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Palais Coburg


Am Areal des heutigen Palais Coburg standen im 18. Jahrhundert mehrere Bauten, die wie fast alle Gebäude, die auf den Stadtmauern erbaut wurden oder sich an diese lehnten, militärischer Natur waren. So befand sich hier das Stadt-Schultheissenamt, das Sitz des jeweiligen Stadtkommandanten war. Hier wohnte und starb 1766 Feldmarschall Leopold Josef Graf Daun. Seinem Nachfolger als Hausbewohner, Feldmarschall Franz Moritz Graf Lacy, gelang es, das Gebäude von der k. k. Hofkammer zu erwerben. Er wandelte das Stadtkommandantenhaus in das Palais Lacy um und bewohnte dieses bis zu seinem Tod 1801. Sein Neffe und Erbe verkaufte das Gebäude im gleichen Jahr an den ungarischen Grafen Franz Joseph Koháry. Dieser konnte 1812 auch ein benachbartes Haus erwerben. Die Kohárys gehörten zu den reichsten Großgrundbesitzern Ungarns. Franz Josephs Tochter Maria Antonia Gabriele heiratete 1816 Prinz Ferdinand von Sachsen-Coburg-Saalfeld. Da diese Ehe zwischen einem Prinzen und einer Gräfin nicht standesgemäß war, musste viel Mühe und vor allem Geld aufgewendet werden, um die Familie Koháry 1817, aber rückwirkend per 1815, in den Fürstenstand zu erheben. Um diese Rangerhöhung zu dokumentieren, begann man mit Ausbaumaßnahmen am immer noch bescheidenen Palais. Franz Joseph Fürst Koháry bewohnte es jedoch kaum, da er vorwiegend in Oroszvár südlich von Pressburg lebte. Als er 1826 starb, war sein Wiener Palais noch immer nicht sehr repräsentativ.

Seine Tochter erbte es und vermietete es vorerst an die Gräfin Cordelia Potocka. Durch das Kohárysche Erbe, zu dem Erzgruben und Stahlwerke sowie riesige landwirtschaftliche Güter in Ungarn und der heutigen Slowakei gehörten, konnte die Familie Coburg, die sich seit 1825 Herzöge von Sachsen-Coburg und Gotha nannte, endlich an die Errichtung eines standesgemäßen Palais denken. Sie lebte damals im späteren Palais Erzherzog Karl Ludwig in der Favoritenstraße. Auch die Aufwertung der Familie durch die Thronbesteigung Victorias in England ließ eine repräsentative Bleibe des Wiener Familienzweiges dringlich erscheinen. Herzog Ferdinand ließ in den Jahren 1843 bis 1847 an Stelle der bisherigen Bauten, d. h. am stadtseitigen Zugang zur Braunbastei, ein großes Palais errichten. Sein Sohn August Ludwig hatte sich 1843 mit Prinzessin Clementine von Orleans-Bourbon, der Tochter des französischen Bürgerkönigs Louis-Philippe, vermählt und das Gebäude zu seinem Wiener Domizil bestimmt. Architekt war Karl Schleps. Die Ausführung seiner Pläne oblag Adolf Korompay. Schlepps hatte die Pläne bereits 1839 eingereicht, war aber bereits im nächsten Jahr verstorben. Nachfolger wurde sein bisheriger Gehilfe Franz Neumann. Mit Philipp Menning wurde ein weiterer Architekt engagiert, so dass es heute nicht klar ist, welcher Architekt welchen Anteil am Palais hat. Um den Bauplatz zu erweitern, wurden einige benachbarte Grundstücke, wie das Kroatendörfl angekauft. Der Baustil ist eine Mischung aus Klassizismus und Historismus und spiegelt deutlich jenen Wandel in der Architektur wider, der sich in dieser Zeit abspielte. Es erfolgte aber vorerst kein Innenausbau, da Louis-Philippe verlangte, dass sein Enkel in Frankreich zur Welt kommen sollte und das herzogliche Paar nach Paris übersiedelte. 1849 wurde jener Teil des Palais, der an der Seilerstätte liegt, nach Plänen von Franz Neumann weitgehend in ein Zinshaus umgewandelt. Schon drei Jahre zuvor wollte es Baron Sina erwerben und hier die Börse sowie das Wechselgericht unterbringen, doch hatten sich diese Pläne zerschlagen.

1851 residierte der englische Botschafter in Österreich, Generalleutnant John Fane, als Mieter hier. Johann Strauss diente ihm für seine Feste als Musikdirektor. 1852 war das Palais auch im Inneren bezugsfertig und Herzog August Ludwig konnte nach Wien zurückkehren. Nachdem die Braunbastei 1863 abgebrochen wurde, entstand die klassizistische Gartenfassade. Knapp vor der Jahrhundertwende residierte Fürst Ferdinand von Bulgarien, der aus der Familie Coburg stammte, bei seinen Wien-Aufenthalten im Palais. Im Zweiten Weltkrieg wurde der rechte Teil des Portikus von einer Fliegerbombe getroffen. Dabei gingen auch zwei Figuren der Attika verloren. In der Besatzungszeit waren zuerst russische Soldaten im Palais einquartiert. Pläne, das Palais abzureißen und an seiner Stelle ein Hotel zu errichten, wurden glücklicherweise nicht verwirklicht. Danach war hier lange Zeit die Generaldirektion der Österreichischen Bundesbahnen eingemietet. 1978 verkaufte Prinzessin Sarah Aurelia von Sachsen-Coburg das Palais an einen Realitätenmakler. Restaurierungspläne zerschlugen sich vorerst immer wieder aus finanziellen Gründen. Derzeit gehört das Gebäude einer Privatstiftung des deutschen Investors Peter Pühringer. Ab 2000 wurde es einer umfassenden Generalsanierung unterzogen. Vor zwei Jahren wurde hier eines der schönsten Luxushotels der Stadt mit ausgezeichneten Restaurants in Betrieb genommen. Daneben befindet sich eine Anzahl von Wohnungen und Büros in dem ausgedehnten Gebäudekomplex. Die ursprünglich geplante Einkaufspassage wurde nicht realisiert.

