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Lichtenfels


Wie viele Burgen des Kamptales dürfte auch Lichtenfels im dritten Viertel des 12. Jahrhunderts entstanden sein, wenn auch manche Burgenforscher seine Erbauung im ersten Viertel des 13. Jahrhunderts vermuten. Der deutsche König hatte das umliegende, dicht bewaldete Gebiet verschiedenen Adelsfamilien zwecks Rodung und Kolonisation übergeben. Lichtenfels lag zuerst knapp außerhalb der österreichischen Mark und wurde 1156 in das neu gegründete Herzogtum Österreich einbezogen. Bereits 1136 ist hier als Rodungsherr Hartung von Rauheneck nachzuweisen. Er gilt als Gründer der Burg-Kirchenanlage von Friedersbach. 1159 wurde er von Herzog Heinrich II Jasomirgott mit der Herrschaft belehnt. Die Herren von Rauheneck sind ab 1200 auch als „Tursen“ (Riesen) bekannt. Hugo der Turs zu Lichtenfels wird 1248 in einer Schrift genannt, die die älteste bekannte, in deutscher Sprache abgefasste Urkunde Österreichs ist. Er trat 1287 als Laienbruder in das Stift Zwettl ein, wo er 1294 starb. Die Herren von Rauheneck hielten Lichtenfels bis zu ihrem Aussterben im Jahr 1335 als Lehen der Herzöge von Österreich. Dann wurde das erledigte Lehen eingezogen und an die Herren von Kapell verliehen. Auf sie folgten Georg von Dachsberg (1415) und Jörg von Rappach (1423). Während der Hussiteneinfälle brachten die Zisterziensermönche des Stiftes Zwettl 1427/28 ihren Kirchenschatz sowie die Bibliothek und das Archiv in die versteckt gelegene Burg in Sicherheit. Das Stift wurde niedergebrannt. Lichtenfels wurde nicht angegriffen. Zu den rasch wechselnden Lehensnehmern der nächsten zwei Jahrhunderten zählten Hans Hauser, Leopold von Eckartsau und Veit Hager. Wie ein erhaltenes Weistum der Herrschaft Lichtenfels aus dem Jahr 1495 beweist, besaß diese damals die hohe Gerichtsbarkeit. Die darin verzeichneten Strafen muten heute etwas grausam an. So wurde, wenn jemand überführt wurde, einen Grenzstein versetzt zu haben, er an dieser Stelle bis zu den Schultern eingegraben und der Kopf durch einen Pflug abgetrennt. 1623 kaufte Hans Unterholzer von Kranichberg die Herrschaft und vereinigte sie mit seinem Besitz Rastenberg. Beide Güter wurden 1774 von den Freiherren von Bartenstein übernommen. Während Rastenberg bis heute gepflegt wurde, überließ man das entlegenere Lichtenfels dem Verfall. 1790 erwarb das Stift Zwettl einen Teil des Daches. 1804 verließ der letzte Bewohner die bereits zur Halbruine gewordene Burg. Die dem Hl. Paulus geweihte Schlosskapelle hatte sich zum Ziel einer beliebten Wallfahrt entwickelt. Sie blieb daher bis heute intakt. 1872 gelangten die beiden Herrschaften an die Grafen Thurn-Valsassina. Derzeit gehören Lichtenfels und Rastenberg verschiedenen Mitgliedern dieser Familie.

