ARCHIV


Gefährdete Objekte

Schlosshotels

Personenverzeichnis






Pöllau


Bereits vor der Mitte des 12. Jahrhunderts entstand inmitten des Pöllauer Kessels ein Gutshof als Rodungszentrum der Herren von Stubenberg. Die 1163 erfolgte Erstnennung eines Heinrich von Pöllau setzt wohl bereits einen Herrensitz voraus. Heinrich dürfte ein ritterlicher Dienstmann der Stubenberger gewesen sein, der das Gut für sie verwaltete. Pöllau ist die älteste Gründung der Stubenberger in dem riesigen Waldgebiet, das ihnen um 1125 von Markgraf Leopold III geschenkt wurde. Die Burg diente als verwaltungsmäßiger und wirtschaftlicher Mittelpunkt des neu besiedelten Gebietes. Die Herren von Pöllau zählten zu den wichtigsten Gefolgsleuten der Stubenberger und scheinen in den von ihnen ausgestellten Urkunden meist an erster Stelle der Zeugenlisten auf. Bis 1419 kam es zu mehreren Erbteilungen, wobei Pöllau schließlich an Otto von Stubenberg gelangte. 1459 verkaufte Hans von Stubenberg Burg und Herrschaft an seinen Verwandten Heinrich von Neuberg. Dessen Sohn Hans, der letzte seines Geschlechtes, bestimmte in seinem Testament, dass beides an das neu zu gründende Augustiner-Chorherrnstift Pöllau fallen sollte. Dies konnte aber vorerst nicht durchgeführt werden, da die Neubergen in den Ungarnkriegen zu Matthias Corvinus hielten und Pöllau von Kaiser Friedrich III eingezogen wurde. 1488 hatte Wilhelm Baumkircher, der von Matthias Corvinus zum Hauptmann von Fürstenfeld und Hartberg ernannt wurde, Pöllau eingenommen und dürfte dabei Schloss und Kirche teilweise zerstört haben. Erst als Kaiser Maximilian I die konfiszierte Herrschaft 1502 den Neubergern zurückgegeben hatte, konnte Gräfin Elisabeth von Pösing-St. Georgen, die Schwester des ersten Stifters, die Gründung des Klosters durchführen. Da sie schon 1503 starb, fertigte ihr Gatte, Graf Christof, im nächsten Jahr den Stiftsbrief aus. Er behielt sich die Vogtei über das Stift vor und reservierte für sich ein Gebäude als Wohnung. 1532 verheerten die Türken Markt und Stift.

Die alte Burg Pöllau diente nun bis zum Ende des 17. Jahrhunderts als Stiftsgebäude. Als einige reiche Adelige aus den Familien Stubenberg, Saurau und Schrattenbach in das Stift eintraten und dadurch das Stiftsvermögen deutlich erhöhten, ließ Propst Michael Maister die alte Wasserburg abreißen und um 1670 Pläne für einen Neubau von Stift und Kirche erstellen. Sie dürften auf den Leibnitzer Baumeister Jakob Schmerlaib zurückgehen. Später übernahmen Carlo Antonio Carlone und Joachim Carlone die Ausführung. Als Propst Maister 1696 starb, war bereits der gesamte Nordtrakt aber auch Teile des Ost- und des Westtraktes fertig. Unter seinem Nachfolger, Propst Johann Ernst von Ortenhofen, wurde der Bau vollendet. 1699 wurde der Grazer Maler Antonio Maderni mit der malerischen Ausgestaltung der Bibliothek beauftragt. 1720 wurde anstelle der 1705 abgebrochenen St. Veitskirche die neue Sakristei angebaut. Die Innenausstattung der Stiftsgebäude konnte erst 1780 abgeschlossen werden. Als 1785 das Chorherrenstift aufgehoben wurde, fiel Pöllau an den staatlichen Religionsfonds, der die Herrschaft vorerst verpachtete. An der Wende zum 19.Jahrhundert diente das verlassene Stiftsgebäude als Kaserne. Als 1827 Schloss und Herrschaft öffentlich zum Verkauf angeboten wurde, erhielt Karl Freiherr von Kulmer den Zuschlag. 1834 gelangten die Gebäude an den k. k. Kämmerer Anton Raimund Graf Lamberg, der sie gründlich renovieren ließ und wieder als Schloss benützte. Vollrat Graf Lamberg begann 1935 mit Abverkäufen und überließ 1938 das Schloss der Marktgemeinde Pöllau. Heute sind in den einzelnen Trakten neben Mietswohnungen eine Musikschule sowie verschiedene Ämter untergebracht. In den Jahren 1984 bis 1990 wurden Kirche und Schloss einer gründlichen Totalrestaurierung unterzogen. Der Festsaal wird für kulturelle Veranstaltungen genutzt.

