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Palais Thurn-Valsassina


Ein kaum bekanntes Wiener Palais ist jenes der Grafen Thurn-Valsassina in der Rainerstraße. Es ist eines der letzten Exemplare, der noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts recht zahlreichen Gartenpalais im südlichen Teil des vierten Wiener Gemeindebezirks. Wie auch andere Palais in Wieden (z. B. Erzherzog Carl Ludwig oder Haas) verbirgt es sich hinter einer einfachen Straßenfront. Dieser Trakt an der heutigen Rainergasse scheint bereits in einem Stadtplan aus den Jahren 1769 bis 1774 auf. Der lang gestreckte Garten reichte bis zur Wiedner Hauptstraße hinunter. Der Hauptbau dürfte um die Mitte des 18. Jahrhunderts auf den Gründen des ehemaligen Städtischen Freihofes errichtet worden sein. Seine Fassade stammt in ihrer heutigen Form vom Ende des 18. Jahrhunderts. Ab 1857 hatte hier der Bildhauer Hanns Gasser sein Atelier und seine Wohnung. Er ist u. a. der Schöpfer des „Donauweibchens“ im Stadtpark und der Brunnen bei der Oper. Einige Jahre hindurch bewohnte die Schriftstellerin Ada Christen das Palais, das Mittelpunkt eines Künstlerkreises wurde, zu dem Ludwig Anzengruber, Ludwig Ganghofer, Rudolf von Alt und Friedrich Amerling gehörten. Der linke Seitentrakt wurde 1869 durch den Baumeister Josef Stranner an der Rückseite des Hauptgebäudes errichtet. Ein Turm, der mit dem Trakt zur Johann Strauß Gasse hin, 1878 nach Plänen des Baumeisters Alois Schumacher erbaut worden war, wurde später wieder abgetragen. Im Auftrag von Vinzenz Graf Thurn entstand 1894 unter dem Architekten Max Kaiser der Anbau des rechten Seitentraktes. Heute wird das Gebäude von Mietparteien bewohnt.

Das Palais besteht aus mehreren Bauteilen und wirkt an seiner Rückseite mehr wie ein Schlösschen als ein Palast. Die Fassade an der Rainergasse zeigt einen seitlich versetzten Mittelrisalit mit drei hohen segmentbogigen Fenstern. Das genutete Erdgeschoß wird durch ein Gesims vom Obergeschoß abgegrenzt. Dieses wird durch die Fenster mit ihren auf geschwungenen Konsolen sitzenden kräftigen Verdachungen gegliedert. Die Parapete zeigen mehrfach profilierte eingetiefte Felder. An der Hofseite springt ein dreiachsiger Mittelrisalit mit einem eigenen Walmdach vor. Über dem Portal ist dem mittleren der drei großen Rundbogenfenster ein auf Konsolen sitzender Gitterbalkon vorgesetzt. Der ehemalige Fassadendekor des linken Seitentraktes wurde vermutlich nach dem Zweiten Weltkrieg abgeschlagen. Über dem gotisierenden Schulterbogenportal blieb jedoch der ebenfalls gotisierende große Polygonalerker erhalten. Er zeigt Maßwerkdekor und in den Sohlbankfeldern Blattranken-Verzierungen. Die rechte Seitenfront des Hofes besteht aus mehreren Teilen. Ein dreiachsiger Verbindungsbau zum Haupttrakt ist diesem in seiner Gestaltung angepasst. Daran schließt ein vorspringender späthistoristischer Bau in den Formen des französischen Manierismus an. Über seinem Portal ist ein großes Wappen der Familie Thurn-Valsassina angebracht. Es folgt ein dreigeschossiger Turmtrakt mit einem Glockendach und einer halbkreisförmigen Terrasse. Sein durch eine Attika, einem eigenen Walmdach und einem Balkon akzentuierter Mittelrisalit springt kräftig vor. Eine einst von Steinvasen flankierte Steintreppe führt vom spärlichen Rest des einstigen Gartens zum stimmungsvollen Ehrenhof mit seinem Brunnenbecken. Die Brunnenfigur stellt einen Putto mit Fisch dar. Sie ist die Kopie eines Details des von Georg Raphael Donner am Neuen Markt aufgestellten Providentiabrunnens.

Ort/Adresse: 1040 Wien, Rainergasse 22

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


11.09.2006