ARCHIV


Gefährdete Objekte

Schlosshotels

Personenverzeichnis






Stetteldorf - Juliusburg


Ein Hugo von Stetteldorf wird bereits 1120/30 genannt, doch ist über seinen Sitz nichts bekannt. Ab 1278 war Stetteldorf ein Reichslehen des Burggrafen von Nürnberg, Friedrich von Zollern. Seine Familie stellte bis in des 18. Jahrhundert hinein die Lehensherren. Das heutige Schloss entstand erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts. Julius II Graf Hardegg hatte 1582 die Herrschaft und den Markt Stetteldorf von der Familie Starhemberg erworben. Er errichtete hier zunächst eine Schäferei, einen Schüttkasten und eine Mühle. Da er bei der Erbteilung mit seinen Brüdern keinen standesgemäßen Wohnsitz erhalten hatte, begann er bald danach sich hier einen zu schaffen. Es gab keinen Vorgängerbau an seiner Stelle. 1588 dürfte das Renaissanceschloss zumindest äußerlich fertig gestellt worden sein. Der seinerzeitige Name „Juliusburg“ geht auf den Bauherrn zurück. Aus Rechnungen geht hervor, dass der Baumeister Andreas Piazoll aus St. Pölten am Gebäude führend tätig war. Als 1593 Julius II starb, setzte sein Neffe und Erbe, Georg Friedrich Graf Hardegg, den weiteren Ausbau der Anlage fort. Auf ihn geht der hohe Wall zurück, der das Schloss an der Nordseite als Vorwerk schützte. Möglicherweise war er auch der Auftraggeber des westlichen Hofflügels. Das von ihm geplante Pendant an der Ostseite, wodurch der Ehrenhof symmetrisch geschlossen worden wäre, wurde nie errichtet. Georg Friedrich ließ auch den großen Schlossgarten anlegen, für den eigens ein Gärtner aus Vincenza eingestellt wurde. Im 17. Jahrhundert war der Park bereits so berühmt, dass sogar 1679 Kaiser Leopold I kam, um ihn zu bewundern. Beim Schwedeneinfall von 1645 wurde Stetteldorf arg geplündert. Danach wurden zur besseren Verteidigung drei Rondelle angelegt. Als 1703 Johann Julius IV Graf Hardegg die Herrschaft übernahm, beauftragte er Johann Jacob Castelli mit der Modernisierung und barocken Neufassadierung der Anlage. Nach Castellis Tod (1728) war Johann Lukas von Hildebrandt als Architekt hier tätig. 1749 richtete ein Erdbeben am Schloss schwere Schäden an, so dass der mit einer Welschen Haube ausgestattete mächtige Hauptturm des Schlosses zwei Jahre später abgetragen werden musste.1945 starb der letzte Inhaber des Familien-Fideikommisses an der Front. Das Kriegsende brachte eine totale Plünderung und Devastierung des Schlosses mit sich. Wie so manches Objekt im Weinviertel hatte auch die Juliusburg sich jahrzehntelang davon nicht erholt. In den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die besonders gefährdete Dachzone mit den zahlreichen Gaupen und Schornsteinen repariert. Nach dem Aussterben der Stetteldorfer Linie der Familie Hardegg erbte die Pflegetochter Kunigund Sturmfeder das Schloss. 1982 erwarb es Georg von Stradiot. Er begann in letzter Zeit mit der dringend erforderlichen Generalsanierung. Die äußerst kostenaufwändigen Arbeiten sind derzeit (2009) voll im Gange.

Schloss Stetteldorf liegt am Südrand des ins Tullnerfeld steil abfallenden Wagrams. Eine Kastanienallee führt durch den ausgedehnten, ehemaligen englischen Landschaftspark auf das Schloss zu. Dieses ist von einem hohen Erdwall umgeben, vor dem ein Graben lag. Ein einst prächtiges, heute aber schwer beschädigtes Steinportal ermöglicht die Durchfahrt. Es wurde 1731 vermutlich von Johann Lukas von Hildebrandt geschaffen. Anlass waren die Hochzeiten von Karl Leopold Graf Hardegg mit Elisabeth Christine von Sinzendorf und von Maria Josefa Gräfin Hardegg mit dem Salzburger Oberjägermeister Felix Graf Arco. Über dem Tor ist an seiner Außenseite eine steinerne Wappenkartusche der Grafen Hardegg angebracht. Sie ist von plastisch gestalteten Blattgehängen umgeben. An der Innenseite wird das Tor von zwei bereits stark verwitterten Steinbüsten flankiert. Dieses Prunkportal ersetzt die ursprüngliche Toranlage von 1588, die noch durch eine Zugbrücke gesichert war. Das in die nördliche Umfassungsmauer eingeschnittene zweite Tor weist in seiner Attikazone über dem Rundbogen Schlüssellochscharten auf, was auf die seinerzeitige Existenz eines Wehrganges hinweist. Der dahinter liegende große Ehrenhof wird an seiner Südseite vom Hauptschloss abgeschlossen, während im Westen ein zweigeschossiger Bau und im Osten anspruchslose eingeschossige Nebengebäude den Hof begrenzen. Die dreigeschossige neunachsige Hauptfront des Schlosses ist mit reichem plastischen Dekor verziert. Anstelle der beiden Mittelfenster, die durch den Anbau des Westtraktes asymetrisch wirken, befand sich der Hauptturm der alten Juliusburg. Das darunter liegende Rundbogenportal wird von Säulen flankiert. Die beiden weiblichen Figuren, die darüber sitzen, stellen die Weisheit und die Stärke dar. Sie könnten von Domenico Martinelli stammen, der für die Familie Hardegg auch in Schloss Seefeld gearbeitet hat. Über dem Portal erkennt man zwei Putten, die Blumengirlanden in den Händen halten.

