten hier vorübergehend Feldmarschall Radetzky und Erzherzog Albrecht. 1904 stattete der französische Innenarchitekt Armand Decour die Beletage neu aus.

Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges brach für die Familie Kinsky eine harte Zeit an. Fast alle Güter und Industriebeteiligungen mit Ausnahme des Jagdschlosses Rosenhof bei Freistadt lagen in Böhmen. Bis 1929 wurden 50 % des umfangreichen böhmischen Besitzes enteignet. Es blieben noch ca. 12.000 Hektar, eine Zuckerfabrik sowie Brauereien. 1919 musste ein Teil des Wiener Palais zwangsvermietet werden. Im Zweiten Weltkrieg wurde es von der Deutschen Wehrmacht beschlagnahmt. Aus Angst vor Luftangriffen wurden die im Palais verbliebenen Kunstgegenstände in einige böhmische Schlösser transferiert. Das Palais Kinsky wurde nicht zerstört, seine Kunstschätze blieben aber in Böhmen. Nach dem Zweiten Weltkrieg gingen die restlichen tschechischen Besitzungen durch Verstaatlichung für die Familie verloren. Im Wiener Palais waren zeitweise die Botschaften von China und Argentinien untergebracht. 1986 verkaufte es Franz Ulrich Fürst Kinsky. Nach einigen kurzzeitigen Eigentümern wurde das Palais 1997 von der Karl Wlaschek Privatstiftung erworben. Es wurde von 1998 bis 2000 großzügig restauriert und für Büros und Geschäftslokale adaptiert. Der große Festsaal wird auf Grund seiner guten Akustik gerne als Konzertsaal genutzt. Seit 1992 finden im Palais vielbeachtete Kunstauktionen statt.

Das Palais Kinsky ist wohl neben dem Belvedere das herausragendste profane Werk des großen Barockbaumeisters und zugleich einer der am besten erhaltenen Barockpaläste Wiens. Trotz mehrfachem Besitzwechsel und zahlreichen Umgestaltungen im Inneren blieben die wichtigsten barocken Bauteile wie Fassade, Vestibül, Stiegenhaus, Saal und Galerie weitgehend unverändert. Das Gebäude erstreckt sich zwischen Freyung und Rosengasse. Die Liegenschaft ist nur 30 m breit, aber dreimal so lang. Es war daher keine leichte Aufgabe, darauf ein repräsentatives Palais mit einer Prunktreppe zu errichten. Hildebrandt hat sie aber bravourös bewältigt, indem er auf 24 m Höhe vier Geschoße unterbrachte und dennoch die Proportionen wahrte. Er gruppierte den Bau mit zwei langen Seitentrakten und einem Quertrakt um zwei hintereinander liegende große Höfe. Die Prunk- und Wohnräume des Palais sind um den ersten Hof gelagert, während der zweite Remisen und Stallungen enthielt. Hier haben sich noch die Marmorwandverkleidungen mit den Tränken aus Gusseisen und Email vom Ende des 19. Jahrhunderts erhalten. Hildebrandt integrierte verschiedene Teile des Vorgängerbaues in den Neubau. Die siebenachsige Schauseite an der Freyung ist mehrfach gegliedert. Stabilität wird durch das rustizierte Erdgeschoß mit seinen eingeschobenen Diamantquadern vermittelt. Auf ihm sitzen die beiden Wohngeschosse. Sie werden durch korinthische Riesenpilaster zusammengefasst. Das darüber liegende Mezzaningeschoß weist im Vergleich zur darunter liegenden Beletage winzige Fenster auf.