Das Palais liegt zwar nicht direkt an der Ringstraße, doch hat sich der Bauherr den freien Ausblick auf diese und den Stadtpark durch ein Servitut gesichert, das bis heute gewahrt wurde. Während die Basteiseite an adelige Landhäuser wie Schloss Liechtenstein bei Maria Enzersdorf oder die ehemalige Weilburg in Baden erinnert, ist die Seilerstätte-Front eher als bürgerliches Zinshaus gestaltet. Schauseite ist die dem Ring zugewendete 21-achsige Gartenfassade. Sie ist durch die zweigeschossige Säulenordnung charakterisiert, die dem Palais schon bald nach seiner Errichtung im Volksmund die Bezeichnung „Spargelburg“ eingetragen hat. Die Fassaden des Palais zeigen nämlich nicht die bei Wiener Palästen übliche Kolossalordnung, bei der mehrere Geschosse durch Riesenpilaster oder –säulen zusammengefasst sind. Hier werden die Wände durch ionische Säulen gegliedert. Auf deren Gebälk setzte man korinthische Säulen auf. Hinter den Säulen des siebenachsigen Mittelrisalits liegen in den beiden Obergeschoßen offene Loggien. Sie waren ursprünglich auf beiden Seiten durch Treppen mit dem Garten verbunden. Als dieser 1864 wegen der Schleifung der Basteien neu angelegt werden musste, wurde auch die Attikazone neu gestaltet. Franz Neumann und Leopold Mayer stellten hier Figuren auf, die Personifikationen von Musik, Jagd, Stärke, Geschichte, Wissenschaft, Ackerbau und Blumenpflege darstellen. Der Errichtung des Palais auf der Braunbastei ist es zu verdanken, dass Teile der Renaissancebefestigungen Wiens, vor allem die aus Ziegelmauerwerk bestehenden Kasematten erhalten geblieben sind. Sie befinden sich direkt unter dem Palais und wurden bei der letzten Renovierung 2003 wieder zugänglich gemacht. Dabei wurde allerdings die auf die Bastei führende Rampe zerstört.

Der spätklassizistische Straßentrakt an der Seilerstätte ist der etwas ältere Teil des Gebäudes. Da es sich um eine enge Innenstadtgasse handelt, ist die Fassade an der Seilerstätte relativ flach gegliedert. Wegen des Niveauunterschiedes zur Bastei weist sie eine beträchtliche Höhe auf. In die zweigeschossige Sockelzone sind drei große gebänderte Rundbogenportale eingelassen. Die Fenster der oberen Geschoße sind unterschiedlich gestaltet (Rundbogen, Dreieckgiebel, unbekrönt). Dem Mittelrisalit ist eine dreigeschossige seichte Loggia vorgeblendet. Franz Neumann d. J. schuf um 1880 den strenghistoristischen Vorbau an der Coburggasse. Er ist durch Risalite gegliedert und weist eine Attikabrüstung auf. Das hier befindliche Portal ist mit Muscheldekor versehen. Von der Seilerstätte aus betritt man das Palais durch ein zweigeschossiges Vestibül, das zum prunkvollen Stiegenhaus führt. Es wird von ionischen Säulen gestützt. Große Ziervasen stehen auf Postamenten. Die Beletage ist ein bemerkenswertes Raumensemble des Spätklassizismus und des frühen Neobarocks. Von ihrer Ausstattung sind aber nur mehr die wandfesten Teile erhalten geblieben, da nach dem Zweiten Weltkrieg ein Großteil der Möbel verkauft wurde. Die intarsierten Parkettböden wurden zum größten Teil 2001 erneuert. Der im Zentrum liegende Ballsaal ist ein mit Stuckmarmor verkleideter Raum, der mit stuckierten Voluten geschmückt ist. Vergoldete Spiegelrahmen und Wandleuchten komplettieren die Ausstattung. Er wird durch eine Glasdecke beleuchtet. Interessant ist der Familiensaal oder Grüne Salon. Hier hängen zahlreiche Portraits von Mitgliedern der Familie Coburg, darunter jene, die im 19. Jahrhundert als Könige oder Herzoge verschiedene europäische Länder regierten (Belgien, Portugal, Bulgarien, England). Der Blaue Salon ist mit ganzfigurigen Bildern aus dem engsten Familienkreis der Palaisbewohner geschmückt. Sie stammen von Franz Xaver Winterhalter bzw. aus dessen Werkstatt. Neobarock ist auch der Gelbe Salon. Über den drei Türen halten Stuckfiguren die Wappen der Coburg und Orleans.

Ort/Adresse: 1010 Wien, Seilerstätte 1 - 3

Besichtigung: nur im Rahmen des Hotelbetriebes möglich

Homepage: www.palais-coburg.com


Weitere Literatur:


04.08.2006