Die Fenster des Hauptgeschosses sind mit abwechselnd dreieckigen und segmentbogigen Verdachungen versehen, jene im Obergeschoß weisen gerade Verdachungen auf. Die Gebäudekanten werden durch aufgeputzte Eckrustika betont. Die lange Südfront ist analog der Eingangsseite gestaltet. Sie diente als abschließende Kulisse für den bereits in der Ebene gelegenen Garten unterhalb des Wagrams. Das hohe Ziegeldach wird von gemauerten Dachhäusern und darüber befindlichen Schleppgaupen unterbrochen. Auch die stattlichen Rauchfänge beleben die ausgedehnte Dachfläche. Der Dachboden wurde bereits im 16. Jahrhundert ausgebaut und mit Stuckdecken versehen. Die Erdgeschoßräume sind vorwiegend mit Kreuzgratgewölben ausgestattet, die zum Teil auf toskanischen Halbsäulen ruhen. Das Stiegenhaus sowie einige Räume im ersten Stock sind mit qualitätvollem Stuck aus der Zeit um 1700 versehen, der Johann Jakob Castelli zugeschrieben wird. Der Rokokosalon im ersten Stock, der auch für das Federballspiel benutzt wurde, erhielt seine Wandmalereien 1787 vom Tullner Künstler Josef Melchior Thalmann. Sie wurden erst 1955 aufgedeckt. Zwischen einer gemalten Säulenarchitektur erkennt man die Güter der Familie Hardegg: Stetteldorf, Oberrußbach, Absdorf, Wolfpassing, Hausleiten und Oberhautzenthal. Die Stuckdecke zeigt Rankenwerk und allegorische Darstellungen. Im zweiten Stock gibt es einen weiteren Festsaal. Dieser nimmt die gesamte Gebäudetiefe ein. Er wurde um 1774 von Andreas Jäger mit bemalten Leinwänden bespannt. Sie zeigen einen exotischen Garten mit Tieren und Gewächsen sowie romantische Architekturen. Mehrere Räume besitzen Stuckdecken aus dem ersten Viertel des 18. Jahrhunderts. Aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammen die Dekorationsmalereien in den Spiegelfeldern einiger Decken des Obergeschosses sowie der barocken Stuckdecke des großen Saales. Bis 1945 befanden sich im Schloss eine bedeutende Waffensammlung und eine Gemäldegalerie. Beide haben das Kriegsende und die Nachkriegszeit ebenso wenig überdauert wie die gesamte Möblierung und der größte Teil des Herrschaftsarchivs.

Das im Westen rechtwinkelig an den Hauptbau anschließende Gebäude wird auch Sobieskitrakt genannt, da der polnische König hier 1683 vor dem Entsatz von Wien Kriegsrat gehalten haben soll. Ein repräsentatives Portal ermöglicht den Zugang zu der im ersten Stock befindlichen ehemaligen Kapelle. Sie ist dem Hl. Franziskus de Paula geweiht. Die gotisierenden Malereien wurden um die Mitte des 19. Jahrhunderts geschaffen. Die Räume des Sobieskitraktes wurden an der Wende des 16. zum 17. Jahrhundert vom Wiener Maurermeister Sebastian Renner mit schlichtem Stuck ausgestattet. Sie dienten früher vorwiegend als Herrschaftskanzleien. Dieser Flügel wird von einem runden Treppenturm abgeschlossen. Die historische Garten- bzw. Parkanlage erstreckt sich von der oberen Kante des Wagrams über den Abhang hinweg bis zur sog. Rohrmühle in der Niederung. Die ehemals bestens gepflegten Anlagen sind komplett verwildert bzw. abgekommen, so dass man die einstigen Strukturen nur mehr erahnen kann. An der Südseite des Schlosses lag einst der „Lustgarten“ mit Parkbauten wie einer Grotte, einem Jägerhaus und einer Einsiedelei. Der Garten war mit 64 Statuen griechischer und römischer Gottheiten geschmückt. Sie sind jedoch seit langem verschollen. Auch die Fontänen und der Schildkrötenteich haben die Jahrhunderte nicht überdauert. An der gegenüberliegenden Seite der im Norden am Parkeingang vorbeiführenden Straße liegt ein weitläufiger barocker Meierhof. Seine Schaufassade weist zwei markante geschwungene Doppelgiebel auf. Ebenfalls an der Straße, aber an den Schlosspark anschließend, wurde 1829 das einstöckige Luisenschlössl als Witwensitz für die Gräfin Luise Hardegg errichtet. Auch diese Bauten haben eine Renovierung dringend nötig.

Lage: Niederösterreich/Weinviertel – ca. 10 km nordwestlich von Tulln

Ort/Adresse: 3463 Stetteldorf am Wagram

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


26.12.2005