Mit der Errichtung mehrerer Stauseen um 1957 hat sich die Landschaft im oberen Kamptal deutlich verändert. Die Burg Lichtenfels z. B. lag einst auf einem bewaldeten Felssporn hoch über dem linken Ufer des Flusses. Heute steht ihre Ruine auf einer flachen Halbinsel inmitten des Ottensteiner Stausees. Ihr relativ guter Erhaltungszustand macht sie zu einem Musterbeispiel einer hochmittelalterlichen Burg. Reste von drei hohen Mauerpfeilern zeugen noch von einer Holzbrücke, die über vier Halsgräben zum ersten Burgtor führte. Der letzte Graben war von einer Zugbrücke überspannt, wie die noch vorhandenen Rollenschlitze zeigen. Neben dem rundbogigen Tor mit seinen klotzigen Prellsteinen wurde eine rechteckige Fußgängerpforte angelegt. Das Tor ist von einer rechteckigen gequaderten Steinrahmung umgeben. Die Pforte wurde offenbar später ausgebrochen. Die Kragsteine über dem Tor stammen von ehemaligen Gusserkern. Durch einen kleinen Vorhof gelangt man zum zweiten Tor, über dem sich einst ein Turm erhob. Dessen Vorderfront stammt noch aus der Romanik, während die Hinterfront sowie das heute nicht mehr vorhandene Gewölbe wesentlich jünger waren. Der dahinter liegende, lang gestreckte Burghof wird im Norden vom siebengeschossigen quadratischen Bergfried (10 x 10 m) dominiert. Er ist heute noch 28 m hoch. Dieser romanische Turm wurde aus regelmäßigen Granitquadern errichtet. Seine Mauern sind bis zu 2,5 m stark. Balkenlöcher und Ausgänge weisen auf einen zweigeschossigen hölzernen Wehrgang im 6. und 7. Geschoß hin. Der Hocheinstieg lag im ersten Obergeschoß. Der Eingang im Erdgeschoß wurde erst in der Barockzeit ausgebrochen.

An der Südspitze des Hofes liegt der ebenfalls aus Quadern aufgeführte, 16 m hohe Kapellenturm. Der kleine Sakralraum liegt im Erdgeschoß. Seine halbrunde Apsis springt hofseitig vor. Unterhalb des zweiten Geschosses führt der ursprüngliche Einstieg zu den oberen Stockwerken. Diese werden durch eine nur 50 cm breite Stiege in der Mauerstärke der West- und Ostwand erschlossen. Das Innere wird teilweise von romanischen Fenstern mit Trichterlaibungen erhellt. Im Obergeschoß finden sich enge Schartenfenster. Der Turm wird von einer Wehrplattform abgeschlossen, um die eine mannshohe Brüstung führt. Während die Mauern des Turmes noch aus der romanischen Bauperiode stammen, ist sein gedrungenes Walmdach wesentlich jüngeren Datums (20. Jh.). Neben dem Kapellenturm liegt eine ehemalige kleine Ausfallspforte. Bergfried, Kapellenturm und Palas waren ursprünglich freistehend. Sie wurden erst später durch Ringmauern miteinander verbunden. Im 16. Jahrhundert wurden im Innenhof an die westliche und östliche Mauer mehrgeschossige Gebäude angebaut. Sie wurden zum Teil mit schwarz-weißer Sgraffiti-Malerei geschmückt, von der sich noch Reste erhalten haben. Auf Grund gestiegener Ansprüche an die Wohnlichkeit und Repräsentation wurde damals der Palas aus dem 12./13. Jh. aufgestockt, modernisiert und durch den Anbau des Kemenatentraktes vergrößert. Von diesen Bauten haben sich nur mehr die Außenmauern erhalten. Um die mittlerweile aufgekommene Artillerie bei Belagerungen auf Distanz zu halten, wurden im 16. Jahrhundert auch der erste Hof und ein Teil der Gräben neu angelegt. Der letzte Umbau erfolgte im 17. Jahrhundert, als man die nunmehrige militärische Bedeutungslosigkeit der Burg erkannte. Damals wurde auch der Bergfried in einen Treppenturm umgewandelt.

Lage: Niederösterreich/Waldviertel – ca. 13 km östlich von Zwettl

Besichtigung: ganzjährig frei zugänglich, lediglich der Kapellenturm ist versperrt


Weitere Literatur:


07.08.2006