ARCHIV


Gefährdete Objekte

Schlosshotels

Personenverzeichnis






Harmannsdorf


Man nimmt an, dass der Ort eine Gründung des um 1250 verstorbenen Kuenringers Hadmar IV, genannt „der Bucklige“, ist. Er hatte keine direkten Nachkommen, so dass Harmannsdorf an die Herren von Maissau gelangte, die es als Lehen an ihre Dienstleute weitergaben. 1254 wird ein Bernhard von Ladendorf als Lehensinhaber genannt. In einer weiteren Urkunde wird 1329 ein Chunrat von Hadmansdorf erwähnt. Der 1398 aufscheinende Ritter Alber von Hadtmansdorf war Kämmerer des Herzogs Albrecht V. Damals war der kleine Wehrbau aber nicht mehr im Familienbesitz. Er war im letzten Drittel des 14. Jahrhunderts landesfürstlich geworden und zuerst als Lehen an Ulrich den Tumbrizer gelangt. Auf ihn folgte um 1415 Wulfing der Dachpeckh. Bei den Herren von Dachpeckh (heute: Dappach bei Brunn/Wild) blieb Harmannsdorf bis 1499. Der turmartige Ansitz wurde damals als „Höllturm“ bezeichnet. Hier trafen sich die Grenzen der Landgerichte Eggenburg, Gars und Horn. Ritter Hans Dachpeckh verkaufte den Besitz an seinen Vetter Wigeleus Vellaprunner, der ihn 1503 an die mit ihm verwandten Brüder Christoph und Sebastian Grabner abtrat. Darauf folgten 1528 Wolfgang Steger sowie mehrere andere Besitzer, denen die Herrschaft aber meist nur wenige Jahre gehörten. Von 1569 an besaß die kleine, bereits veraltete Burg die Familie Pernstorfer. Um 1590 gehörten zur Herrschaft 56 Untertanen. Sie war also von vergleichsweise bescheidener Größe und geringen Einkünften. Sebastian Pernstorfer ließ um 1610 die bestehenden Bauten abreißen und an ihrer Stelle ein fast quadratisches Renaissance-Wasserschloss mit umlaufenden Wassergräben errichten. Nur der Höllturm wurde als Bergfried beibehalten, da man nicht wusste, ob man ihn nicht vielleicht in unsicheren Zeiten wieder brauchen könnte. Mit dem Bau verschuldete sich aber Pernstorfer so stark, dass er die von seinen Bauern eingehobenen Steuern nicht weiterleitete. Schloss und Gut Harmannsdorf wurden daher 1611 vom Fiskus eingezogen.

1627 erwarb Christoph Eggstein von Ernegg die verarmte Herrschaft. Er konnte sie durch Zukäufe verschiedener Güter, wie Zogelsdorf und Kühnring, wieder ausbauen. Besonders die Steinbrüche von Zogelsdorf sollten sich bald als finanzielles Rückgrat der Herrschaft erweisen. Seine Blütezeit erlebte Harmannsdorf 1742 bis 1825 unter den Herren von Moser. Um 1760, als die Wehrhaftigkeit der Burg durch die Feuerwaffen längst illusorisch geworden war, ließ Daniel von Moser die Anlage barockisieren und einen französischen Park anlegen. Auf die Moser folgten die Freiherren von Suttner. 1866 kam es zu größeren Umbauten, wobei der Westtrakt nicht sehr glücklich aufgestockt wurde und der Bergfried sein oberstes Geschoß mit dem zinnengekrönten Abschluss erhielt. Zu einem neuerlichen finanziellen Engpass kam es unter Carl Freiherr von Suttner. Bei der 1904 erfolgten Zwangsversteigerung ging als Bestbieter der bisherige Hauptgläubiger, die Sparkasse Innsbruck, hervor. Auf zwei Kurzzeit-Eigentümer folgte 1908 die Baronin Irma von Pach, geb. Reichsgräfin Henkel von Donnersmark. Sie ließ das Schloss umgehend restaurieren und modernisieren. Die nächsten Schlossbesitzer waren der deutsche Großindustrielle Hans Pym (1916) und der Generaldirektor der Semperit-Werke Marcell Herczeg (1927). Von 1936 bis 1976 waren die Grafen Abensberg-Traun aus dem benachbarten Maissau die Eigentümer. Die Zogelsdorfer Steinbrüche waren aber im Besitz von Marcell Herczeg verblieben. Als die Familie Abensberg-Traun das Schloss verließ, nahm sie fast die gesamte Einrichtung mit, doch war diese bereits 1945 von russischen Soldaten ausgiebig geplündert worden. 1976 erwarb der Veterinärmediziner Prof. Dr. Erwin Glawischnig das Schloss. Er richtete in den Wirtschaftsgebäuden einen Lehr- und Forschungsbetrieb ein und ließ das Hauptgebäude zwischen 1985 und 1991 restaurieren. Es wird nach wie vor von ihm und seiner Familie bewohnt.

