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Kirchberg am Walde (NÖ)


Um die Mitte des 12. Jahrhunderts errichteten die Herren von Kuenring an einer damals wichtigen Straßenkreuzung eine kleine Burg. Einer ihrer Gefolgsleute wurde mit der Verwaltung belehnt. 1172 wird der Wehrbau erstmals genannt. Die Herren von Kirchberg (am Walde) scheinen bis zu ihrem Aussterben im Jahr 1483 immer wieder urkundlich auf. Die Witwe des letzten Kirchbergers brachte die Herrschaft in ihre zweite Ehe mit Christoph von Hohenfeld ein. Dessen Nachkommen besaßen die Burg bis 1555. Danach wechselten die Besitzer (Marquard von Kuenring, Oswald von Eytzing und Rüdiger von Starhemberg) sehr rasch. 1562 wurde Kirchberg an die Herren von Sonderndorf verkauft. Diese ließen gegen Ende des 16. Jahrhunderts die mittelalterliche Burg im Renaissancestil in ein wohnlicheres Schloss verwandeln. Sabine von Sonderndorf heiratete Ernst Freiherr von Kollonitsch, wodurch Kirchberg 1607 an dessen Familie kam. 1619 fand eine vergebliche Belagerung durch ungarisch-polnische Truppen statt. Größere Schäden richtete aber der zwei Jahre später erfolgte Angriff böhmischer Rebellen an, wobei das Schloss in Brand gesetzt wurde. So wurde die Rekatholisierung des Schlossherrn gerächt. Prominentestes Mitglied der Familie Kollonitsch war der Bischof und spätere Kardinal Leopold Karl Graf Kollonitsch, der sich 1683 bei der Wiener Türkenbelagerung große Verdienste erworben hatte. Er und sein Bruder Georg Wilhelm verstarben 1707, worauf die Herrschaft durch Heirat der Erbin an Johann Leopold Graf Kuefstein gelangte. Nun begann der Barockumbau, den auch der nächste Besitzer Graf Julius Veterani-Mallenthein ab 1752 fortsetzte. 1828 kaufte der aus Frankreich emigrierte Graf Maximilian d’Orsay das Schloss, gab es aber bereits fünf Jahre später an Peter Ludwig Johann Herzog von Blacas d’Angoulème weiter. Der ebenfalls emigrierte Bourbonenkönig Karl X, der Schwiegersohn der Maria Antoinette, weilte um diese Zeit mehrfach als Gast der französischen Schlossherren in Kirchberg. Herzog Stanislaus von Blacas-Angoulème verkaufte das Schloss 1869 an Anton Fischer Ritter von Ankern. Seiner Familie gehört es heute noch. Wie fast alle Schlösser des Waldviertels hatte auch Kirchberg am Walde gegen Ende des Zweiten Weltkrieges und in der Zeit danach schwer zu leiden. Unter anderem wurde damals die Schlosskirche verwüstet und ein beträchtlicher Teil des Archivs ging verloren. 1974/75 wurde die Anlage restauriert.

Das teilweise von Teichen umgebene Schloss liegt auf einer leicht erhöhten Terrasse im Süden des Ortes. Ein mit Säulen und Wappenkartuschen geschmücktes Tor führt vom Weiher zum Schlossbereich. Die Zufahrt ist mit Putten geschmückt, die die vier Jahreszeiten symbolisieren. Der um einen regelmäßigen Innenhof gelagerte viergeschossige Vierflügelbau ist aus einer Burg-Kirchenanlage aus der Mitte des 12. Jahrhunderts hervorgegangen, hat jedoch sein heutiges Aussehen erst am Ende der Barockzeit erhalten. Die drei Gebäudeecken im Norden, Osten und Süden werden durch deutlich vorspringende, turmartige Risalite betont. Sie werden von Balustraden abgeschlossen, auf denen steinerne Putten sitzen. Die in Gelb und Weiß gehaltenen frühklassizistischen Fassaden mit ihrem eleganten Plattendekor stammen aus der Zeit um 1780/90. Damals wurden auch die verschiedenen Trakte auf eine einheitliche Höhe gebracht. Einzelne Bauteile gehen noch auf das Spätmittelalter zurück. So wurden bei Restaurierungsarbeiten 1979 im Nordtrakt ein gotisches Schulterbogenportal und ein Rechteckfenster freigelegt. Der ehemalige Bergfried dürfte während des Barockumbaues gekürzt und in den Westtrakt verbaut worden sein. Am Vischer-Stich von 1672 ist er jedenfalls noch zu sehen. Die Nordseite des Innenhofes ist mit Erdgeschoßarkaden ausgestattet. An ihrer Rückwand haben sich Rokokomalereien vom Ende des 18. Jahrhunderts erhalten.

Im Süden des Schlosses führt seit 1878 eine zweiarmige gegenläufige Freitreppe zur einst freistehenden Schlosskirche. Diese wurde 1719 über dem alten romanischen Vorgängerbau neu errichtet. Die nach Westen gerichtete Eingangsfront wird vom markanten Glockentürmchen dominiert, dessen Granitmauern unverputzt geblieben sind. Im Kuppelfresko der Kirche erkennt man die Hl. Dreifaltigkeit. Das Hochaltarbild stammt, ebenso wie das Fresko, von Johann Georg Schmidt und ist mit „1732“ bezeichnet. Die Seitenaltäre werden von Stuckfiguren flankiert. Die Innenräume des Schlosses sind reich mit Stuckdecken und Öfen ausgestattet, die zum Teil noch auf den Umbau von 1730 zurückgehen, aber meist aus dem späten 18. und dem 19. Jahrhundert stammen. Ein mit Einlegearbeiten verzierter Renaissanceschrank ist mit 1564 datiert. Die in Blau mit Rokokosilberauflagen gehaltene Bibliothek wurde um 1770 eingerichtet. Östlich des Schlosses liegt der Vorhof mit dem „Kleinen Schloss“, einem spätbarocken Wohn- und Verwaltungsgebäude. Es ist zweigeschossig und mit einem Doppelgiebel geschmückt. Ehemalige Stallungen, Remisen, Scheunen und Werkstätten bilden im Wirtschaftshof fast eine kleine Siedlung. Hinter dem Schloss erstreckt sich ein großer romantischer Schlosspark. Unter seinen alten Bäumen steht die Mariahilfkapelle, ein achteckiger Bau aus dem Jahr 1739.

Lage: Niederösterreich/Waldviertel – ca. 10 km südöstlich von Gmünd

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


03.10.2006