Die großen Fenster des Hauptgeschosses sind besonders detailreich gestaltet. Während die äußeren Fensterpaare pagodenhafte Verdachungen besitzen, sind jene der drei Fenster des Mittelrisalits rundbogig. Die in den Sturzfeldern dargestellten Trophäen und Waffen verweisen auf den kriegerischen Beruf des Bauherrn. Vertikal wird die flächig wirkende Fassade durch den nur wenig hervortretenden, dreiachsigen Mittelrisalit betont, dessen Pilaster wesentlich reicher verziert sind als die der Seitenrisalite. In die Fantasiekapitelle der Pilaster sind Rautengitter, ein wichtiger Bestandteil des Wappens der Grafen Daun, eingearbeitet. Die mit Figuren und Trophäen geschmückte Attika ist über dem Mittelteil als Balustrade ausgebildet. Die Plastiken stammen vermutlich von Joseph Kracker. Sie stellen die Götter Minerva, Juno, Herkules, Neptun, Diana und Constantia dar. Sehr elegant wirkt das plastisch hervortretende Portal. Seine Komposition geht auf Johann Lukas von Hildebrandt zurück. Es gilt als eines der schönsten Barockportale Wiens. Der Entwurf wurde 1713 vorgelegt und bis 1715 ausgeführt. Das reich dekorierte Holztor stammt aus der Zeit um 1856, als es erneuert wurde. Es wird außen von zwei schräg gestellten, dorischen Säulen flankiert, die zum rustizierten Erdgeschoß passen. Schräg nach innen gerückt tragen zwei, auf Säulenstümpfen stehende Atlanten (ebenfalls von Kracker) das Gebälk mit dem darüber befindlichen gesprengten Segmentgiebel. Auf ihm sitzen die Steinfiguren der Prudentia und der Justitia. Das dazwischen liegende Mittelfenster ist wesentlich reicher dekoriert als die übrigen Fensteröffnungen des ersten Stocks. An Stelle der hier üblichen trapezförmigen Verdachungen ist es von einer Kartusche gekrönt, die von zwei Putten gehalten wird. Das ursprünglich daran befindliche Wappen des Bauherrn wurde nach dem Eigentümerwechsel durch jenes der Familie Kinsky mit den drei Eberzähnen ersetzt. Über dem Wappenschild hängt eine Kette mit dem Orden vom Goldenen Vlies. Sowohl die Zwickel des Torbogens, als auch der darüber liegende Triglyphenfries sind mit Trophäen geschmückt.

Durchschreitet man das Portal, so gelangt man in eine, durch starke Pfeiler geteilte dreischiffige Torhalle. Der wuchtige Raumeindruck wird durch die großen Skulpturen in den Wandnischen etwas gemildert. Sie wurden von Joseph Kracker geschaffen. Unter den etwas zurückhaltenden Stuckdekorationen erkennt man das Wappenschild des Bauherrn mit seinem charakteristischen Rautenmotiv. An diese Torhalle schließt das breitgelagerte und mehr als doppelt so hohe Vestibül mit seiner kuppelartigen Decke an. Dieser querovale Raum wird durch Pilaster und dorische Säulen gegliedert. Die reiche Stuckdekoration der mit Stichkappen versehenen Decke könnte von Alberto Camesina bzw. aus dessen Werkstatt stammen. Die hier verwendeten Motive beziehen sich wieder auf die Karriere des Bauherrn als Feldherr. So befinden sich in den Stichkappen Reliefs römischer Soldaten. An der linken Seite des Vestibüls führt ein Vorraum zur Prunktreppe. Er wird von einem gewölbetragenden Herkules, einem Werk von Lorenzo Mattielli, dominiert. Wie das Monogramm Karls VI beweist, sollte mit ihm der Kaiser gehuldigt werden. In zwei ovalen Nischen stehen über den beiden Doppeltüren des Treppenvorhauses Büsten von Caesar und Kaiser Titus Flavius Vespasianus. Der langgezogene Treppenschacht nimmt fast die gesamte Länge des linken Seitenflügels des ersten Hofes ein. Im Treppenhaus stehen elf Statuen römischer Gottheiten in stuckverzierten Nischen. Die relativ schmale, zweiläufige Prunktreppe gilt als eine der schönsten Wiens. Ihr Gesamtentwurf dürfte auf Antonio Beduzzi zurückgehen. Im zweiten Stock stehen auf der aus verschlungenen durchbrochenen Volutenformen konstruierten Steinbrüstung vier Gruppen von spielenden oder sich balgenden Putten. Sie dienen zum Teil als Laternenhalter, zum Teil nur als Dekoration. Der Statuenzyklus im Stiegenhaus ist ein Werk von Lorenzo Mattielli, die Putten stammen aber vermutlich von Joseph Kracker. Diese Art der Dekoration weist bereits auf das kommende Rokoko hin. Ein Fresko von Carlo Innocenzo Carlone schmückt den Plafond. Die Scheinarchitektur malte Antonio Beduzzi. Die großen Wandspiegel des Treppenhauses wurden erst nach 1907 angebracht.