Das heutige Schloss ist ein stattlicher zweistöckiger Viereckbau des 17. Jahrhunderts, der mit der großen Stiftskirche ein Ensemble bildet. Die barocke Anlage erstreckt sich um zwei Innenhöfe im Norden der Kirche. Von der mittelalterlichen Wasserburg sind der Graben und die Umfassungsmauern im Westen, Norden und Osten sowie Reste der Burganlage an der Westseite des ersten Hofes erhalten. Das alte Schloss war von Basteien und einem gemauerten Wassergraben umgeben. Die damalige Pfarrkirche lag innerhalb der Basteien. Das alte Schloss bestand aus mehreren Trakten und war von einem Turm überragt. Der um 1690 umgebaute Westteil erhielt damals ein schönes Portal und ein repräsentatives Stiegenhaus. Die Pfeilerarkaden wurden erst 1895 vorgebaut. Der im 16. Jahrhundert an der Ostseite unter Propst Mistelberger erbaute Klausurtrakt wurde 1660 um zwei Stockwerke erhöht und um 1694 mit Arkaden versehen. Der lange Nordtrakt mit seinen vortretenden achteckigen Türmen wurde 1694 fertig gestellt und mit dem Westteil des Altbaues verbunden. Die Südseite des Schlosskomplexes wird von der Kirche und dem Stiegenhaus eingenommen. Hier liegt auch das repräsentative Eingangstor, das in einem gebrochenen Giebel die Wappen des Stiftes und des Propstes Ortenhofer zeigt.

1698 wurde der Mittelteil mit der Bibliothek vollendet. Ihre Bücher wurden schon bei der Stiftsaufhebung ausgeräumt. Sie dient seit 1954 als Festsaal. Ihre Deckenfresken stellen Allegorien geistlicher und weltlicher Wissenschaften dar. Sie wurden nach einem Vorbild im römischen Palazzo Barberini von Antonio Maderni 1699 gemalt. Die reich intarsierten Holzportale stammen von Remigius Horner (um 1720), der auch viele Möbeln und Türen schuf. Ein daneben liegender kleiner Raum zeigt ein Augustinus-Fresko aus dem 18. Jh. Das ehemalige Refektorium wurde 1694 fertig. Es weist eine bemerkenswerte Stuckdecke auf. Auch ein schöner Kamin hat sich hier erhalten. Der Ecksaal der ehemaligen Prälatur dient heute der örtlichen Musikschule. Seine Deckenfresken wurden 1731 von Matthias von Görz geschaffen und zeigen „die Verherrlichung der Malerei“. Unter den Fenstern durften die Schüler des Meisters in mythologischen Szenen ihr Können zeigen. Die ebenerdigen Vorgebäude an der dem Hauptplatz zugewandten Südseite des Vorschlosses wurden 1747 errichtet. Ihre Innenseiten am Stiftsvorplatz wurden damals mit illusionistischen Wandmalereien geschmückt. Die beiden zweigeschossigen Torbogen an der Süd- und der Westseite sind mit freskenverzierten Giebelaufbauten versehen, die von den Statuen des Hl. Augustinus und der Hl. Maria Immaculata gekrönt sind. Letztere ist ein Werk des Bildhauers Veit Königer.

Lage: Steiermark/Oststeiermark – ca. 15 km westlich von Hartberg

Ort/Adresse: 8225 Pöllau bei Hartberg

Besichtigung: teilweise möglich


Weitere Literatur:


03.05.2006