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Thernberg


Thernberg ist eine der ältesten Hochburgen Niederösterreichs. Bereits 1108 wird ein Emerich de Terrenberch in einem Gerichtsakt genannt. Eine Urkunde des Stiftes Reichersberg erwähnt einen Rapoto von Thernberg, der um 1150 als Zeuge auftrat. 1227 scheint mit Dietmar und Ulrich von Thernberg auch die Burg selbst erstmals auf. Sie war schon damals eine kleine, aber wehrhafte Anlage und mit einer ständigen Besatzung versehen. Ältere Mutmaßungen, dass die Burg noch aus dem 11. Jahrhundert stammen könnte, wurden durch neuere Bauuntersuchungen widerlegt. Bei Thernberg dürfte es sich um einen spätromanischen Neubau aus dem ersten Viertel des 13. Jahrhunderts handeln. Die Thernberger waren Ministeriale der Formbacher Grafen und mit den Herren von Pitten verwandt. Sie waren maßgeblich an der Rodung und Erschließung des ausgedehnten Pittener Waldes im 12. Jahrhundert beteiligt. Ursprünglich gehörte ihnen die Burg als freies Eigen. 1310 verkauften die Brüder Ulrich und Nikolaus von Thernberg ihre Herrschaft an Herzog Friedrich, wodurch sie landesfürstlich wurde. In der Folge wurde sie mehrfach verpfändet. Zu den rasch wechselnden Pfandinhabern des 14. Jahrhunderts zählten die Herren von Ellerbach und Heinrich von Kranichberg-Mureck. Der Wiener Bürgermeister Konrad Vorlauf wurde 1408 nach seiner Gefangennahme hierher gebracht, bevor er nach Zahlung eines Lösungsgeldes nach Wien zurückkehren konnte, wo er aber bald das Schafott besteigen musste. 1412 erhielt Hertnid von Pottendorf die Burg als Lehen. Er ließ sie meist von Burggrafen verwalten. Als Georg von Pottendorf kinderlos starb, wurde die Herrschaft neuerlich landesfürstlich und in der Folge wieder verpfändet. Um 1510 gelangte Thernberg an Wolfgang I Thonradl. Es dürfte damals nicht sehr gepflegt gewesen sein, da es zeitweise dem Räuberhauptmann Franzl Magusch als Unterschlupf diente. Thonradl ließ die Vorburg wohnlich ausbauen. Auch die Burg dürfte renoviert worden sein, da sie 1587 den Bewohnern des Tales als Rückzugsort bei Kriegsgefahr zugeteilt war. Sie wurde zwar nie ernsthaft angegriffen, verlor aber zu Beginn des 17. Jahrhunderts ihre militärische Bedeutung. Thernberg blieb den Thonradls auch nach deren Ächtung 1620 als protestantische Rebellen erhalten. Sidonia Elisabeth, die kinderlose Witwe des Freiherrn Georg Christoph von Thonradl, verkaufte 1679 die bereits schwer verschuldete Herrschaft an Johann Paul von Pleyern.

