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Oberlanzendorf


Das Ministerialengeschlecht der Lanzendorfer wird meist dem bei Mistelbach liegenden Ort gleichen Namens zugeordnet. Man vermutet aber eine Verbindung der beiden Familien, da ihre Besitzungen zum Teil nebeneinander lagen. Die Asparn-Maleisdorfer besaßen Oberlanzendorf um 1170. Später wurden sie von den Schönbergern abgelöst. Die Besitzerfamilien nannten sich aber immer wieder nach Lanzendorf. 1388 bestätigte Herzog Albrecht III dem Ruedel von Lanzendorf den Besitz eines Hofes.1558 scheint als Herrschaftsbesitzer die Familie Eißler und 1572 Heinrich Freiherr von Lamberg auf. Durch seine exponierte Lage im Osten der Stadt Wien und seine geringe Befestigung wurde das Schloss bei beiden Türkenbelagerungen verwüstet und teilweise zerstört. Der heutige Bau entstand aber vor allem in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. 1651 gehörte das Gut Johann Friedrich von Brassican. Über seine Tochter kam es an deren Gatten Otto Ehrenreich Freiherr von Kirchberg. Die Herrschaft florierte jedoch nicht und ging schließlich in Konkurs. Aus der Masse kauften es die Grafen Königsberg. Sie dürften etliche Umbauten vorgenommen haben. Die hofseitigen Erweiterungen entstanden vorwiegend zwischen 1820 und 1830. In letzterem Jahr erwarb Moritz Edler von Tschoffen das Schloss. Es diente ab 1832 als Fabrik. Zuerst wurde hier Metallgeschirr und dann ab 1841 Messingwaren erzeugt. Die nächsten Besitzer waren Salomon Marcus Adler und Dr. Konrad Willner. 1915 wurde in dem Gebäude ein Heim für verkrüppelte Kinder eingerichtet. Für diesen Zweck wurde es im Pavillonsystem erweitert. 1940 musste die Gemeinde Wien die Kinder nach Rodaun verlegen. Oberlanzendorf diente nunmehr vorerst als Anhaltelager für Männer, die sich vom Arbeitseinsatz drücken wollten. 1942 wurde es von der GESTAPO übernommen und als Zwischenlager für politische und kriminelle Häftlinge geführt. In den letzten Kriegsjahren fungierte es als Durchgangslager für ungarische Juden auf ihrem Weg in diverse Konzentrationslager. Im Schloss war die Lagerleitung untergebracht. Für die Häftlinge stand der ehemalige Meierhof zur Verfügung. Seit 1948 gehört das Schloss der Caritas der Erzdiözese Wien, die hier zuerst ein Genesungsheim für Nervenkranke unterhielt. 1966 wurde die Anlage umfassend restauriert und neuerlich als Rehabilitationsheim für körperbehinderte Kinder eingerichtet. 2011/12 wurde das Schloss im Inneren neu adaptiert. Die Fassaden wurden restauriert und einige Neubauten im Schlossareal errichtet. Das in Sichtbeton neu erbaute Stiegenhaus ist als Gedenkstätte für die in Oberlanzendorf erfolgten Verbrechen zwischen 1938 und 1945 zwar gut gemeint, aber architektonisch völlig unpassend.

Das mehrfach umgebaute Schloss liegt am Südende des Dorfes unmittelbar an der Durchzugsstraße. Der zwei- bis dreigeschossige, blockhafte Bau weist einen hakenförmigen Grundriss auf. Seine Ecken sind mit einer Zierquaderung versehen. In der Mitte des hohen Walmdaches sitzt ein viereckiger Dachreiter mit einem blechernen Spitzhelm. Er dürfte vom Umbau des Jahres 1758 stammen. Die einfach gehaltene Straßenfront zeigt sieben Fensterachsen. Parkseitig ist diesem Längstrakt eine zweigeschossige Loggia vorgesetzt. Ihre Säulen tragen im Erdgeschoß eine flache Decke, im Obergeschoß aber Korbbogen. Dieser Anbau ist relativ jungen Datums. Im Süden schließt an ihn ein ebenfalls zweigeschossiger klassizistischer Vorbau mit genutetem Erdgeschoß an. Die hohen Rundbogenfenster des Obergeschosses sind durch Doppelpilaster getrennt. Dahinter liegt der einstige Festsaal. Die ehemalige Kapelle im Obergeschoß dieses Traktes wurde um 1830 eingerichtet. Dieser Vorbau trägt an der Stelle eines Daches eine von einer Steinbalustrade begrenzte Dachterrasse mit einem Dachhäuschen an der Straßenseite. Ein Nebengebäude ist mit dem Hauptbau durch einen flachen gedeckten Säulengang verbunden. Dieses sowie andere, meist zweigeschossige Bauten wurden Ende des 19. bzw. anfangs des 20. Jahrhunderts als Verwaltungs- und Pflegegebäude errichtet. Sie sind noch zum Teil von der einstigen Wehrmauer umgeben. Einzelne Schartenöffnungen haben sich erhalten. An der Rückseite des Schlosses erstreckt sich ein großer Park. Der an der anderen Straßenseite liegende – einst riesige – Meierhof wurde 1998 bis auf die Stallungen großteils abgetragen.

Lage: Niederösterreich/Wiener Becken – ca. 4 km südöstlich der Wiener Stadtgrenze

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


25.11.2005