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Schwarzenau


Schloss Schwarzenau ist eines der bedeutendsten Renaissanceschlösser Niederösterreichs. 1150 wird „Swarcenawe“ erstmals urkundlich genannt. Es war damals ein Gut des Bistums Passau. 1197 wird ein Pilgrim von Schwarzenau erwähnt. Er war ein Gefolgsmann des Kuenringers Hadmar II. Pilgrim dürfte auch ein Verwandter des Heinrich von Kamegg gewesen sein, der zuvor im Tauschweg von Bischof Konrad das Gut übernommen hatte. Er gilt als Erbauer der ersten Burg am jetzigen Standort. Es war eine Wasserburg mit vier Türmen. Zuvor bestand schon eine kleine Wehranlage auf dem Thurnberg nördlich des heutigen Schlosses. Sie wurde von den Herren von Mühlbach um 1150 errichtet und hatte die alte Fernstraße Horn – Schrems – Gmünd zu schützen. Einer von Pilgrims gleichnamigen Nachkommen nahm in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts den Namen Streun an.1298 wird ein Albero Struno von Schwarzenau urkundlich genannt. Schwarzenau war nie freies Eigen. Nach verschiedenen Lehensherren wie den Grafen von Plain-Hardegg und den Grafen von Görz-Tirol wurde die Herrschaft 1500 landesfürstlich. Das heutige Schloss wurde zwischen 1580 und 1592 als Renaissance-Wasserschloss unter teilweiser Verwendung der mittelalterlichen Bauteile errichtet. Bauherr dürfte Reichard Streun gewesen sein. Er hatte in Padua studiert, wo er die venezianischen Villen kennen lernte, an die Schloss Schwarzenau deutlich erinnert. Später wirkte er als Diplomat und Geschichtsschreiber am Hof von Erzherzog Matthias. Der unbekannte Architekt scheint von Michelangelo beeinflusst gewesen zu sein. Schwarzenau blieb bis 1636 im Besitz der Familie Streun. Georg von Streun hatte sich 1620 am protestantischen Adelsaufstand beteiligt und war geächtet, aber später wieder begnadigt worden. Als letzter seines Stammes starb der kaiserliche General Johann Georg von Streun 1679. Georg von Streun hatte aber Schwarzenau auf Grund seiner schlechten finanziellen Lage bereits 1636 an Karl Ulrici von Gänghofen verkauft. 1663 muss sich das Schloss noch in einem verteidigungsfähigen Zustand befunden haben, da es damals als Zufluchtsort der Bevölkerung bei den zu erwartenden Türkenangriffen bestimmt wurde. Auf dem Vischer-Stich von 1672 sind die Wassergräben, Vorwerke und wehrhaften Außenmauern noch intakt.

1664 erwarb der Gesandte des Kurfürsten von Mainz am Wiener Kaiserhof, Georg Friedrich von Lindenspür, die Herrschaft. 1692 wurde der in die Familie Lindenspür eingeheiratete Jakob Leopold Freiherr von Thavonat Besitzer des Schlosses. Die Erbtochter heirate 1728 Franz Adam Graf Polheim. Ihm verdankt das Schloss die herrlichen Stuckarbeiten seiner Repräsentationsräume. 1796 kaufte Vinzenz Graf von Strassoldo Schwarzenau. Von 1810 bis 1815 waren Johann Baptist Bader und Kassian von Schuster die Schlossherren. 1815 gewann bei einer Lotterie Franz Xaver von Puchberg die Herrschaft. Seine Gattin veräußerte sie drei Jahre später an Heinrich Freiherr von Pereira-Arnstein, in dessen Familie das Schloss bis 1884 verblieb. Nach einem Brand im Jahr 1835 wurde der Osttrakt neu errichtet. Der ebenfalls schwer beschädigte Südtrakt konnte renoviert werden. 1884 übernahm die Familie Widmann das Schloss. 1919 kaufte Dr. Alfred Porada Rapaport das Gut, das 1939 enteignet wurde. Im Zweiten Weltkrieg diente das Schloss als Flüchtlingsheim. Am Ende des Krieges sowie in der russischen Besatzungszeit erlitt die Anlage schwere Schäden und verlor ihre gesamte Einrichtung. Unter anderem wurden damals Teile des Dachstuhls verheizt und Zwischenwände abgerissen, um einen Kinosaal für russische Soldaten zu schaffen. Stuckfiguren und Bilder dienten den angehenden Scharfschützen als Übungsziele. Auch die umliegende Bevölkerung hatte ihren Anteil an den Verwüstungen. Das Schloss lieferte Material für den Bau so manchen Hauses. Erst als Graf Comelli-Stuckenfeld das Gebäude kaufte, konnte der Verfall gestoppt werden. Dr. Silvio Unterguggenberger erwarb das Schloss 1985 und ließ es bis 1993 komplett restaurieren. Ab 1991 wurde es durch Ausstellungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Mittlerweile scheint es wieder in einen Dornröschenschlaf zu versinken. Es ist derzeit zum Verkauf ausgeschrieben. Der neue Prinz ist aber noch nicht gekommen.

