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Deutsch Brodersdorf


Bereits im 11. Jahrhundert überquerte hier eine wichtige Straße die Leitha, die viele Jahrhunderte hindurch Landesgrenze war. Es ist daher anzunehmen, dass es im Mittelalter nicht nur im gegenüberliegenden Leithaprodersdorf, sondern auch am linken Ufer des Grenzflusses einen Wehrbau – vermutlich eine kleine Wasserburg oder ein Festes Haus – gab. Man glaubt, dass der kleine Bau spätestens zu Beginn des 14. Jahrhunderts errichtet und von unbedeutenden Kleinadeligen betreut worden sei. Es gibt nämlich keine urkundliche Erwähnung eines Adelssitzes in Deutsch-Brodersdorf aus dieser Zeit. Erst 1382 wird ein Erhard Cheriglein von Prodersdorf als Bürge auf einem Schuldschein genannt. 1479 besaß Martin Danickler nicht nur die kleine Herrschaft Deutsch-Brodersdorf sondern auch das benachbarte Wimpassing an der Leitha. Durch Heirat seiner Enkelin gelangte das Gut an Georg Enzianer zu Piddermansdorf. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts waren Friedrich Freiherr von Windischgraetz und dann Marx II Beck von Leopoldsdorf die Schlossherren. Auf sie folgten Georg Emmerich von Zinzendorf, die Familie Pestaluzzi und 1633 Barbara von Oberheim. Die nächsten Besitzer wechselten in rascher Folge. Erst als 1687 Franz Winand von Bertram die Herrschaft übernahm, blieb sie über 100 Jahre lang bei einer Familie. 1791 kaufte Joseph von Koller den Besitz. Von den nächsten Eigentümern sind vor allem die Freiherren von Münch-Bellinghausen (ab 1848) zu nennen. In der Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Schloss völlig ausgeplündert und schwer beschädigt. Es gelangte in amerikanischen Privatbesitz um dann in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wieder österreichische Eigentümer zu bekommen. Seit 1983 gehört es der Familie Richter, die die Anlage in den 1990er Jahren mustergültig renovieren ließ und sie auch bewohnt.

Das Schloss von Deutsch Brodersdorf gehört zu den weitgehend unbekannten Schlossbauten des Landes, obwohl es recht repräsentativ wirkt und von einem großen gepflegten Park umgeben ist. Der Grund dafür liegt wohl darin, dass es keinerlei geschichtliche Bedeutung hatte und vorwiegend als Zentrum eines Gutsbetriebes diente. Von einer mittelalterlichen Anlage hat sich nichts erhalten. Die zahlreichen kriegerischen Einfälle in diesem Grenzgebiet (Ungarn, Türken, Kuruzzen, Russen) führten dazu, dass das spätere Schloss immer wieder beschädigt, erneuert und vergrößert wurde. Das heutige Aussehen des gefälligen Barockbaues geht vorwiegend auf das 19. Jahrhundert zurück, wenn es auch noch 1921 zu einschneidenden Veränderungen kam. An der Straßenfront ermöglicht ein herrschaftlich gestaltetes Parktor in der Umfassungsmauer den Zutritt zu den Schlossgebäuden. Auf den beiden gebänderten Torpfeilern sitzen zwei steinerne Figuren, die Füllhörner tragen (um 1800). Das zweigeschossige Hauptgebäude weist einen rechteckigen Grundriss auf. Schauseite ist die Ostfront. Die Hälfte ihres ersten Obergeschosses ruht auf sechs viereckigen Pfeilern. Der zweite Stock wird durch einen breiten Rundbogenerker akzentuiert. Die hohen Fenster der Beletage sind mit segmentbogigen Verdachungen versehen. Zweigeschossige Arkaden umgeben an drei Seiten den großen rechteckigen Hof. Sie stammen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Bögen der Südseite ruhen im Erdgeschoß auf einfachen Säulen, an der Ostseite auf Pfeilern mit sich nach unten verjüngenden Pilastern. Im Obergeschoß sind die Säulen zur Hälfte kanneliert. Dem Hof ist im Süden eine Terrasse vorgelagert. An der Südostecke der Anlage steht ein hoher runder Stiegenturm, der aber keine benachbarten Gebäude erschließt. Er ist mit einer glockenförmigen Haube bedeckt und hofseitig mit spiralförmig angeordnetem neugotischem Blendmaßwerk geschmückt.

Lage: Niederösterreich/Wiener Becken – ca. 6 km südöstlich von Ebreichsdorf

Besichtigung: nicht möglich


Weitere Literatur:


05.09.2006