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Wildegg


Die Burg Wildegg wird unter dem Namen Wildekk 1188 erstmalig urkundlich erwähnt. Ihre Erbauung dürfte wenige Jahrzehnte zuvor erfolgt sein. Da im 1136 ausgestellten Stiftungsbrief des nur vier Kilometer von Wildegg entfernten Stiftes Heiligenkreuz kein Wildegger als Zeuge aufscheint, kann angenommen werden, dass die Burg damals noch nicht existent war. Sie hatte nur eine kleinräumige wehrpolitische Aufgabe, war aber zur Erbauungszeit durch den steil abfallenden Felsen, auf dem sie liegt, gut gesichert. Mit dem Aufkommen der Artillerie hatte sie wegen der gegebenen Überhöhung durch das umliegende Gelände ihren militärischen Wert jedoch bald verloren. Bauherr war vermutlich Heinrich von Wildegg, der 1148 genannt wird. Seine Familie besaß den Wehrbau bis 1261. Mit Konrad von Wildegg waren die Wildegger ausgestorben. Die Burg fiel an Rapoto und Wulfing von Altenburg, die mit seinen Töchtern verheiratet waren. Die Altenburger hausten hier fast zweihundert Jahre lang. Trotz gelegentlicher Gebietsstreitigkeiten mit dem Stift, dürfte das Nachbarschaftsverhältnis ganz gut gewesen sein, da praktisch alle Wildegger und Altenburger bis zum Ende des 13. Jahrhunderts in Heiligenkreuz bestattet wurden. Im 14. und 15. Jahrhundert wechselten die Besitzer häufig. 1479 saß hier der gefürchtete böhmische Söldnerführer Jan Holuberzi. Er verkaufte 1486 Burg und Herrschaft an Achaz von Neideck. Dieser und seine Nachkommen gaben der Anlage ihr heutiges Erscheinungsbild. Ein Doppelwappen der Neidecker von 1549 an den Erdgeschoßarkaden des Hofes weist auf diesen Renaissance-Umbau hin. Damals wurde den mittelalterlichen Wohnbauten ein drittes Geschoß aufgesetzt und die beiden Türme auf Dachhöhe verkürzt. Die Neidecker waren eine angesehene Familie, deren Mitglieder hohe Hofämter innehatten. Als Protestanten kamen sie immer wieder in Streit mit dem benachbarten Stift Heiligenkreuz. Bei der ersten Türkenbelagerung Wiens gelang es den osmanischen Streifscharen nicht, Wildegg einzunehmen.

Während der zweiten Türkenbelagerung wurde Wildegg von den Türken teilweise zerstört und die Herrschaft verwüstet. Der Überlieferung nach hatte sich die Besatzung nach einer Belagerung gegen die Zusicherung des freien Abzugs ergeben, doch wurde sie anschließend niedergemetzelt. Ferdinand Raimund von Neideck hatte nicht die finanziellen Möglichkeiten für einen Wiederaufbau und musste die Anlage 1686 verkaufen. Auf Betreiben des Kaisers Leopold I trat das Stift Heiligenkreuz als Käufer auf. Das bisherige landesfürstliche Lehensverhältnis wurde beendet und Leopold erhielt im Gegenzug die von ihm begehrten Jagdrechte. Abt Clemens Schäffer ließ bis 1689 die schweren Schäden beheben und ein drittes Geschoß auf die Wohngebäude aufsetzen. Die Brandspuren waren aber bis zur letzten Renovierung an den Außenmauern zu sehen. Die Burg erhielt einen geistlichen Verwalter, der mit großem Aufwand bis zum Ende des 17. Jahrhunderts die Innenräume wieder standesgemäß einrichten ließ. Um 1700 wurde die Kapelle neu ausgestattet. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts diente Wildegg den Äbten als Sommerfrische. Danach wurde es Sitz einer Forstverwaltung. Die repräsentative Inneneinrichtung ging in dieser Zeit aber großteils verloren. 1923 mieteten die katholischen Wanderfreunde die bereits vernachlässigte Burg und bauten sie zu einer Jugendherberge aus. Die Prunkräume waren aber privat vermietet. In den letzten Kriegstagen von 1945 wäre es bald zur Vernichtung der Burg gekommen, da diese von SS-Einheiten besetzt war und russische Truppen drohten, sie zu sprengen. Einem Mitglied der Wanderfreunde gelang es aber, dies durch Verhandlungen zu verhindern. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente Wildegg der Katholischen Jungschar als Ausbildungszentrum. Die noch vorhandene alte Einrichtung wurde nach Heiligenkreuz gebracht. 1986 schenkte das Stift die Burg der Erzdiözese Wien. Diese ließ in den nächsten zehn Jahren den Bau umfassend sanieren. Seither dient er als Jugendburg und kann von Jugendgruppen für Ferienlager gemietet werden.