1707 war Johann Wilhelm Graf Wurmbrand Eigentümer von Thernberg. Er gab es aber bereits 1712 an Franz Wilderich von Menshegen weiter. Nun erfolgten größere Baumaßnahmen, die zum Ausbau und zur Barockisierung des Neuen Schlosses führten. 1791 kaufte Joseph Graf Pergen die Herrschaft. Danach wechselten die Besitzer mehrfach. Die Glanzzeit des Schlosses erfolgte unter Erzherzog Johann, der 1807 Thernberg erwarb. Er hatte sich hierher zurückgezogen, als er wegen seiner fortschrittlichen Bestrebungen bei seinem Bruder, Kaiser Franz, in Ungnade gefallen war. Er ließ die Gebäude renovieren und bestimmte sie zur Aufnahme seiner bedeutenden Gemäldesammlung, die später zum Grundstock des Grazer Joanneums werden sollte. Auch seine Bibliothek und ein chemisches Laboratorium waren hier untergebracht. Der große Saal wurde mit Bildern des Malers Karl Ruß geschmückt, die der Geschichte der Habsburger gewidmet waren. Der alte Bergfried wurde zu einer Aussichtswarte umgebaut. Außerdem wurde ein romantischer Landschaftsgarten mit Wasserfällen und exotischen Pflanzen angelegt. Die Blütezeit war aber relativ kurz, da Erzherzog Johann sich 1822 in die Steiermark zurückzog. Er verkaufte die Herrschaft 1828 an Johann I Fürst von und zu Liechtenstein. Dessen Nachkommen behielten Thernberg bis 1916. Da sie mehrere Schlösser besaßen und Thernberg nicht bewohnten, kümmerten sie sich nicht sehr um das Schloss, das mehr und mehr vernachlässigt wurde. Die alte Burg war ohnehin längst zur Ruine geworden. Die Eigentümer des 20. Jahrhunderts - Ludwig Viktor Reithoffer (1916), Sally Wolf (1930) und dann KR Richard Zatloukal sowie die Familie Tuider - waren ebenfalls mehr am Waldbesitz und nicht an der Erhaltung von Schloss und Burg interessiert. Die Schlossgebäude waren bis 1938 bewohnt. Zeitweise dienten sie als Kinderheim. Zu Ruinen wurden sie erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Burg und Schloss liegen südöstlich des Ortes Thernberg, etwa 130 m über der Straße nach Lichtenegg. Beide sind von einer hohen Mauer aus dem 15./16. Jahrhundert, die durch zwei Schalentürme verstärkt wird, umgeben. Für Touristen und Burgenliebhaber ist die Anlage praktisch unzugänglich. Der Grundeigentümer will damit einerseits Haftungsrisken vermeiden und anderseits verhindern, dass Besucher sehen, wie der Verfall fortschreitet. Das Gelände ist stark verwachsen. Zwei Tore im Nordwesten und Osten der Umfassungsmauer führen zu einer Terrasse, auf der sich das Schloss befindet. Es nimmt die Stelle der einstigen Vorburg ein. Die von Wolfgang I Thonradl um 1515/20 errichteten Wohngebäude wurden 1774 in den barocken Neubau integriert. Die Schlossgebäude sind in einem völlig verwahrlosten Zustand. In den Räumen wachsen zum Teil bereits Bäume. Während die Gebäude und Türme noch um 1960 mit hohen Zeltdächern bedeckt waren, ragen heute nur mehr die Kamine aus den dachlosen Ruinen hervor. Die Dächer wurden abgetragen, so dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis auch die darunter liegenden Mauern restlos zerstört sind. Heute stellt sich die Schlossruine noch als eine vierteilige Anlage dar. Drei zweigeschossige Trakte umgeben U-förmig einen Hof, der im Südosten vom Burgfelsen abgeschlossen wird. Ein weiterer Trakt schließt im Westen an. Die noch erhaltenen Außenmauern werden von Rundbogenportalen und spätbarocken Rechteckfenstern durchbrochen. Im zweiten Obergeschoß des Westtraktes liegt die ehemalige Schlosskapelle, ein durch Pilaster gegliederter Rechtecksaal. Sie stammt noch aus dem 13. Jahrhundert, wurde im 14. Jh. gotisiert und 1741 barockisiert. Im 19. Jahrhundert wurde sie neugotisch ausgemalt. Durch ein eigenes Zeltdach war sie optisch vom Westtrakt getrennt. Die Reste ihres hölzernen Dachreiters liegen hinter der Kapelle im Wald. Nord- und Osttrakt stellten wohl die Repräsentationsgebäude dar. In dem unter Erzherzog Johann ausgestatteten „Fürstenzimmer“ im zweiten Obergeschoß des Südwesttraktes kann man noch stark verblasste Wandmalereien (Stuckmedaillons mit Burgen und Landschaften) erkennen. An den Schmalseiten des repräsentativen Saales im Nordflügel stehen schön gearbeitete Kamine mit volutengeschmückten Werksteinrahmen. An der Hofseite des Nordtraktes hat sich unter dem Putz eine alte Sonnenuhr erhalten.