Das Schloss liegt mitten in der Marktgemeinde. Es ist ein großer Renaissancebau, der von einem ausgedehnten Park mit zwei Teichen umgeben ist. Das ehemalige Wasserschloss war im Süden, Osten und Norden von Wassergräben umgeben, doch sind diese längst trocken. Bei den Restaurierungsarbeiten von 1988 wurden jene Böschungsmauern entdeckt, die in runder Form – wie bei romanischen Anlagen üblich – das feste Haus des 12. Jahrhunderts umschlossen. Eine äußere Umfassungsmauer mit Toranlage und Eckverstärkungen wurde 1815 abgebrochen. Der geräumige Innenhof wird an drei Seiten von dreigeschossigen Trakten begrenzt. Im Osten wird er von einem zweigeschossigen, teilweise verglasten Verbindungsbau abgeschlossen. Dieser ersetzt den 1835 abgebrannten Trakt, der mit einem dreigeschossigen Arkadengang versehen war. Die dem Westflügel hofseitig vorgestellten Arkaden wurden ebenfalls erst 1835 hinzugefügt. Schauseite des Gebäudes ist die prachtvolle Westfront. Ihr neunachsiger Mittelteil (1580 – 1592) ähnelt der Fassade des Palazzo Farnese in Rom, der wohl als Vorbild gedient hatte. Er wird durch doppelte Steingesimse horizontal gegliedert. Oberhalb des rundbogigen Rustikaportals flankieren zwei lebensgroße Sandsteinplastiken der Gerechtigkeit und der Stärke in rundbogigen Nischen das dreiteilige Mittelfenster. Im zweiten Stock übernehmen Hermes und Athene diese Aufgabe. Alle vier Figuren stammen aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Das am Torbogen angebrachte Wappen ist jenes der Familie Widmann. Die Mitte des Daches wird durch einen quadratischen Dachreiter mit barockem Blechhelm und Tambour betont. Er dient als Uhrtürmchen. Der Mitteltrakt wird von zwei mächtigen dreiachsigen Ecktürmen flankiert. Sie bestehen aus einem dreigeschossigen viereckigen Unterbau, auf dem ein achteckiger zweigeschossiger Oberteil aufsitzt. Ihre oktagonalen Pyramidendächer werden von blechgedeckten Laternen mit Zwiebeltürmchen abgeschlossen.

Am Südturm ist eine Sonnenuhr aufgemalt, die die Jahreszahl 1592 zeigt. In seinem Erdgeschoß befindet sich die zweigeschossige Schlosskapelle. Sie wurde während der Besatzungszeit besonders stark devastiert. Giovanni Battista d’Allio ist der Schöpfer der prächtigen Stuckarbeiten, die 1720 bis 1732 in ihr entstanden sind. An der Ost- und der Westwand der Kapelle stehen in jeweils drei Nischen paarweise Stuckstatuen der zwölf Apostel mit vergoldeten Attributen. An der geschwungenen Orgelempore werden in Stuckreliefs Glaube, Hoffnung, Liebe und Anbetung symbolisiert. Das sternförmige Gewölbe zeigt im quadratischen Mittelfeld ein Stuckrelief mit dem von Putti umgebenen Gottvater. An den Südturm ist eine neugotische Familiengruft angebaut. Auch die Prunkräume in den Türmen und im Westrakt sind mit reichen Stuckverzierungen aus der Bauzeit ausgestattet. Auch sie stammen von Giovanni Battista d’Allio. Besonders prächtig ist das sog. Spielzimmer im zweiten Stock des Nordturmes, das im Mittelfeld der Decke die Göttin Fortuna am Spieltisch und in den Stichkappen Putti bei verschiedenen Spielen zeigt. Im ersten Stock liegt der quadratische Marmorsaal mit seinem stuckgerahmten Spiegelgewölbe. Es zeigt im Mittelmedaillon zwei Wappenkartuschen mit dem von Putten gehaltenen Allianzwappen Polheim-Thavonat. In vier kleineren Feldern sind Diana, Luna, Flora und Juno dargestellt. Bemerkenswert ist ein Kamin aus Stuckmarmor auf dem Zeus sitzt und seine Blitze in die Luft schleudert. Die Räume des Westtraktes sind ebenfalls mit Stuckdecken und Stichkappentonnen ausgestattet und mit Spätrenaissancedekor geschmückt. Die Verbindungstüren sind mit Intarsien versehen. Das dritte Geschoß der beiden Flügeltrakte ist unausgebaut geblieben. In der heutigen Schlosstaverne – ein Nebengebäude aus dem 16. Jahrhundert – tagte früher das Hohe Gericht. Auch hier findet man hochwertige Stuckornamente.

Lage: Niederösterreich/Waldviertel – ca. 11 km südlich von Waidhofen/Thaya

Besichtigung: Park und Schlosshof sind meist frei zugänglich, für Innenbesichtigungen ist das Einvernehmen mit dem Verwalter herzustellen


Weitere Literatur:


13.10.2006