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Weinzierl


Einer Urkunde zufolge überließen die Brüder Adalprecht und Anigast vor 1030 dem Kloster St. Emeran in Regensburg einen Gutshof zu Vvinzurilin. Weinzierl kam dann an die Grafen von Schaumberg, die 1363 ihren Lehensmann Wulfing den Hager mit der Verwaltung betrauten. 1368 war die Herrschaft als Lehen der Wallseer bereits im Besitz der Ritterfamilie Prunner. Stephan Prunner von Weinzierl war 1449 Hofmeister des Klosters St. Pölten. Vor 1558 gelangte das gut an Christoph von Concin. Um 1578 erstand Dr. Johann Linsmayer Schloss und Herrschaft. Er wurde mit dem Titel „Linssmayr zu Weinzierl“ ein Jahr später in den ritterlichen Adelsstand erhoben. Ab 1608 durfte er sich Freiherr zu Greiffenberg nennen. Außer Weinzierl gehörten ihm auch die Herrschaften Seisenegg, Freienstein, Karlsbach und Wasen. Er war es, der das heutige Schloss im Renaissancestil errichten ließ. Seine Nachfahren setzten die Bauarbeiten fort. Nach dem Tod von Johann Gottfried Freiherrn von Greiffenberg brachte dessen Tochter Maria Katharina Weinzierl als Heiratsgut in ihre Ehe mit Helmhard Payr ein. Neuerlich durch Heirat kamen 1681 die Grafen von Hofkirchen in seinen Besitz. Die nächsten Kurzzeit-Eigentümer waren Carl Ludwig Graf Rogendorf (um 1710) und Carl Ludwig Graf Souches. 1715 erwarb Johann Anton Praun zu Rottenhaus die Herrschaft, die 1738 an DDr. Johann Carl Weber Edler von Fürnberg verkauft wurde. Dieser war für die Barockisierung der Anlage verantwortlich, die in der Zeit um 1741 erfolgte.

Unter seinem Nachfolger Karl Joseph Weber von Fürnberg war Joseph Haydn häufiger Gast in Weinzierl. Er komponierte hier mehrere Streichquartette. Auch Franz Schubert soll auf der Orgel der Schlosskirche gespielt haben. 1796 erwarb Kaiser Franz I die Herrschaft für den k. k. Familienfonds. Er besuchte das Schloss mehrmals. Kaiser Franz Joseph I schenkte es 1883 der Gemeinde Wien zur Errichtung eines Heimes für verlassene Kinder. 1890 richtete ein Brand in dem Gebäude große Schäden an. Es wurde wiederhergestellt und auch nach dem Ende der Monarchie weiterhin als Erziehungsanstalt verwendet. 1934 wurde das Francisco-Josephinum, eine von Kaiser Franz Joseph bereits 1869 gegründete höhere landwirtschaftliche Schule, von Mödling nach Weinzierl verlegt. Nachdem 1944/45 das Krankenhaus Baden ein Lazarett im Schloss geführt hatte, wurde in der Nachkriegszeit der Schulbetrieb bald wieder aufgenommen. Mit zunehmender Schüleranzahl wurden zusätzliche Bauten auf dem Schlossgelände notwendig. Anlässlich einer Überprüfung wurden 2004 schwere bauliche Mängel am Haupthaus festgestellt, so dass der Schulbetrieb im Schloss eingestellt werden musste. Die dringend erforderliche Generalsanierung ist noch im Gange. Das Gebäude befindet sich im Besitz der Republik Österreich.

Der fast quadratische Vierkanter liegt auf einer leichten Anhöhe über dem Ort. Er ist von einem großen gepflegten Park umgeben, der aber heute von der Schule zum Teil landwirtschaftlich genutzt wird. Das Hauptgebäude war ursprünglich zweigeschossig, doch wurden seine Trakte im Laufe der Zeit sukzessive um ein Stockwerk erhöht. Die Gebäudeecken werden durch stark vortretende dreigeschossige Rundtürme betont. Diese trugen ursprünglich Kegeldächer. In der Empirezeit wurden sie durch flache Kappen ersetzt. Später trugen sie bis zum Brand von 1890 eine Zinnenbekrönung. Die danach aufgesetzten Kegeldächer ähneln wieder dem ursprünglichen Zustand, sind jedoch etwas gedrungener. Der am Vischer-Stich von 1672 noch zu sehende hohe Mittelturm der Ostfront, in dem sich auch das Portal befand, wurde nach 1890 abgetragen. Heute befindet sich an seiner Stelle ein einfacher Vorbau mit Dreieckgiebel, dem man es ansieht, dass er einmal ein Turm gewesen ist. Sein Portal ist jedoch funktionslos. Der heutige Eingang befindet sich an der Nordseite, wo über den Rest des einstigen Grabens eine Brücke mit Schmiedeeisengitter zum ersten Obergeschoß führt. Das mit Löwenmasken und Akanthusschnitzwerk verzierte Türblatt des Portals ist mit 1884 bezeichnet. Die derzeitigen Fassaden über dem gebänderten Erdgeschoß wurden 1741 gestaltet, doch sind sie großteils mit Pflanzen überwachsen. 1959 wurde an den Westtrakt ein Anbau mit Klassenzimmern angefügt.

Der quadratische Innenhof ist an drei Seiten von dreigeschossigen Pfeilerarkaden mit Kreuzgratgewölben umgeben. Sie wurden um 1586 nachträglich eingebaut aber später zugemauert. Als man 1959 den Innenhof mit einem Glasdach versah, wurden sie wieder geöffnet. Bei dieser Gelegenheit wurde der Hof durch das Einziehen einer Zwischendecke zur Aula umgestaltet. Schloss Weinzierl ist ein gutes Beispiel dafür, wie man zwar mit einer nützlichen Verwendung ein historisches Bauwerk vorübergehend retten kann, wie diese Verwendung aber bald eine Eigendynamik bekommt und das Gebäude langfristig von innen ruiniert. Über dem ehemaligen Haupteingang liegt ein großer Saal. Im ersten Stock haben sich einige Stuckdecken vom Ende des 18. Jahrhunderts erhalten. Die freistehende Schlosskapelle von 1741 ist der Hl. Maria geweiht. Sie wurde 1950 wiederhergestellt. Sie zeigt neugotische Fenster und eine barocke Innenausstattung. An ihrer Außenseite ist ein Grabstein der Ritter Weber von Fürnberg (ca. 1800) eingemauert. Um den dringenden Raumbedarf für das Internat zu befriedigen, wurden nördlich und westlich des Schlosses Neubauten errichtet, für die Teile des Parks geopfert werden mussten. Östlich des Schlosses liegt ein großer Meierhof, der für Schulzwecke genutzt wird. Westlich des Schlosses haben sich noch Reste der einstigen Parkmauer mit einem niedrigen Rundturm aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erhalten.

Lage: Niederösterreich/Mostviertel – ca. 1 km südwestlich von Wieselburg/Erlauf

Besichtigung: nur von außen möglich

Homepage: http://schule.josephinum.at


Weitere Literatur:


21.10.2006