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Palais Sturany


Das Palais Sturany liegt gegenüber der Wiener Börse. Es ist vielleicht das am wenigsten bekannte, aber sicher eines der schönsten Palais des Wiener Späthistorismus. Es hatte nie einen adeligen Eigentümer, zeigt aber wie das wirtschaftlich erstarkte Wiener Großbürgertum dem Adel auch im Bereich des Wohnens nacheiferte. Es wurde für den Hofbaumeister Johann Sturany und seine Gattin Barbara errichtet. Die Baufirma Sturany war im Ringstraßenbereich von 1854 bis 1905 unter der Leitung der Familienmitglieder Josef, Johann und Moritz Sturany tätig. Johann Sturany war aber kein Architekt. Daher beauftragte er das damals viel beschäftigte Architekturbüro Ferdinand Fellner und Hermann Helmer mit der Ausarbeitung der Pläne. Der Bau wurde 1874 begonnen, doch war der Innenausbau frühestens 1880 beendet, wie eine Kartusche im Stiegenhaus zeigt. Im gleichen Jahr schufen Gustav Klimt, sein Bruder Ernst und Franz Matsch in einer gemeinsamen Arbeit vier Deckenbilder in der Beletage. Das Haus ist ein prächtiges Beispiel des Palaisbaues im späten 19. Jahrhunderts. Da zuvor meist Renaissancefronten bevorzugt wurden, zeigt es zugleich eine der frühesten Neo-Barockfassaden an der Ringstraße. 1916 erfolgte unter dem Architekten Otto Prutscher ein Umbau für die Zwecke der hier angesiedelten Internationalen Handelsbank. Dabei wurde der Innenhof mit einem abgetreppten Glaswalmdach versehen und in eine Kassenhalle verwandelt. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde das Gebäude von der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien übernommen und im Inneren neuerlich adaptiert. Bei dieser Gelegenheit wurde auch ein moderner Bibliotheksraum geschaffen. Im Jahr 2000 wurde das ehemalige Palais vorbildlich renoviert. 2012 erwarb das Königreich Saudiarabien das Gebäude

Das Gebäude ist viergeschossig, wobei der oberste Stock im Gegensatz zu fast allen anderen Ringstraßenbauten als zweite Beletage hervorgehoben ist. Die Fassadenplastik geht auf Franz Schönthaler zurück. Das Erdgeschoß wird durch eine Diamantquaderung bereichert. Die Rollwerkornamente der Segmentbogenfenster dienen als Sockel für die darüber liegenden flachen Balkone der Rundbogenfenster des ersten Stocks. Sie werden mit schönen Schmiedeeisengittern zur Ringstraße hin abgeschlossen. Während die rechteckigen Fenster des zweiten Obergeschosses nur relativ einfache gerade Verdachungen aufweisen, sind die geschwungenen Fensteraufsätze des vierten Stocks wieder reicher geschmückt und durch kannelierte korinthische Pilaster getrennt. Das darüber liegende Dachgeschoß wird durch kleine querrechteckige Fenster, die zwischen maskenbesetzten Konsolen liegen, beleuchtet. Auffallend ist der über zwei Geschosse reichende, konvex-konkav geschwungene Portalerker. Er wird von zwei, stark gebeugten Atlanten getragen, die von Carl Kundmann entworfen wurden. Zwischen ihnen liegt der Maskenschlussstein des Rundbogenportals. Das prächtige Schmiedeeisengitter der beiden Torflügel zählt zu den schönsten des Wiener Historismus. Es wurde von Albert Milde geschaffen. Die figuralen Medaillons sind ein Werk von Rudolf von Weyr. Die gewölbten Mittelfenster des Portalerkers werden sowohl im ersten als auch im zweiten Stock jeweils von Karyatidhermen flankiert. Eine prächtige schmiedeeiserne Laterne ziert die kreuzgratgewölbte Einfahrt. Sehr attraktiv ist die links davon befindliche Haupttreppe. Ihr Stuckdekor zeigt flatternde Amorettengruppen zwischen Akanthuszweigen und großen Voluten sowie verschiedene Attribute von Handel, Industrie, Kunst und Wissenschaft. Die Stukkaturen stammen ebenso wie jene der Beletage von Reinhard Völkel. Die Schmiedeeisenarbeiten wie das Stiegengeländer und die Laternen kommen aus der Werkstatt von Albert Milde. Im ersten Stock lag die Wohnung des Hausherrn. Sie war wie das Äußere vorwiegend neobarock eingerichtet. Am Spiegelgewölbe des großen Salons sind vier Eckmedaillons in vergoldeten Holzrahmen angebracht. Sie stellen Allegorien der Poesie, des Schauspiels, der Musik und des Tanzes dar. Sie sind ein Werk der Arbeitsgemeinschaft Klimt-Matsch. Das hofseitig anschließende Speisezimmer zeichnet sich durch eine altdeutsche Stuckbalkendecke mit Hängezapfen und reichem Dekor aus. Ebenfalls an der Hoffront lag der ehemalige Wintergarten mit seiner vierflügeligen korbbogigen Glastüre.

Ort/Adresse: 1010 Wien, Schottenring 21

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


02.04.2006