Vom Hof aus führt ein steiler und schmaler Pfad zur Hochburg empor. Er sollte nur von schwindelfreien und trittsicheren Besuchern betreten werden. Ein rechteckiges romanisches Tor ermöglicht den Zugang zu einem kleinen zwingerartigen Hof, der im Südwesten vom Palas begrenzt wird. Der vierstöckige Bau hat im dritten Obergeschoß einen Hocheinstieg. Der Palas stammt aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts erfolgte nach einem Brand ein größerer Umbau, wobei der Palas deutlich verkleinert wurde. Seine Wohnqualität wurde aber gleichzeitig deutlich verbessert. Er nimmt eine Grundfläche von ca. 18 x 10 m ein. Seine Mauern sind bis zu zwei Meter dick. Der Wohnbereich begann erst im zweiten Obergeschoß. Dieses wurde durch drei Biforenfenster beleuchtet. Hier haben sich noch einige architektonisch hochwertige Details wie Kamine und gotische Sitznischen erhalten. An der Südseite erkennt man Abtritterker. Das oberste Geschoß diente Wehrzwecken. Vom gotischen Palasumbau des 14. Jh. stammt eine bemerkenswerte fünfteilige Fenstergruppe. Sie ist dem Burghof zugewandt und beleuchtete einst eine sog. Blockwerkkammer, also eine beheizbare hölzerne Stube, die damals errichtet wurde. Gleichzeitig wurden auch Bergfried, Palas und Zwingermauern mit Zinnen versehen.

Durch ein Spitzbogenportal kommt man in einen offenen Hof, der von Felsen und der Beringmauer umgeben ist. Eine ungesicherte Steintreppe führt zum fünfstöckigen Bergfried im Osten. Im Osten und Süden war er durch Felsabstürze sturmsicher. Die Bergseite war durch einen, in den Fels gehauenen doppelten Halsgraben geschützt, vom dem sich noch Reste erhalten haben. Der etwa 25 m hohe Bergfried weist einen unregelmäßigen fünfeckigen Grundriss auf. Seine bis zu vier Meter starken Mauern bestehen aus Quadern und quaderhaften Bruchsteinen. Auch einzelne Buckelquader sind vorhanden. Die große Mauerstärke war erforderlich, da der Bergfried, wie üblich, an der Angriffsseite erbaut wurde und außerdem die Funktion einer Schildmauer übernahm. Drei Ecken sind abgerundet, um das Abgleiten von Steinkugeln zu erleichtern, die von Belagerungsmaschinen abgeschossen hätten werden können. Die scharfe Mauerkante ist gegen die Bergseite im Süden gerichtet. Bemerkenswert ist das stufenartige Aussehen des Bergfrieds, da seine östliche Hälfte sechs, die westliche aber nur vier Geschosse erreicht. Der Turm weist keinen eigentlichen Hocheinstieg auf, was durch die Lage der Hochburg auch nicht nötig war. Ein von großformatigen Quadern umgebenes Rechteckportal führt an der Westseite in sein Inneres. Dieses wird nur spärlich durch kleine Trichterscharten erhellt. Ein hoher romanischer Kamin in der Nordostecke zeigt jedoch, dass der Bergfried auch längere Zeit bewohnt werden konnte. Für eine Burgkapelle befand sich bei den beengten Raumverhältnissen in der Hochburg kein Platz. Sie wurde, wie weiter oben erwähnt, im Bereich der Vorburg angelegt und im späteren Schloss integriert.

Lage: Niederösterreich/Bucklige Welt – ca. 20 km südlich von Wiener Neustadt

Besichtigung: nicht möglich


Weitere Literatur:


26.08.2006