Die berühmteste Bewohnerin des Schlosses war Berta von Suttner. Sie war eine geborene Gräfin Kinsky, doch hatte ihre Mutter den Großteil des Familienvermögens in den europäischen Casinos verspielt, so dass sie sich 1873 als Erzieherin der Töchter der Familie Suttner bewarb. Drei Jahre später musste sie Harmannsdorf verlassen, da ihre Liaison mit dem um sieben Jahre jüngeren Sohn des Hauses, Arthur Gundacker, vom Vater Carl Freiherrn von Suttner nicht geschätzt wurde. 1876 heiratete sie Arthur Gundacker und zog mit ihm in den Kaukasus, wo beide neun Jahre lang lebten. Von 1885 bis zum Tode ihres Mannes 1902 verbrachte sie vor allem die Sommer wieder auf dem Familiengut Harmannsdorf, wo sie neben Erzählungen und Friedensschriften 1887/89 ihren berühmten Roman „Die Waffen nieder!“ verfasste. Im Schloss war auch Alfred Nobel zu Gast, der von Berta von Suttner wesentlich beeinflusst wurde. Sie war die erste und bis heute einzige österreichische Trägerin des Friedens-Nobelpreises. Als überzeugte Pazifistin kämpfte sie bis zu ihrem Tod im Jahre 1914 um den Weltfrieden. Obwohl sie den Großteil der Einkünfte aus ihren Publikationen verwendete, um die unter ihrem Schwiegervater herabgewirtschaftete Herrschaft zu retten, hatte sie damit keinen Erfolg.

Das Schloss ist ein zweigeschossiger Vierflügelbau, der sich um einen quadratischen Innenhof gruppiert. Es macht den Eindruck eines Barockgebäudes, doch ist die Verwendung mittelalterlicher Bauteile beim Umbau des 17. Jh. an diversen Unregelmäßigkeiten sowie an den größeren Mauerstärken im Osttrakt erkenntlich. Vor allem der Innenhof wirkt noch recht trutzig. Der ehemalige breite und tiefe Wassergraben mit seinen gemauerten Wänden ist besonders schön aus der Luft zu erkennen. Er wurde schon vor längerer Zeit trocken gelegt. An der Westseite führt eine steinerne Brücke, die von zwei Löwen flankiert wird, zum heutigen Haupteingang. Hier befand sich bis zum Umbau im 17. Jh. eine Zugbrücke. Vor dem Graben steht eine Reihe lebensgroßer Steinfiguren (Monatsallegorien um 1760). Neben dem rundbogigen Einfahrtsportal in der Mittelachse liegt ein kleines Gehtürl. Beide sind von einer gequaderten Umrahmung umgeben. In den Zwickeln des Tores sind noch die Rollen der einstigen Zugbrücke vorhanden. Der quadratische Bergfried ist im Südtrakt integriert. Im 18. Jh. wurde in ihm die Schlosskapelle eingebaut, wobei die Decke des romanischen Raumes mit reichem Barockstuck versehen wurde. Ansonsten dient der Bergfried mit seiner Wendeltreppe aus dem 17. Jh. seit damals als Treppenturm. Auf diesen Verwendungszweck weisen auch die beiden Hermenpilaster neben dem spätbarocken Steinportal hin.

Um 1760 wurde vor allem die Ostfront zu einer repräsentativen Schauseite umgestaltet. Hier erfolgt der Zugang vom Gartensaal zum Park über eine originelle gemauerte Bogenbrücke, deren Balustraden mit spätbarocken Steinvasen geschmückt sind. Die Fassaden des Schlosses sind durch Riesenpilaster gegliedert. Über und unter den Fenstern des ersten Stocks ist reicher barocker Stuckdekor zu sehen. Die Westseite des Hofes ist mit abgemauerten Arkadenbögen versehen. In seiner Nordostecke ist ein viertelrunder Renaissancebrunnen mit Steinfassung eingebaut. Die tonnengewölbten Keller stammen aus der Zeit um 1600. Die Innenräume mussten vom gegenwärtigen Schlossherrn neu ausgestattet werden. An einigen Zimmerdecken hat sich zarter barocker Stuck erhalten. In der Apsisnische der Schlosskapelle sind noch Reste von Wandmalereien zu sehen. Im großen, terrassenartig angelegten Park und auf der parkseitigen äußeren Umfassungsmauer des Grabens stehen zahlreiche Schmuckvasen und barocke Statuen. Die ehemaligen Gartenparterres waren vom eigentlichen Park durch ein dreiteiliges spätbarockes Tor mit reichem Schmiedeeisengitter aus der Zeit um 1730 getrennt. Auf seinen reich gegliederten Pfeilern stehen große Ziervasen. Der weitläufige Park ist von einer langen Mauer mit Rundtürmchen an den Ecken begrenzt. Er wurde um 1760 in französischer Manier angelegt, ist aber längst verwildert. Südöstlich vom Schloss liegt am Rande des Parks ein mächtiger dreigeschossiger Schüttkasten mit reichen Volutenaufbauten an den beiden von Steinfiguren bekrönten Hochgiebeln. Die Orangerie aus dem dritten Drittel des 18. Jahrhunderts wurde restauriert und dient heute kulturellen Zwecken.

Lage: Niederösterreich/Waldviertel – ca. 8 km südöstlich von Horn an der Bundesstraße nach Wien

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


09.08.2006