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Palais Rottal


Bereits im 14. Jahrhundert sind an der Stelle des heutigen Palais sieben Häuser erwähnt, die im Laufe der Zeit zu zwei größeren Gebäuden zusammengefasst wurden. Im späten 17. Jahrhundert erwarben die Grafen von Rottal das Areal. Sie ließen sich von 1667 bis 1683 durch den Architekten Giovanni Pietro Tencalla ein Palais errichten. Es war ein eleganter einstöckiger Bau mit einem markanten Rondell an der Ecke zur Grünangergasse. Erhalten haben sich davon nur die beiden Portale und das Vestibül, denn bereits 1721 gab es die erste Umgestaltung unter dem Baumeister Anton Ospel. 1741 wurde das Gebäude vom österreichischen Staat erworben und bis 1752 komplett umgebaut. Architekt war Franz Anton Pilgram. Er vereinigte es mit dem benachbarten Billiotteschen Stiftungshaus und gab dem neuen Bau eine einheitliche Fassade. Das neue Palais diente vorerst dem Wiener Stadtbanco als repräsentatives Domizil, der schon seit 1741 hier eingemietet war. Diese Institution war bereits 1703 zur Reorganisation der äußerst strapazierten Staatsfinanzen als Staatsbank gegründet worden. Drei Jahre später übernahm die Stadt Wien die Garantie für die Deckung der von ihr ausgegebenen Obligationen. Bei neuerlichen Umbauarbeiten in den Jahren 1842 bis 1848 kam ein neues Stockwerk hinzu, so dass die ursprünglichen Proportionen verloren gingen. Damals wurden auch die beiden Dreiecksgiebel über den Risaliten abgetragen und durch eine Attika ersetzt, auf der man Figuren aufstellte, die sich zuvor am Winterpalais des Prinzen Eugen in der Himmelpfortgasse befanden. 1849 nahm das neu adaptierte Gebäude das k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht auf. 1897 fanden umfangreiche Umbauten im Inneren statt. 1903/04 führte der vermehrte Raumbedarf zu einem großen Umbau. Nach Abbruch zweier Häuser in der Kumpfgasse entstand der Hintertrakt mit seinen nach innen abgerundeten Ecken. Später diente das Gebäude der Finanzverwaltung und ihr nahe stehenden Stellen, wie der Staatsschuldenkassa oder dem Bundesrechenzentrum, als Amtsgebäude. Das ehemalige Palais ist nach wie vor in Staatsbesitz und beherbergt seit 1983 die Finanzprokuratur und die Volksanwaltschaft.

Trotz der Vereinheitlichung der Fassade erkennt man an den unterschiedlichen Geschoßhöhen, dass hier ursprünglich kein Bau aus einem Guss vorhanden war. Die beiden Häuser des Palais-Komplexes sind um zwei Höfe gruppiert. Die in den letzten Jahren prächtig renovierte, dreizehnachsige, spätbarocke Fassade in der Singerstraße wirkt vor allem durch die reich verzierten Fensterumrahmungen und -verdachungen. Die beiden dreiachsigen Risalite treten nur wenig vor, tragen aber durch die korinthischen Riesenpilaster, die den ersten und den zweiten Stock zusammenfassen, viel zum Gesamteindruck bei. An der 1845 neu gestalteten Attika weist ein großer kaiserlicher Adler darauf hin, dass das Gebäude die längste Zeit seiner Geschichte öffentlichen Aufgaben diente. Die beiden, relativ einfachen Portale im genuteten Erdgeschoß werden von gesprengten Segmentgiebeln gekrönt, auf denen allegorische Figuren sitzen. Am linken Portal stellen sie die Tapferkeit und die Beharrlichkeit sowie über dem rechten Tor die Kraft und die Hoffnung dar. Eher ungewöhnlich für Wiener Palais, befinden sich über den Portalen keine Balkone. Die siebzehnachsige barocke Nebenfront in der Grünangergasse ist wesentlich schlichter gehalten. An den Wänden des größeren Hofes wiederholt sich die Struktur der Hauptfassade in schlichteren Formen. Seine Hinterfront ist bühnenartig gekrümmt. Das Vestibül ist eine dreischiffige Säulenhalle, an die im rechten Gebäudeteil ein repräsentatives Treppenhaus anschließt. Seine Wände sind durch Pilaster gegliedert und durch Wandnischen und neobarocke Ziervasen aufgelockert. Im linken Gebäudeflügel hat sich noch in einigen Räumen die Ausstattung des 18. und 19. Jahrhunderts erhalten. Man findet Kaminnischen in Stuckmarmor und einige neobarocke Kachelöfen. Der vergoldete Wanddekor ist meist in den Formen des Zweiten Rokokos gehalten. Sehr schön sind die Stuckverzierungen der kleinen Hauskapelle mit ihrer ovalen Flachkuppel. Ihre Supraporten sind mit plastischen Putten verziert. Auch ein Salon im hinteren Teil des Palais ist reich mit vergoldetem Stuck geschmückt. Leider wurde der große Festsaal anlässlich einer der letzten Umbauten der Höhe nach unterteilt, wodurch er viel von seiner Wirkung verloren hat. Der zweigeschossige barocke Keller dient heute als Archiv. Im Bereich der Südwestecke hat sich noch spätmittelalterliches Zwickelmauerwerk erhalten.

Ort/Adresse: 1010 Wien, Singerstraße 17 - 19/Grünangergasse 9

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


29.12.2005