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Palais Todesco


Die Architekten Ludwig Förster und Theophil Hansen errichteten in den Jahren 1861 bis 1864 für den Kaufmann und Bankier Eduard Freiherr von Todesco und dessen Bruder Moritz ein großes Palais in der oberen Kärntner Straße. Das Palais zählt daher zu den frühesten Bauten der Ringstraßenzeit. Es wurde gleichzeitig mit der Hofoper begonnen, als Teile der Stadtmauer noch standen. Hier befand sich bereits Ende des 13. Jh. der Kärntner Turm zum Schutze des wichtigen Kärntner Tores. Er war bei der Belagerung Wiens 1529 Hauptangriffsziel der Türken. Vom 13. bis zum 16. Jh. diente er auch als Stadtgefängnis. So waren 1463 hier nicht weniger als 236 kaiserliche Söldner eingesperrt. Als 1671 das neue Kärntnertor errichtet wurde, trug man den Turm zum größten Teil ab. Mit der Explosion einer benachbarten Schießpulvererzeugung verschwanden 1752 die Reste. Der aus Rumänien stammende Eduard Todesco war ein typischer Vertreter der Finanzaristokratie seiner Zeit. Sein Vater, Hermann Todesco, war ein jüdischer Händler, der in die Seidenfabrikation eingestiegen war und eine Seidenraupenzucht bei Padua besaß. Sein in den Freiherrenstand erhobener Sohn Eduard leitete seit 1848 ein Großhandelshaus, dem eine Privatbank angeschlossen war. Er gewann seinen Reichtum zum Großteil durch Grundstücks- und Börsenspekulationen. Während er zwar als Börsengenie, aber sonst als relativ einfach galt, führte seine Gattin im Palais einen Künstlersalon, zu dessen Gästen u.a. Hugo von Hofmannsthal, Ferdinand von Saar, aber auch Henrik Ibsen und Anton Rubinstein gehörten. Im Festsaal fanden damals zahlreiche private Theateraufführungen sowie Präsentationen der beliebten „Lebenden Bilder“ statt. Johann Strauß lernte hier Henriette Treffz, seine spätere Frau, kennen, die die Lebensgefährtin von Moritz Todesco war. 1899 besaß Gabriele Baronin Oppenheimer 2/3 des Palais. 1935 erwarb die Bundesländer-Versicherung das Gebäude, deren Nachfolgegesellschaft Uniqa es heute noch gehört. 1945 wurde der Bau durch Bombentreffer schwer beschädigt aber bald wiederhergestellt. Nachdem er 1976 unter Denkmalschutz gestellt worden war, wurde er zuletzt 1978/79 umfassend restauriert. Von 1947 bis 1993 befand sich hier der Sitz der Österreichischen Volkspartei. Derzeit wird das Palais als Mietobjekt genutzt.

Das Palais zählt zu den bedeutendsten Bauwerken der Ringstraßenepoche. Der langgestreckte Neo-Renaissance-Bau weist an der Schauseite 14 Fensterachsen auf. Seine drei Straßenfronten sind um einen glasgedeckten Innenhof, in dem sich ursprünglich die Stallungen mit marmornen Futterkrippen befanden, angeordnet. Ein Wintergarten springt erkerartig in den Hofraum vor. Die fünfgeschossige Fassade ist vorwiegend horizontal gegliedert. Zwei zweiachsige Eckerker und ein vierachsiger Mittelbalkon betonen die Beletage. Beide werden von Herkulesfiguren getragen. Unter dem Balkon führt ein breites Rundbogentor ins Innere. Zahlreiche, fast vollplastische Karyatiden tragen das durchlaufende Gesims, auf dem eine mit Vasen besetzte Balustrade das Gebäude nach oben abschließt. Die Ausstattung der Beletage wurde größtenteils von Theophil Hansen geplant. Carl Rahl entwarf die Wand- und Deckengemälde, die von seinen Schülern Gustav Gaul, Karl Lotz und Christian Griepenkerl ausgeführt wurden. Die aufwendig geschnitzten Vertäfelungen der Wände und Decken stammen von Lorenz Gedon. Besonders beeindruckend ist der goldüberladene Festsaal mit seinen, in die Felder der schweren Kassettendecke eingesetzten Gemälden. Die Decke des Saales wird von Säulen und Pilastern aus rotem Marmor getragen. Im ebenfalls reich dekorierten Speisesaal befindet sich das Deckengemälde „Urteil des Paris“, ein Hauptwerk von Carl Rahl. In einigen Räumen des Hauses haben sich bemerkenswerte Kachelöfen aus der Erbauungszeit erhalten, obwohl das Palais mit einer der ersten Warmluft-Zentralheizungen Wiens ausgestattet war.

Ort/Adresse: 1010 Wien, Kärntner Straße 51

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


30.08.2002