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Pfalz Markgraf Leopolds III


Im Zuge der systematischen Festigung der Landeshoheit verlegten die Babenberger gegen Ende des 11. Jahrhunderts ihre Residenz immer weiter nach Osten. Leopold II übersiedelte bereits von Gars nach Tulln. Nach seiner Heirat mit der Kaisertochter Agnes verlegte Markgraf Leopold III 1113 seine Residenz nach Klosterneuburg. Als Wohnsitz diente ihm vorerst ein Festes Haus in der Südwestecke des alten römischen Kastells, das er vom bayerischen Grafen Walter von Chling geerbt hatte. Er dürfte aber nicht lange hier gewohnt haben, da er sich gleichzeitig mit dem 1114 begonnen Bau der Stiftskirche nordwestlich von dieser über dem Abhang des Kierlingtales eine neue Residenz erbauen ließ. Möglicherweise gab es an dieser Stelle bereits einen Vorgängerbau. Diese Pfalz liegt im sog. Kuchl- oder Leopoldihof des Stiftes und schließt im rechten Winkel an den Durchfahrtstrakt an. Es ist ein einstöckiger Bau, der in jedem Geschoß einen Mittelsaal und rechts und links davon je einen quadratischen beheizbaren Wohnraum aufweist. Dieser rechteckige Grundriss kommt auch in zahlreichen anderen Burgen aus dieser Zeit, wie z. B. beim Palas der Wartburg vor. In Klosterneuburg betragen seine Maße 40 x 13,5 m. Stadtseitig ist die Fassade durch unregelmäßig angeordnete Fenster belebt, was bereits auf das hohe Alter des Baues hindeutet. Klosterneuburg war aber nur relativ kurz Sitz des Landesherrn. Nachdem Markgraf Leopold 1136 verstorben war, verlegte sein Sohn Heinrich II seine Residenz nach Wien, wodurch die Burg ihre Bedeutung verlor. Die reich gegliederte spätgotische Hoffassade erhielt ihr heutiges Aussehen aber erst als die Habsburger als Nachfolger der Babenberger längst in Wien residierten.

Ab dem 14. Jahrhundert wurde die kleine Pfalz mehrfach verändert. Zunächst wurde der gotische Portal-Erkervorbau mit seinen Achteckpfeilern errichtet. Im 15. Jahrhundert wurde dem Obergeschoß der wunderschöne spätgotische Doppelerker vorgesetzt. In seiner Mitte steht eine Marienstatue, während an den beiden Ecken das Stifterpaar (Leopold III und seine Gattin Agnes) auf die Besucher herabblickt. Damals wurden auch die reich profilierten, verstäbten Fensterumrahmungen eingesetzt. Um 1500 wurde ein polygonales Treppentürmchen mit einer Wendeltreppe an den Portalvorbau angebaut. Der ursprüngliche Zinnenkranz wurde 1569 in halbrunde Renaissancezinnen verwandelt, die aber 1820 weitgehend abgebrochen wurden. Nach einem Brand wurde bei der Wiederherstellung des Gebäudes 1579 oberhalb der Torlaube die gemalte Sonnenuhr angebracht. 1820 ersetzte man das ursprüngliche Grabendach durch ein Pultdach. Unter Propst Adam II Schreck wurde nach 1860 in der ehemaligen Babenberger-Residenz eine Obst- und Weinbauschule eingerichtet. Sie war eine der ersten ihrer Art in Europa. Anlässlich der erforderlichen Adaptierung wurden leider auch die alten Gewölbe der Innenräume entfernt und durch Flachdecken ersetzt. Erhalten hat sich in einem stadtseitigen Erker das spätgotische Sternrippengewölbe mit seinen Wappenschlusssteinen. 1877 zog die Schule wieder aus. Seit 1971 ist in diesem Bau das Stiftsarchiv untergebracht, in dem zahlreiche Urkunden zur Geschichte Wiens und Niederösterreichs verwahrt werden. Bei der letzten, hervorragend durchgeführten Gesamtrestaurierung konnte im Südwesteck des Obergeschosses ein Schulterbogenportal freigelegt werden, das zu einem heute nicht mehr existierenden Außengang führte.

Lage: Niederösterreich/Donau – im Kuchlhof des Stiftes Klosterneuburg

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


02.06.2006