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Alt Erlaa


Alt-Erlaa ist einer der wenigen bis heute erhalten gebliebenen Adelssitze des 23. Bezirks. Nicht gesichert ist die Erwähnung eines Heinrich von Erla in einer Klosterneuburger Traditionsnotiz aus der Zeit um 1114, da es mehrere Ortschaften gleichen Namens in Niederösterreich gab und noch gibt. Gesichert ist jedoch Friedrich von Erlaa, der in eine Urkunde aus dem Jahr 1242 als Zeuge genannt wird. Die Herren von Erlaa waren eine hochfreie Familie. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts gelangte das Dorf an Kadolt d. Ä. von Eckartsau. Ihm gehörten auch die benachbarten Herrschaften Mauer, Kalksburg und Rodaun. Lehensherr dürfte der jeweilige habsburgische Landesfürst gewesen sein. Erlaa gehörte nun zwei Jahrhunderte lang zum Herrschaftsgebiet der Eckartsauer. Als Sitz der Herrschaft diente möglicherweise ein wehrhafter Vorläuferbau des hiesigen Schlosses. Da die Eckartsauer Protestanten waren, wurde ihr Besitz 1625 von der Hofkammer eingezogen. Erlaa wurde dann an Bernhardin Freiherr von Barbo zu Wachenstein und Paßberg vergeben. Georg Matthäus Vischer zeichnete das Schloss 1672. Man nimmt aber an, dass es bereits vor 1529 entstanden ist. Während der Wiener Türkenbelagerung von 1683 dürfte die wirtschaftliche Basis der Herrschaft zerstört und das Schloss zumindest stark beschädigt worden sein. Gräfin Maria Anna von Brandis war gezwungen, das Gut 1688 an Anna Franziska Gräfin Kinsky zu verkaufen. Vor 1725 kamen die Grafen Seilern in den Besitz der Herrschaft. Sie ließen das von den Türken schwer in Mitleidenschaft gezogene Schloss wieder aufbauen. Unter Johann Friedrich Graf Seillern wurde die Schlosskapelle 1726 von Erzbischof Sigmund Graf Kollonitsch feierlich eingeweiht.

1765 erwarb Georg Adam I Fürst Starhemberg Erlaa. Er beauftragte den Hofarchitekten der Kaiserin Maria Theresia, Nikolaus Pacassi, mit einem aufwändigen Umbau, der zwischen 1766 und 1770 durchgeführt wurde. Unter ihm erlebte das Schloss seine Blütezeit. Starhemberg ließ auch den großen Park im französischen Stil gestalten. Er veranlasste auch die Anlage der langen Schlossallee. Als der Fürst nach der Aufhebung des Jesuitenordens 1775 auch die Grundherrschaft über Atzgersdorf erwerben konnte, vereinigte er die beiden Domänen. Jerome, Kaiser Napoleons jüngster Bruder verlor nach der Völkerschlacht bei Leipzig sein Königreich Westfalen und erhielt in Österreich Asyl. Er lebte zunächst in Hainburg, erwarb jedoch über seinen Kammerherrn Baron Linden vom Fürsten Starhemberg das Schloss Alt-Erlaa. 1817 zog er mit großem Gefolge ein. Auf Betreiben Metternichs, dem Erlaa zu nahe bei Schönbrunn lag, musste er jedoch bald sein neues Domizil wieder aufgeben und nach Schönau ziehen, das er vom Freiherrn Peter von Braun im Tausch gegen Erlaa erworben hatte. 1818 erhielt er die Erlaubnis, Triest als endgültigen Exilort zu wählen. Braun ließ den barocken Park in einen englischen Landschaftsgarten mit Kaskaden, Tempeln und künstlichen Ruinen umwandeln, der bald zu einer Sehenswürdigkeit im Umfeld von Wien wurde. 1826 gehörte die Herrschaft Rudolf Graf Taaffe und anschließend seinem Sohn Ludwig. Ab 1859 besaß der Schriftsteller und Herausgeber der Wiener Theaterzeitung, Adolf Bäuerle das Schloss, das von seinen Gläubigern weitgehend ausgeräumt wurde. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts residierte hier der als Musiker und Schriftsteller bekannt gewordene Herzog Elimar von Oldenburg. Er nahm am Schloss einige Veränderungen vor. Im Oktober 1918 kam das Gut an Hans Ritter von Brenner, der im nächsten Jahr den an der Straße gelegenen Vordertrakt mit der Kapelle abreißen und an seiner Stelle eine Begrenzungsmauer errichten ließ. Das Schloss befindet sich nach wie vor in Privatbesitz und wird bewohnt.

Der zweigeschossige dreiflügelige Bau bildet mit seinen leicht schräg gestellten Seitenflügeln straßenseitig einen Ehrenhof. An beiden Seiten des Mitteltraktes springt ein dreiachsiger Mittelrisalit nur wenig vor. Er wird beidseitig durch einem Dreieckgiebel und einer vorgelagerten, geschwungenen, zweiläufigen Freitreppe hervorgehoben. Ihr spätbarockes Schmiedeeisengitter (um 1770) zeigt zarte Rocaillen. Unter der Treppe liegt die ehemalige Durchfahrt. Die einfachen Fassaden des Ehrenhofes werden durch Lisenen und Putzfelder sparsam gegliedert. Am östlichen Hofflügel ist über dem Seiteneingang ein Wappenrelief mit einer Inschrifttafel aus dem Jahr 1618 angebracht. In der Mitte des Hofes steht ein Brunnen. Die Geschosse des Mittelrisalites an der genuteten Gartenfront werden durch Riesenpilaster mit ionischen Kapitellen optisch zusammengefasst. Über der Tür und den Fenstern des Obergeschosses erkennt man klassizistischen Girlandendekor. Unter den Innenräumen ist vor allem der Mittelsaal mit seiner Pilastergliederung und seiner reichen Stuckierung bemerkenswert. Von Putten gerahmte kleine Gemälde stellen die vier Jahreszeiten dar. Mehrere Räume des Obergeschosses sind mit Holzvertäfelungen versehen. Einige Kachelöfen stammen vom Beginn des 19. Jahrhunderts. Hinter dem Schloss liegt ein weitläufiger ehemals englischer, heute aber verwilderter Park. Von den einstigen Parkbauten haben sich noch einige Reste (u. a. künstliche römische Ruine, Rundtempel) sowie etliche Statuen erhalten. Straßenseitig flankieren zwei Wirtschaftsgebäude das Einfahrtstor.

Ort/Adresse: 1230 Wien, Erlaaer Straße 54

Besichtigung: nicht möglich


Weitere Literatur:


23.05.2006