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Rothmühle (Rannersdorf)


Das Areal, auf dem sich das heutige Schloss Rothmühle befindet, gehörte bis 1848 zur Grundherrschaft der Kirche St. Gilgen in Gumpendorf. Am Ufer der Schwechat entstanden noch im 13. Jahrhundert etliche hölzerne Mühlen, zu denen auch die wesentlich später aus roten Ziegeln neu errichtete Rothmühle gehörte. 1291 wird als Betreiber Chunrat der Mulner genannt. 1335 erwarb der Deutsche Ritterorden diese Mühle und bewirtschaftete sie vorerst in Eigenregie. Er gab sie aber 1424 an Hans Nötter als Leibgedinge weiter. Der Bau hatte bis Ende des 16. Jahrhunderts verschiedene private Besitzer. Erst als 1593 Ambrosy di Ferrari die Mühle übernahm, ließ er sie in einen befestigten Landsitz umwandeln, wobei der Mühlenbetrieb aber aufrecht blieb. Sein Sohn Alexander wurde mit der Bezeichnung Ferrari di Grado in den Adelsstand erhoben. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts scheinen zwei spanische Adelige als Eigentümer auf. Danach wechselten sich wieder bürgerliche Besitzer ab. Während der Zweiten Wiener Türkenbelagerung von 1683 wurde der Landsitz zwar stark beschädigt aber nicht zerstört. Der damalige Gutsherr Johann Sigmund Ponz ließ anschließend eine Totalrenovierung durchführen. An diese erinnert sein Wappen in der Kapelle. Auch die Fresken im Festsaal dürften von ihm in Auftrag gegeben worden sein. Ponz wurde 1697 für seine Verdienste im Kampf gegen die Türken von Kaiser Leopold I mit dem Prädikat von Engelshofen zum Ritter ernannt. Der Überlieferung nach war Kaiser Karl VI im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts mehrmals Jagdgast der Familie Ponz. 1713 fand ein weitgehender Um- und Neubau statt. Einige Jahre nach dem Tod des Johann Sigmund Ponz von Engelshofen erwarb der Wiener Feldapotheker Georg Friedrich von Eylenschenk den Besitz. Er ließ das Landschloss um 1744 neuerlich umbauen. Der immer noch angeschlossene Mühlenbetrieb wurde um 1756 durch eine Tuchwalke ergänzt. Dr. Franz Anton Mesmer, ein angesehener Arzt und Naturforscher, dem die Herrschaft ab 1769 gehörte, war ein Förderer Mozarts, der auch als sein Gast im Schloss weilte. Mesmer verkaufte die Rothmühle 1779 an den Müllermeister Johann Plank.

Als 1863 der Besitz an den Bierbrauer Anton II Dreher verkauft wurde, stellte man den Mühlenbetrieb ein und bewirtschaftete nur mehr die landwirtschaftlichen Flächen des Gutes. Im Schloss wurden Landarbeiter einquartiert. Der bereits sehr vernachlässigte Bau diente ab 1867 den Pächtern als Fabriksgebäude für ihre Wolldruckerei. 1879 vernichtete ein Brand den Großteil des Holzschindeldaches und den Dachstuhl. Auch im danach neu ausgebauten Dachgeschoß wurden Maschinen aufgestellt. Die Fabrik beschäftigte um 1900 zwischen 300 und 400 Arbeiter. 1917 musste sie aber aus kriegsbedingtem Materialmangel stillgelegt werden. Von 1920 bis 1935 produzierte die Wiener Lederindustrie AG in den Räumen des Schlosses Oberleder für die Schuhindustrie. Nach der Liquidation des Betriebes richtete die Wünschek-Dreherische Gutsverwaltung neuerlich Arbeiterwohnungen im Gebäude ein. 1945 wurde das bereits halb verfallene Schloss von Fliegerbomben schwer beschädigt. Der noch bewohnbare Teil diente in den letzten Kriegstagen noch einer SS-Einheit als Stabsquartier. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Schloss notdürftig wieder bewohnbar gemacht und einigen Arbeiterfamilien zur Verfügung gestellt. 1967 verkaufte Kitty Wünschek-Dreher den völlig verwahrlosten Bau an die Stadtgemeinde Schwechat. Diese ließ das Schloss bis 1972 wieder in seinem alten Glanz erstrahlen und als Kulturzentrum adaptieren. Seit 1973 finden jedes Jahr im Hof Nestroy-Sommerspiele statt. Von 1976 bis 1994 war in einigen Räumen das Schwechater Heimatmuseum untergebracht. Der Festsaal dient seit 1992 dem Schwechater Standesamt als Trauungssaal. 2001 wurde das Schloss neuerlich renoviert und im Inneren modernisiert. Einige Räume wurden als Gästezimmer eingerichtet.

Die Rothmühle liegt im Norden von Rannersdorf. Bis zur Umleitung der Schwechat um 1970 floss diese unmittelbar am Schloss vorbei. Es ist noch von Resten des einstigen Grabens umgeben. Die segmentbogige Anlage ist um einen Hof angeordnet. Zwei Flügeln schließen diesen nach Norden und Süden ab. Nach Osten zu ist der Hof nach Abriss der später dort errichteten Fabriksgebäude wieder geöffnet. Die zweigeschossigen Trakte sind reich gegliedert. Ihre Fassaden zeigen eine Putzrahmen- und Feldergliederung aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die Fenster weisen Steingewände und profilierte Sohlbänke auf. Die lange, nach Westen gerichtete Hauptfront wird von zwei achteckigen Türmen mit großen Zwiebelhauben akzentuiert. Der nördliche ist mit einer Eckquaderung versehen. Über den einstigen – jetzt zugeschütteten – Graben gelangt man über eine barocke Steinbrücke zum korbbogigen Hauptportal, das von Doppelpilastern flankiert wird. Auf diesen ruhen Mars und Minerva. Dazwischen ist eine reliefierte Wappenkartusche angebracht. An der Nordfassade springt ein von einer Balustrade begrenzter Balkon auf geschwungenen Kragsteinen vor. Die zweigeschossige Kapelle liegt im Südtrakt. Sie ist vom Hof aus zugänglich. Im gesprengten Dreiecksgiebel über ihrem Portal erkennt man das Wappen der Ferrari di Grado vom Ende des 17. Jahrhunderts. Im Nordflügel führt eine Steintreppe mit einer verschlungenen Rokokobalustrade (3. Viertel 18. Jh.) in die Beletage. Der dreiachsige Festsaal im Haupttrakt besitzt eine repräsentative Stuckdecke. Die beiden Deckengemälde stellen David und Bathseba sowie Christus und die Samariterin dar. Die Decke wurde erst 1968 beim Abriss eines alten Holzplafonds wiederentdeckt. Wesentlich schlechter erhalten war das stuckgerahmte Deckenfresko der Kapelle, da diese in den Jahren vor der Restaurierung als Kleintierstall diente. Man vermutet, dass es den Bischof Leopold Karl Graf Kollonitsch zeigt, der sich während der zweiten Türkenbelagerung große Verdienste um die eingeschlossene Bevölkerung gemacht hat. Andere Kunstgeschichtler glauben den Hl. Karl Borromäus zu erkennen.

Lage: Niederösterreich/Wiener Becken – Rannersdorf, Rothmühlstraße 5

Besichtigung: zeitweise möglich

Homepage: www.rothmühle.at


Weitere Literatur:


19.11.2005