Die Burg liegt an einem kleinen Seitenbach des Mödlingbaches nördlich von Sittendorf. Sie hat einen dreieckigen Grundriss, an dessen nördlicher Spitze der viereckige Bergfried aus dem 13. Jahrhundert steht. Er schützte das Burgtor und war ursprünglich nur über einen Hocheinstieg zugänglich. Seine aus großen Quadern aufgeführten Mauern sind bis zu 2,3 m dick. Im 16. Jahrhundert erfolgte ein groß angelegter Umbau, im Zuge dessen der Bergfried teilweise abgetragen und auf Firsthöhe gebracht wurde. Bei dem im Nordwesten angrenzenden rechteckigen Bau dürfte es sich um den einstigen Palas handeln. Es ist der einzige unterkellerte Teil der Burg. Dem Mittelalter gehört auch der zweite Turm in der Südostecke an, der aus der Südwand vorspringt. In seinem im ersten Stock vorspringenden Erker vermutet man die Apsis der ursprünglichen Burgkapelle. Vom ersten Tor durch das zweite führt eine Treppe in den dreieckigen Burghof, der von Gebäudetrakten mit Arkaden umgeben ist. Der vor dem zweiten Tor liegende Graben wurde im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts zugeschüttet, da man darauf das nördliche Vorwerk mit der neuen Kapelle und dem Rundturm erbaute. Letzterer trägt ein Kegeldach und zeigt einige Schlüsselscharten. Durch diesen Umbau ergibt sich die merkwürdige Situation, dass das Burgtor mit der Zugbrücke im heutigen Wohnbereich der Burg liegt. Die kleinen, unregelmäßigen, gotischen Fenster wurden schon beim Umbau des 16. Jahrhunderts zu großen Renaissancefenstern umgestaltet und die Säulengänge errichtet. Durch den Einbau der dreigeschossigen kreuzgratgewölbten Pfeiler-Arkaden an der Südseite und der ebenfalls dreiachsigen Lauben im Erdgeschoß des Osttraktes wurde der Innenhof wesentlich verkleinert. Der alten Ringmauer wurden eine Halle und ein quadratisches Treppenhaus vorgelegt. Der italienische Einfluss des Renaissance-Umbaues ist unverkennbar, war doch Martin von Neideck Domherr in Trient und Ulrich von Neideck 1491 sogar Rektor der Universität von Bologna. Bemerkenswert ist eine Wendeltreppe, die vom Keller in den ersten Stock führt, aber keinen Ausgang im Erdgeschoß hat. Vom einstigen Inventar blieb ein schöner Renaissance-Ofen erhalten, der aber im Stiftsmuseum von Heiligenkreuz aufbewahrt wird. In der Burg verblieben ein Renaissance-Wandschrank und die prächtige barocke Tür zum Stiegenaufgang. Weitere Türen aus Wildegg sind im Heiligenkreuzer Stiftsrestaurant zu sehen.

Lage: Niederösterreich/Wienerwald – oberhalb des Ortes Sittendorf, ca. 10 km westlich von Mödling

Besichtigung: in der Sommersaison weitgehend möglich

Homepage: http://wien.jungschar.at/wildegg/index.html


Weitere Literatur:


19.03.2006