Die etwas verspielte Balustrade führt zu den Repräsentationsräumen im zweiten Stock. Der große ovale Festsaal über der Eingangshalle ist zum Hof hin orientiert. Sein allegorisches Deckengemälde stammt von Carlo Innocenzo Carlone. Die übrigen Fresken sind von ihm und Marcantonio Chiarini. Die Wände des Saales sind mit Marmor verkleidet. Der Raum wurde mehrfach, zuletzt 1904 baulich verändert. Dem Festsaal vorgelagert ist der ehemalige Speisesaal. Er wird heute Gelber Salon genannt. 1879/80 hat man in ihn ein Chorgestühl aus dem Pressburger Dom von Georg Raphael Donner (1736) eingebaut und teilweise ergänzt. Die ebenfalls erworbenen Beichtstühle wurden in Kästen umgebaut, die heute in der Antecamera des zweiten Stocks stehen. In der von Hildebrandt gestaltete Kapelle befand sich bis 1741 als Altarbild Francesco Solimenas „Heilige Familie mit dem Johannesknaben“. 1778 war der Sakralraum aber bereits profaniert. Das Altarbild befindet sich bereits seit dem 18. Jahrhundert in der Wiener Neustädter Neuklosterkirche. Im Quertrakt zwischen dem ersten und den zweiten Hof lag die vertäfelte Galerie, deren Raumwirkung 1856 durch einen angebauten Wintergarten etwas verändert wurde. Ihre gewölbte Decke ist mit Fresken von Carlo Innocenzo Carlone geschmückt. Marcantonio Chiarini schuf 1716/18 die Quadraturmalereien. Daran schloss sich ein größerer Saal an, in dem sich Francesco Solimenas Ölgemälde „Phaeton und Apoll“ befand. Es ist heute in der Nationalgalerie Prag zu bewundern. Der Saal diente später als Bibliothek. Ein Teil der Repräsentationsräume wurde 1714 mit Deckenbilder von Peter Strudel ausgestattet. Im Zuge einer durchgreifenden Umgestaltung des Gebäudeinneren hat Ernest Koch zwischen 1798 und 1800 sämtliche Stuckdecken der Prunkräume abgeschlagen und auch die Wände neu gestaltet. Ab 1879 versuchte Carl Gangolf Kayser durch die von Rudolf von Weyr geschaffenen neuen neobarocken Stuckdecken den ursprünglichen Raumeindruck wieder herzustellen. Nur in wenigen Räumen (Vestibül, Treppenhaus, Festsaal) blieb die originale Substanz erhalten. Im Palais gibt es zahlreiche Mamorkamine und Kachelöfen aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Die Sternparkettböden und viele originelle Türbeschläge stammen aus dem dritten Viertel des 19. Jahrhunderts. Die Fassaden des ersten Hofes werden durch toskanische Pilaster gegliedert. Die Blendarkaden im Erdgeschoß wurden bereits 1753 geschlossen. Der mit einem Maskaron geschmückte Wandbrunnen ist ein Werk von Rudolf von Weyr. Der zweite Hof ist einfacher gehalten. Bemerkenswert ist an seinem hinteren Ende der Kenotaph für den derzeitigen Besitzer Karl Wlaschek.

Ort/Adresse: 1010 Wien, Freyung 4

Besichtigung: die Höfe sind frei zugänglich, das Stiegenhaus meist ebenfalls. Ein Blick in die Prunkräume ist nur dann möglich, wenn diese nicht gerade vermietet sind

Homepage: www.palais-kinsky.com


Weitere Literatur:


22.11.2006